Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

rend der Charwoche in der sirtinischen Kapelle, und der Eindruck, den
es hervorbringt, ist unbeschreiblich. Nach diesen beiden Compositionen
kam das berühmte Stabat von Pergolese, das im Jahre 1736 geschrien
ben ward, und während der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts
in ganz Europa einen unerhörten Beifall erhielt. Obgleich man mit
Recht daran getadelt hat, daß sich in einigen Strophen gewisse Phra¬
sen finden, die in einem für den Gegenstand unpassenden, heiteren Style
geschrieben sind, so kann man doch nicht läugnen, daß im Allgemeinen
dieses Stück durch einen rührenden Ausdruck und durch die Einfachheit
seiner Mittel seinen Nuhm verdient. Es ist ^für Sopran und Contrc-
alt geschrieben, mit Begleitung von 2 Violinen, Alto-Viola, Baß und
Orgel. Ein viertes Stabat hat Haydn geschrieben für vier Stimmen,
Chöre und Orchester. , Obgleich dieses Werk nicht so berühmt geworden
ist, als das von Pergolese, so schätzen es die Künstler doch als ein
Meisterwerk höherer Art. Das Rossini'sche Stabat endlich ist das fünfte,
das durch den Namen seines Verfassers und sein wirkliches Verdienst
die öffentliche Aufmerksamkeit gefesselt hat. Gleich dem Haydn'schen ist
auch dieses Stabat für vier Stimmen, Chor und Orchester geschrieben.
Wie Pergolese hat auch Rossini den ganzen ersten Theil seiner Compo-
sition der ersten Hälfte der ersten Strophe gewidmet, welche lautet:

8t-et-et niatü? clulnroz-l, ' ' 's stand die Mutter, schmerzenrcich
.snxt-t "rucem, Zxc-^'MVZ!", An dem Kreuz, und thränenbleich:
Dum xcn-leb-it jiüus. ' Daran hing ihr Sohn.

Rossini hat.aber diese Worte weit mehr entwickelt. Es ist dieß
einer der Theile seines Werkes, in denen der religiöse Charakter am
Meisten sich zeigt. Wie Pergolese hat ferner auch Rossini aus der
zweiten Hälfte dieser ersten Strophe Onzus imimam ^emontem eine
Arie gemacht; dagegen hat er die beiden folgenden Strophen zusammen¬
genommen. Diese Tenor-Arie aber hat unglücklicherweise in einem hö¬
heren Grade als das erste Stück den dramatischen Charakter behalten,
so wie es auch noch in seinen andern Theilen des Stabat Rossini nicht
gelungen ist, diese alte Gewohnheit abzulegen; besonders ist das Ende
dieser Arie eine wahre. Ohrenreiterei. Jedoch muß man eingestehen, daß
der Hauptsatz dieser Arie eine erhabene Melodie hat. In allen andern
Theilen seines Werkes hat Rossini eine ganz andre Anordnung getrof¬
fen als Pergolese. Die dritte Nummer ist ein Duett sür Sopran und
"Contrealt über die Strophe: Anis Joao. Der Styl deS letz-


rend der Charwoche in der sirtinischen Kapelle, und der Eindruck, den
es hervorbringt, ist unbeschreiblich. Nach diesen beiden Compositionen
kam das berühmte Stabat von Pergolese, das im Jahre 1736 geschrien
ben ward, und während der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts
in ganz Europa einen unerhörten Beifall erhielt. Obgleich man mit
Recht daran getadelt hat, daß sich in einigen Strophen gewisse Phra¬
sen finden, die in einem für den Gegenstand unpassenden, heiteren Style
geschrieben sind, so kann man doch nicht läugnen, daß im Allgemeinen
dieses Stück durch einen rührenden Ausdruck und durch die Einfachheit
seiner Mittel seinen Nuhm verdient. Es ist ^für Sopran und Contrc-
alt geschrieben, mit Begleitung von 2 Violinen, Alto-Viola, Baß und
Orgel. Ein viertes Stabat hat Haydn geschrieben für vier Stimmen,
Chöre und Orchester. , Obgleich dieses Werk nicht so berühmt geworden
ist, als das von Pergolese, so schätzen es die Künstler doch als ein
Meisterwerk höherer Art. Das Rossini'sche Stabat endlich ist das fünfte,
das durch den Namen seines Verfassers und sein wirkliches Verdienst
die öffentliche Aufmerksamkeit gefesselt hat. Gleich dem Haydn'schen ist
auch dieses Stabat für vier Stimmen, Chor und Orchester geschrieben.
Wie Pergolese hat auch Rossini den ganzen ersten Theil seiner Compo-
sition der ersten Hälfte der ersten Strophe gewidmet, welche lautet:

