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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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beleuchtet von wunderbaren Lichtern, sind sie nicht von einer tausendmal
zauberischem Wirkung? Und wenn man über das Verdienst der beiden
Bühnen streiten soll, so finde ich,< wenig Größe in einem Schauspiel,
dessen eintöniges Repertoire sich zwischen den Duellen der Gladiatoren'
und den Malen der wilden Thiere bewegte. Die Monumente selbst
sind unstreitbar von einer schönen Einfachheit; sie haben vor unsern
Theatern den Vortheil voraus, der Zeit zu trotzen, da dieselben Rö¬
mer, die nicht sitzend essen konnten, und welche dieRafsincment's der Sinn¬
lichkeit in allen Dingen so weit getrieben, sich doch in ihren Schauspiel¬
häusern granitener Sitze bedienten, die zugleich als Fußstaffeln dienten;
aber ihre ungeheure Masse, wenigstens die der Amphitheater im Ge¬
schmack des Veronesischen hat Nichts, was den Blick verführt, und sie
gehören zu den kalten Schönheiten, die man bewundert, ohne im Minde¬
sten g?rührt zu werden.

Wir bedauerten sehr, nur im Vorübergehen einen raschen Blick
auf den malerischen Platz ciel Si'gmori werfen zu können, der Paläste
von einem ausgezeichneten Uebergangsstyl darbietet; nahe dabei sind die
alten gothischen Gräber der Scaliger, der alten Landesfürsten, von de¬
nen abzustammen die. Gelehrten dieses Namens stolz waren; diese Grä¬
ber zeigen überall auf den Gittern das sprechende Wappen der Familie,
eine Leiter (hasts), welche an irgend eine Heldenthat des Begründers
bei einer Belagerung erinnern kann" Es fehlte uns ebenso an Zeit,
um vor den Thoren eins der authentischen Wunderwerke Verona's zu
besuchen; das Grab Romeo's und Julia'S. Da Shaffveare die rüh¬
rendste unter allen Liebeslegenden, welche je einem Dichter zu Verschö¬
nerung durch die Macht seines Genies geboten wurde, volksthümlich
gemacht hatte, so konnte das Grab der beiden liebreizenden Opfer des
Hasses der Capuleti und Montecchi nicht lauge unbekannt bleiben. Wie
soll man am Dasein zweier Wesen zweifeln, deren grausames Ende
der bewunderungswürdige Tragiker uns noch alle Tage beweinen läßt?
Unser Cicerone theilte die Ueberzeugung gänzlich. In: Augenblick als
er sah, daß ich bereit war,-in,den Wagen zu steigen, nahm er mich
bei Seite, und sagte mit einer geheimnißvollen Miene, indem er nur
einen kleinen Splitter Marmor in die Hand drückte: Da haben Sie
ein Stück von dem wahren Grabe Romeo's und seiner Julia, das die
Regierung mit der größten Strenge bewachen läßt; ich will es Ihnen
> abtreten; Sie werden mir dafür nach Belieben geben. Ich hielt mei¬
nen Buckligen beim Wort, und gab ihm, ich glaube sechs Kreuzer- für


beleuchtet von wunderbaren Lichtern, sind sie nicht von einer tausendmal
zauberischem Wirkung? Und wenn man über das Verdienst der beiden
Bühnen streiten soll, so finde ich,< wenig Größe in einem Schauspiel,
dessen eintöniges Repertoire sich zwischen den Duellen der Gladiatoren'
und den Malen der wilden Thiere bewegte. Die Monumente selbst
sind unstreitbar von einer schönen Einfachheit; sie haben vor unsern
Theatern den Vortheil voraus, der Zeit zu trotzen, da dieselben Rö¬
mer, die nicht sitzend essen konnten, und welche dieRafsincment's der Sinn¬
lichkeit in allen Dingen so weit getrieben, sich doch in ihren Schauspiel¬
häusern granitener Sitze bedienten, die zugleich als Fußstaffeln dienten;
aber ihre ungeheure Masse, wenigstens die der Amphitheater im Ge¬
schmack des Veronesischen hat Nichts, was den Blick verführt, und sie
gehören zu den kalten Schönheiten, die man bewundert, ohne im Minde¬
sten g?rührt zu werden.

Wir bedauerten sehr, nur im Vorübergehen einen raschen Blick
auf den malerischen Platz ciel Si'gmori werfen zu können, der Paläste
von einem ausgezeichneten Uebergangsstyl darbietet; nahe dabei sind die
alten gothischen Gräber der Scaliger, der alten Landesfürsten, von de¬
nen abzustammen die. Gelehrten dieses Namens stolz waren; diese Grä¬
ber zeigen überall auf den Gittern das sprechende Wappen der Familie,
eine Leiter (hasts), welche an irgend eine Heldenthat des Begründers
bei einer Belagerung erinnern kann» Es fehlte uns ebenso an Zeit,
um vor den Thoren eins der authentischen Wunderwerke Verona's zu
besuchen; das Grab Romeo's und Julia'S. Da Shaffveare die rüh¬
rendste unter allen Liebeslegenden, welche je einem Dichter zu Verschö¬
nerung durch die Macht seines Genies geboten wurde, volksthümlich
gemacht hatte, so konnte das Grab der beiden liebreizenden Opfer des
Hasses der Capuleti und Montecchi nicht lauge unbekannt bleiben. Wie
soll man am Dasein zweier Wesen zweifeln, deren grausames Ende
der bewunderungswürdige Tragiker uns noch alle Tage beweinen läßt?
Unser Cicerone theilte die Ueberzeugung gänzlich. In: Augenblick als
er sah, daß ich bereit war,-in,den Wagen zu steigen, nahm er mich
bei Seite, und sagte mit einer geheimnißvollen Miene, indem er nur
einen kleinen Splitter Marmor in die Hand drückte: Da haben Sie
ein Stück von dem wahren Grabe Romeo's und seiner Julia, das die
Regierung mit der größten Strenge bewachen läßt; ich will es Ihnen
> abtreten; Sie werden mir dafür nach Belieben geben. Ich hielt mei¬
nen Buckligen beim Wort, und gab ihm, ich glaube sechs Kreuzer- für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/335>, abgerufen am 24.07.2024.