Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.die Form weit, weit hinter den Anforderungen an den Geist zurück, der . Die Bestrebungen diese Frage zulösett/bilden das Element der sogenann¬ die Form weit, weit hinter den Anforderungen an den Geist zurück, der . Die Bestrebungen diese Frage zulösett/bilden das Element der sogenann¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267240"/> <p xml:id="ID_65" prev="#ID_64"> die Form weit, weit hinter den Anforderungen an den Geist zurück, der<lb/> Gedanke des Autors Hat somit ein freies Recht sich zu entwickeln; der fran¬<lb/> zösische Leser stellt die Ansprüche an die Form des Gesagten, fast eben so<lb/> hoch als an das Gesagte selbst. Nicht jeder Denker ist aber zugleich Rede^<lb/> künstler, so wie nicht jeder große Maler zu gleicher Zeit Colorist sein kann.<lb/> Auf diese Weise gehet mancher große Geist spurlos an der Nation vorüber.<lb/> Denn der französische Leser verlangt, daß der Autor von, seiner Höhe<lb/> zu ihm herabsteige, die Sprache ist für ihn ein Gesetz, welches Allen<lb/> Gleichheit verleiht, und er wacht über diese Gleichheit mit so strengrich¬<lb/> tenden Ohren, daß der leiseste Akt von Absolutismus, den sich der Schrift¬<lb/> steller erlaubt, ihn stürzen kann. Bei den Deutschen umgekehrt, regiert der<lb/> Autor den Leser, er verlangt daß der Leser, sich die Mühe nehme, zu<lb/> hin hinauf zu klimmen, um ihn zu begreifen. Er betrachtet den poe¬<lb/> tischen Geist, der ihn beseelt, als von «Gottes Gnaden//ihm gegeben, und<lb/> erkennt die Gleichheit der Sprache nicht an, er unterwirst sich nicht, blind¬<lb/> lings ihren Gesetzen, sondern ändert sie, wo. es ihm nöthig scheint. Beides<lb/> hat eben so große Nachtheile als Vortheile und in beiden, Literaturen<lb/> ist das Bestreben sichtbar, diese auszugleichen. Die große Frage, welche in<lb/> unserer Zeit manches Land bewegt, die Frage: wie schasst man ein<lb/> starkes Gouvernement, ohne den Rechten des Volkes nahe zu<lb/> treten, ist keineswegs bloß eine politische Frage, es ist auch eme<lb/> liierarische. In .Frankreich und ,in Deutschland fragt die Lite¬<lb/> ratur: Wie'.verschafft und erhält, man dem Autor das<lb/> Recht, seine höhere Individualität,. seine bessere. An ficht<lb/> geltend.z.u machen, ohne dabei die Leser, .zu dr.unter, ohne<lb/> dabei die Gesetzeder Sprache und.der Nätionalansp.ruche zu<lb/> verletzen? ... . ..' > , V. - -</p><lb/> <p xml:id="ID_66"> . Die Bestrebungen diese Frage zulösett/bilden das Element der sogenann¬<lb/> ten modernen Literatur, und diese Bewegungen zu schildern, .nur wie weit<lb/> sie unsere Literatur vorwärts gebracht oder rückwärts geworfen, sei der<lb/> Inhalt meiner nächsten Vorlesungen. . .> . , '</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
die Form weit, weit hinter den Anforderungen an den Geist zurück, der
Gedanke des Autors Hat somit ein freies Recht sich zu entwickeln; der fran¬
zösische Leser stellt die Ansprüche an die Form des Gesagten, fast eben so
hoch als an das Gesagte selbst. Nicht jeder Denker ist aber zugleich Rede^
künstler, so wie nicht jeder große Maler zu gleicher Zeit Colorist sein kann.
Auf diese Weise gehet mancher große Geist spurlos an der Nation vorüber.
Denn der französische Leser verlangt, daß der Autor von, seiner Höhe
zu ihm herabsteige, die Sprache ist für ihn ein Gesetz, welches Allen
Gleichheit verleiht, und er wacht über diese Gleichheit mit so strengrich¬
tenden Ohren, daß der leiseste Akt von Absolutismus, den sich der Schrift¬
steller erlaubt, ihn stürzen kann. Bei den Deutschen umgekehrt, regiert der
Autor den Leser, er verlangt daß der Leser, sich die Mühe nehme, zu
hin hinauf zu klimmen, um ihn zu begreifen. Er betrachtet den poe¬
tischen Geist, der ihn beseelt, als von «Gottes Gnaden//ihm gegeben, und
erkennt die Gleichheit der Sprache nicht an, er unterwirst sich nicht, blind¬
lings ihren Gesetzen, sondern ändert sie, wo. es ihm nöthig scheint. Beides
hat eben so große Nachtheile als Vortheile und in beiden, Literaturen
ist das Bestreben sichtbar, diese auszugleichen. Die große Frage, welche in
unserer Zeit manches Land bewegt, die Frage: wie schasst man ein
starkes Gouvernement, ohne den Rechten des Volkes nahe zu
treten, ist keineswegs bloß eine politische Frage, es ist auch eme
liierarische. In .Frankreich und ,in Deutschland fragt die Lite¬
ratur: Wie'.verschafft und erhält, man dem Autor das
Recht, seine höhere Individualität,. seine bessere. An ficht
geltend.z.u machen, ohne dabei die Leser, .zu dr.unter, ohne
dabei die Gesetzeder Sprache und.der Nätionalansp.ruche zu
verletzen? ... . ..' > , V. - -
. Die Bestrebungen diese Frage zulösett/bilden das Element der sogenann¬
ten modernen Literatur, und diese Bewegungen zu schildern, .nur wie weit
sie unsere Literatur vorwärts gebracht oder rückwärts geworfen, sei der
Inhalt meiner nächsten Vorlesungen. . .> . , '
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