8t-et-et niatü? clulnroz-l, ' ' 's stand die Mutter, schmerzenrcich
.snxt-t «rucem, Zxc-^'MVZ!», An dem Kreuz, und thränenbleich:
Dum xcn-leb-it jiüus. ' Daran hing ihr Sohn.

Rossini hat.aber diese Worte weit mehr entwickelt. Es ist dieß
einer der Theile seines Werkes, in denen der religiöse Charakter am
Meisten sich zeigt. Wie Pergolese hat ferner auch Rossini aus der
zweiten Hälfte dieser ersten Strophe Onzus imimam ^emontem eine
Arie gemacht; dagegen hat er die beiden folgenden Strophen zusammen¬
genommen. Diese Tenor-Arie aber hat unglücklicherweise in einem hö¬
heren Grade als das erste Stück den dramatischen Charakter behalten,
so wie es auch noch in seinen andern Theilen des Stabat Rossini nicht
gelungen ist, diese alte Gewohnheit abzulegen; besonders ist das Ende
dieser Arie eine wahre. Ohrenreiterei. Jedoch muß man eingestehen, daß
der Hauptsatz dieser Arie eine erhabene Melodie hat. In allen andern
Theilen seines Werkes hat Rossini eine ganz andre Anordnung getrof¬
fen als Pergolese. Die dritte Nummer ist ein Duett sür Sopran und
"Contrealt über die Strophe: Anis Joao. Der Styl deS letz-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267473"/>
            <p xml:id="ID_1061" prev="#ID_1060"> rend der Charwoche in der sirtinischen Kapelle, und der Eindruck, den<lb/>
es hervorbringt, ist unbeschreiblich. Nach diesen beiden Compositionen<lb/>
kam das berühmte Stabat von Pergolese, das im Jahre 1736 geschrien<lb/>
ben ward, und während der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts<lb/>
in ganz Europa einen unerhörten Beifall erhielt. Obgleich man mit<lb/>
Recht daran getadelt hat, daß sich in einigen Strophen gewisse Phra¬<lb/>
sen finden, die in einem für den Gegenstand unpassenden, heiteren Style<lb/>
geschrieben sind, so kann man doch nicht läugnen, daß im Allgemeinen<lb/>
dieses Stück durch einen rührenden Ausdruck und durch die Einfachheit<lb/>
seiner Mittel seinen Nuhm verdient. Es ist ^für Sopran und Contrc-<lb/>
alt geschrieben, mit Begleitung von 2 Violinen, Alto-Viola, Baß und<lb/>
Orgel. Ein viertes Stabat hat Haydn geschrieben für vier Stimmen,<lb/>
Chöre und Orchester. , Obgleich dieses Werk nicht so berühmt geworden<lb/>
ist, als das von Pergolese, so schätzen es die Künstler doch als ein<lb/>
Meisterwerk höherer Art. Das Rossini'sche Stabat endlich ist das fünfte,<lb/>
das durch den Namen seines Verfassers und sein wirkliches Verdienst<lb/>
die öffentliche Aufmerksamkeit gefesselt hat. Gleich dem Haydn'schen ist<lb/>
auch dieses Stabat für vier Stimmen, Chor und Orchester geschrieben.<lb/>
Wie Pergolese hat auch Rossini den ganzen ersten Theil seiner Compo-<lb/>
sition der ersten Hälfte der ersten Strophe gewidmet, welche lautet:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_3" type="poem">
              <l> 8t-et-et niatü? clulnroz-l, ' ' 's stand die Mutter, schmerzenrcich<lb/>
.snxt-t «rucem, Zxc-^'MVZ!», An dem Kreuz, und thränenbleich:<lb/>
Dum xcn-leb-it jiüus. ' Daran hing ihr Sohn.</l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Rossini hat.aber diese Worte weit mehr entwickelt. Es ist dieß<lb/>
einer der Theile seines Werkes, in denen der religiöse Charakter am<lb/>
Meisten sich zeigt. Wie Pergolese hat ferner auch Rossini aus der<lb/>
zweiten Hälfte dieser ersten Strophe Onzus imimam ^emontem eine<lb/>
Arie gemacht; dagegen hat er die beiden folgenden Strophen zusammen¬<lb/>
