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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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da schien da6 Publicum seinerseits trunken, und die Beifallsbezeugungen
waren unaufhörlich. Nie sang sie besser als in dieser Vorstellung, wäh¬
rend deren man ihr ankündigte, daß sie wieder in Freiheit gesetzt sei,
so daß seitdem trotz des Unfalls der unglücklichen 2den Vorstellung Pic-
cini's Iphigenie in I^auris 10 Mal hinter einander gespielt wurde
und vielleicht noch öfter wäre gegeben worden, wenn man sie nicht
plötzlich vom Repertoire zurückgezogen hätte, obgleich die Einnahme nie
geringer als 3000 Livres gewesen.

Hiemit endigte der Streit der Gluckisten und Piccinisten. Gluck
ließ noch seine Oper Echo und Narciß aufführen, die aber wenig Bei¬
fall fand, und bereitete sich vor, eine Partitur über ein Gedicht die Da-
ncnden zu schreiben, um damit seine Laufbahn zu schließen.-- Da traf
ihn ein Anfall von Schlagfluß, in Folge dessen feine Kräfte abnahmen,
so daß er genöthigt war, die Arbeit aufzugeben. Er starb einige Jahre
darauf in Wien, wohin er sich zurückgezogen, und wo er einsam gelebt
hatte. Seitdem componirte Piccini noch mehrere Werke, die mit vielem
Beifall aufgenommen wurden, von denen aber keines eines so glänzenden
Erfolges sich erfreute, als Dido. Doch auch er wollte sich der durch
zahlreiche Arbeiten verdienten Ruhe hingeben, als er plötzlich im An¬
fange der französischen Revolution bedeutende Geldverluste erlitt. Den?
zu Folge entschloß er sich, nach Italien zurückzukehren, und führte dies
auch aus; er componirte dort mehre Opern, machte aber kein Glück und
ward der Spielball von Ereignissen, deren Erzählung zwar vieles In¬
teressante bietet, das aber nicht in die Schranken dieses Artikels gehört.
So kam er endlich nach Frankreich zurück, um dort eine Verbesserung
seiner Lage zu versuchen. Buonaparte, damals erster Consul, schätzte
sein Talent, verlangte mehrere Stücke von ihm, die großmüthig bezahlt
wurden, und ließ ihn zum Studien-Inspector am Pariser Musik-Con-
servatorium ernennen. Er genoß aber die Wohlthaten dieser neuen Stel¬
lung nicht lange; denn er ward von einer schweren Krankheit betroffen
und zog sich nach Passy zurück, wo er den 7. Mai 1300 starb.




da schien da6 Publicum seinerseits trunken, und die Beifallsbezeugungen
waren unaufhörlich. Nie sang sie besser als in dieser Vorstellung, wäh¬
rend deren man ihr ankündigte, daß sie wieder in Freiheit gesetzt sei,
so daß seitdem trotz des Unfalls der unglücklichen 2den Vorstellung Pic-
cini's Iphigenie in I^auris 10 Mal hinter einander gespielt wurde
und vielleicht noch öfter wäre gegeben worden, wenn man sie nicht
plötzlich vom Repertoire zurückgezogen hätte, obgleich die Einnahme nie
geringer als 3000 Livres gewesen.

Hiemit endigte der Streit der Gluckisten und Piccinisten. Gluck
ließ noch seine Oper Echo und Narciß aufführen, die aber wenig Bei¬
fall fand, und bereitete sich vor, eine Partitur über ein Gedicht die Da-
ncnden zu schreiben, um damit seine Laufbahn zu schließen.— Da traf
ihn ein Anfall von Schlagfluß, in Folge dessen feine Kräfte abnahmen,
so daß er genöthigt war, die Arbeit aufzugeben. Er starb einige Jahre
darauf in Wien, wohin er sich zurückgezogen, und wo er einsam gelebt
hatte. Seitdem componirte Piccini noch mehrere Werke, die mit vielem
Beifall aufgenommen wurden, von denen aber keines eines so glänzenden
Erfolges sich erfreute, als Dido. Doch auch er wollte sich der durch
zahlreiche Arbeiten verdienten Ruhe hingeben, als er plötzlich im An¬
fange der französischen Revolution bedeutende Geldverluste erlitt. Den?
zu Folge entschloß er sich, nach Italien zurückzukehren, und führte dies
auch aus; er componirte dort mehre Opern, machte aber kein Glück und
ward der Spielball von Ereignissen, deren Erzählung zwar vieles In¬
teressante bietet, das aber nicht in die Schranken dieses Artikels gehört.
So kam er endlich nach Frankreich zurück, um dort eine Verbesserung
seiner Lage zu versuchen. Buonaparte, damals erster Consul, schätzte
sein Talent, verlangte mehrere Stücke von ihm, die großmüthig bezahlt
wurden, und ließ ihn zum Studien-Inspector am Pariser Musik-Con-
servatorium ernennen. Er genoß aber die Wohlthaten dieser neuen Stel¬
lung nicht lange; denn er ward von einer schweren Krankheit betroffen
und zog sich nach Passy zurück, wo er den 7. Mai 1300 starb.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/283>, abgerufen am 23.07.2024.