Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.ersten Werks zu Wählen, und schrieb seinem Versprechen gemäß, an Es bedürfte einer großen Anzahl von Proben, bis man dahin ge¬ ersten Werks zu Wählen, und schrieb seinem Versprechen gemäß, an Es bedürfte einer großen Anzahl von Proben, bis man dahin ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267484"/> <p xml:id="ID_1083" prev="#ID_1082"> ersten Werks zu Wählen, und schrieb seinem Versprechen gemäß, an<lb/> den Direktor der Oper einen Brief, worin folgende Stelle bemerkens¬<lb/> wert!) ist. „Herr Gluck, durch seine eigenen Erfahrungen überzeugt,<lb/> glaubt die Bemerkung gemacht zu haben, daß die italienische Sprache<lb/> durch die Wiederholung der Vocale sich mehr zu den: eignet, was die<lb/> Italiener Passagen nennen; ,daß ihr dagegen die Klarheit und Ener¬<lb/> gie der französischen Sprache abgebe; daß der Vorzug, den man bisher<lb/> der ersteren gegeben, der wahren dramatischen Musik eben deßhalb sogar<lb/> nachtheilig gewesen sei, weil in diesen: Genre jede Passage unpassend<lb/> ist, oder doch wenigstens den Ausdruck schwächt. Nach diesen Beobach¬<lb/> tungen, ist Herr Gluck gegen die Angaben derjenigen unsrer berühmten<lb/> Schriftsteller aufgebracht, welche es gewagt haben, die ftanzösi'sche Sprache<lb/> zu verläumden, indem sie behaupteten, sie sei nicht geeignet für großar¬<lb/> tige musikalische Compositionen." Dieser Brief und ein andrer, den<lb/> Gluck an den Redakteur des Französischen Mercur schrieb, und wo¬<lb/> rin er in größere Details über das neue System einging, das er in<lb/> Thätigkeit setzen wolle, gaben daS Signal zu der berühmten Polemik,<lb/> wovon in diesem Aufsatze die Rede sein wird. Die Administration der<lb/> Oper beeilte sich natürlich nicht, einen Coupon'sten zuzulassen, der so<lb/> offen und fest die Absicht kund gegeben hatte, in der musikalischen Ein¬<lb/> richtung dieses Instituts Nadical-Reformen vorzunehmen. Man war<lb/> genöthigt zu Marie Antoinette, damals Kronprinzessin, die zu Wien<lb/> eine Schülerin GluLs gewesen, seine Zuflucht zu nehmen, um den Be¬<lb/> fehl zur Aufführung von Gluck's ,/Iphigenia in Antis" zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1084"> Es bedürfte einer großen Anzahl von Proben, bis man dahin ge¬<lb/> langte, das Werk so aufzuführen, wie es der Verfasser aufgeführt ha¬<lb/> ben wollte. Alle Gewohnheiten der Sänger, wie der Musiker im Or¬<lb/> chester wurden durch ^die Neuheit dieser einfachen und pathetischen Mu¬<lb/> sik über den Haufen geworfen, und es kostete unendliche Mühe bis man<lb/> es auch nur dahin brachte, sie erträglich zu spielen. Ein Journalist<lb/> jener Zeit kündigte die erste Aufführung buser Oper in folgenden Aus¬<lb/> drücken an:, ,/Nie hat sich das Publikum ungeduldiger auf ein neues<lb/> Stück gezeigt; die Proben der Iphigenie waren zahlreich besucht und<lb/> man verfolgte sie mit außerordentlichem Eifer. Die Liebhaber sind schon<lb/> getheilter Meinung, und die vorzeitige Wärme der Parteien könnte fast<lb/> ein Vorzeichen sein für die, Erneuerung der kleinen musikalischen Fehde,<lb/> welche die italienischen Bouffon's im Jahre 1761 erregt haben."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
ersten Werks zu Wählen, und schrieb seinem Versprechen gemäß, an
den Direktor der Oper einen Brief, worin folgende Stelle bemerkens¬
wert!) ist. „Herr Gluck, durch seine eigenen Erfahrungen überzeugt,
glaubt die Bemerkung gemacht zu haben, daß die italienische Sprache
durch die Wiederholung der Vocale sich mehr zu den: eignet, was die
Italiener Passagen nennen; ,daß ihr dagegen die Klarheit und Ener¬
gie der französischen Sprache abgebe; daß der Vorzug, den man bisher
der ersteren gegeben, der wahren dramatischen Musik eben deßhalb sogar
nachtheilig gewesen sei, weil in diesen: Genre jede Passage unpassend
ist, oder doch wenigstens den Ausdruck schwächt. Nach diesen Beobach¬
tungen, ist Herr Gluck gegen die Angaben derjenigen unsrer berühmten
Schriftsteller aufgebracht, welche es gewagt haben, die ftanzösi'sche Sprache
zu verläumden, indem sie behaupteten, sie sei nicht geeignet für großar¬
tige musikalische Compositionen." Dieser Brief und ein andrer, den
Gluck an den Redakteur des Französischen Mercur schrieb, und wo¬
rin er in größere Details über das neue System einging, das er in
Thätigkeit setzen wolle, gaben daS Signal zu der berühmten Polemik,
wovon in diesem Aufsatze die Rede sein wird. Die Administration der
Oper beeilte sich natürlich nicht, einen Coupon'sten zuzulassen, der so
offen und fest die Absicht kund gegeben hatte, in der musikalischen Ein¬
richtung dieses Instituts Nadical-Reformen vorzunehmen. Man war
genöthigt zu Marie Antoinette, damals Kronprinzessin, die zu Wien
eine Schülerin GluLs gewesen, seine Zuflucht zu nehmen, um den Be¬
fehl zur Aufführung von Gluck's ,/Iphigenia in Antis" zu erhalten.
Es bedürfte einer großen Anzahl von Proben, bis man dahin ge¬
langte, das Werk so aufzuführen, wie es der Verfasser aufgeführt ha¬
ben wollte. Alle Gewohnheiten der Sänger, wie der Musiker im Or¬
chester wurden durch ^die Neuheit dieser einfachen und pathetischen Mu¬
sik über den Haufen geworfen, und es kostete unendliche Mühe bis man
es auch nur dahin brachte, sie erträglich zu spielen. Ein Journalist
jener Zeit kündigte die erste Aufführung buser Oper in folgenden Aus¬
drücken an:, ,/Nie hat sich das Publikum ungeduldiger auf ein neues
Stück gezeigt; die Proben der Iphigenie waren zahlreich besucht und
man verfolgte sie mit außerordentlichem Eifer. Die Liebhaber sind schon
getheilter Meinung, und die vorzeitige Wärme der Parteien könnte fast
ein Vorzeichen sein für die, Erneuerung der kleinen musikalischen Fehde,
welche die italienischen Bouffon's im Jahre 1761 erregt haben."
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