genommen. Diese Tenor-Arie aber hat unglücklicherweise in einem hö¬<lb/>
heren Grade als das erste Stück den dramatischen Charakter behalten,<lb/>
so wie es auch noch in seinen andern Theilen des Stabat Rossini nicht<lb/>
gelungen ist, diese alte Gewohnheit abzulegen; besonders ist das Ende<lb/>
dieser Arie eine wahre. Ohrenreiterei. Jedoch muß man eingestehen, daß<lb/>
der Hauptsatz dieser Arie eine erhabene Melodie hat. In allen andern<lb/>
Theilen seines Werkes hat Rossini eine ganz andre Anordnung getrof¬<lb/>
fen als Pergolese. Die dritte Nummer ist ein Duett sür Sopran und<lb/>
"Contrealt über die Strophe: Anis   Joao.  Der Styl deS letz-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0259] rend der Charwoche in der sirtinischen Kapelle, und der Eindruck, den es hervorbringt, ist unbeschreiblich. Nach diesen beiden Compositionen kam das berühmte Stabat von Pergolese, das im Jahre 1736 geschrien ben ward, und während der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts in ganz Europa einen unerhörten Beifall erhielt. Obgleich man mit Recht daran getadelt hat, daß sich in einigen Strophen gewisse Phra¬ sen finden, die in einem für den Gegenstand unpassenden, heiteren Style geschrieben sind, so kann man doch nicht läugnen, daß im Allgemeinen dieses Stück durch einen rührenden Ausdruck und durch die Einfachheit seiner Mittel seinen Nuhm verdient. Es ist ^für Sopran und Contrc- alt geschrieben, mit Begleitung von 2 Violinen, Alto-Viola, Baß und Orgel. Ein viertes Stabat hat Haydn geschrieben für vier Stimmen, Chöre und Orchester. , Obgleich dieses Werk nicht so berühmt geworden ist, als das von Pergolese, so schätzen es die Künstler doch als ein Meisterwerk höherer Art. Das Rossini'sche Stabat endlich ist das fünfte, das durch den Namen seines Verfassers und sein wirkliches Verdienst die öffentliche Aufmerksamkeit gefesselt hat. Gleich dem Haydn'schen ist auch dieses Stabat für vier Stimmen, Chor und Orchester geschrieben. Wie Pergolese hat auch Rossini den ganzen ersten Theil seiner Compo- sition der ersten Hälfte der ersten Strophe gewidmet, welche lautet: 8t-et-et niatü? clulnroz-l, ' ' 's stand die Mutter, schmerzenrcich .snxt-t «rucem, Zxc-^'MVZ!», An dem Kreuz, und thränenbleich: Dum xcn-leb-it jiüus. ' Daran hing ihr Sohn. Rossini hat.aber diese Worte weit mehr entwickelt. Es ist dieß einer der Theile seines Werkes, in denen der religiöse Charakter am Meisten sich zeigt. Wie Pergolese hat ferner auch Rossini aus der zweiten Hälfte dieser ersten Strophe Onzus imimam ^emontem eine Arie gemacht; dagegen hat er die beiden folgenden Strophen zusammen¬ genommen. Diese Tenor-Arie aber hat unglücklicherweise in einem hö¬ heren Grade als das erste Stück den dramatischen Charakter behalten, so wie es auch noch in seinen andern Theilen des Stabat Rossini nicht gelungen ist, diese alte Gewohnheit abzulegen; besonders ist das Ende dieser Arie eine wahre. Ohrenreiterei. Jedoch muß man eingestehen, daß der Hauptsatz dieser Arie eine erhabene Melodie hat. In allen andern Theilen seines Werkes hat Rossini eine ganz andre Anordnung getrof¬ fen als Pergolese. Die dritte Nummer ist ein Duett sür Sopran und "Contrealt über die Strophe: Anis Joao. Der Styl deS letz-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/259
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/259>, abgerufen am 22.12.2024.