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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Frankreich aufzubringen .trachteten; Freilich könnte und dürste dies
für keinen geringeren Preis geschehen, als daß Frankreich cin-
ftir allemal seinen jacobinischen und buonapartistischen Ideen ent¬
sagte, und im Angesichte Europen's die Erklärung gäbe, daß
es keine Eroberung mehr im Sinne habe, daß es den Frieden, die Un¬
abhängigkeit und Eintracht aller Völker ohne Ausnahme wolle; daß eS
diese Grundsätze durch die tausend Stimmen der Tribüne und der Presse
zur Besprechung und Bed.'rzigung brächte; vor Allem, daß es sich dahin
auSspräche, daß das größte Interesse Europa's darin bestehe, die beiden
Mächte, welche am gefährlichsten die Politik des Uebcrgreifenö und der
Vergrößerung verfolgen, England und Rußland, nicht sowohl zu erdrücken,
als vielmehr sie beständig gegen einander in Schach zuhalten; daß Frank¬
reich sich unmittelbar an das germanische Volksgefühl, um den National-
geist und das philosophische Bewußtsein dieses alten, edlen Landes wende,
mit welchem Frankreich, schon durch den Namen und die Abkunft, nicht
minder aber durch gegenseitige Achtung verbunden ist, mit dem es Svm-
pathiccn unterhält, welche die Literatur beider Länder, welche der Aus-,
danses erhabener und mächtiger Gedanken, ja der Rückblick selbst auf ver¬
gangene Kämpfe, von Tage zu Tage lebendiger und inniger machen.,
Wenn Deutschland, sowie Belgien) den ausschweifenden Bestrebungen Frank¬
reichs entgegen ist, wenn es den Leichtsinn und die Vermessenheit seiner
französischen Nachbaren verabscheut, so stimmt eS doch aufs Tiefste mit
allein Edlen, Menschlichen, socialen und dem. Streben nach Fortschritt
überein, wovon die Geschichte Frankreichs so viele Beispiele auszuweisen
hat. Möchten doch endlich die wahren Vaterlandsfreunde, die wahren
Philosophen, die rechten Christen und die echten Staatsmänner die alten
Aorurtheile aufgeben, möchten sie die Einigkeit französisch-deutscher Staa¬
ten lehren und dahin wirren, daß sie in's Leben trete/

Und in der That, welche unter den vier großen europäischen Na¬
tionen wären wohl, durch ihren eigenthümlichen Geist, durch den gesell¬
schaftlichen Charakter der Landesbewohner, mehr bestimmt und geneigt,
eine freimüthige, thätige und enge Freundschaft zu schließen, wenn es
nicht die deutsche und die französische sind? Was anders, als die Ueber¬
einstimmung im Denken und Fühlen kann die großen Völkerverbrüderun¬
gen begründen und erhalten ? Und wo, zwischen Rußland, dem germa¬
nischen Reichssystem, Frankreich und, England, findet ein wahrhafter
Austausch von Ideen, von geistigen und politischen Anregungen statt?
Offenbar sind es Frankreich und Deutschland, die in einem solchen Wend-


Frankreich aufzubringen .trachteten; Freilich könnte und dürste dies
für keinen geringeren Preis geschehen, als daß Frankreich cin-
ftir allemal seinen jacobinischen und buonapartistischen Ideen ent¬
sagte, und im Angesichte Europen's die Erklärung gäbe, daß
es keine Eroberung mehr im Sinne habe, daß es den Frieden, die Un¬
abhängigkeit und Eintracht aller Völker ohne Ausnahme wolle; daß eS
diese Grundsätze durch die tausend Stimmen der Tribüne und der Presse
zur Besprechung und Bed.'rzigung brächte; vor Allem, daß es sich dahin
auSspräche, daß das größte Interesse Europa's darin bestehe, die beiden
Mächte, welche am gefährlichsten die Politik des Uebcrgreifenö und der
Vergrößerung verfolgen, England und Rußland, nicht sowohl zu erdrücken,
als vielmehr sie beständig gegen einander in Schach zuhalten; daß Frank¬
reich sich unmittelbar an das germanische Volksgefühl, um den National-
geist und das philosophische Bewußtsein dieses alten, edlen Landes wende,
mit welchem Frankreich, schon durch den Namen und die Abkunft, nicht
minder aber durch gegenseitige Achtung verbunden ist, mit dem es Svm-
pathiccn unterhält, welche die Literatur beider Länder, welche der Aus-,
danses erhabener und mächtiger Gedanken, ja der Rückblick selbst auf ver¬
gangene Kämpfe, von Tage zu Tage lebendiger und inniger machen.,
Wenn Deutschland, sowie Belgien) den ausschweifenden Bestrebungen Frank¬
reichs entgegen ist, wenn es den Leichtsinn und die Vermessenheit seiner
französischen Nachbaren verabscheut, so stimmt eS doch aufs Tiefste mit
allein Edlen, Menschlichen, socialen und dem. Streben nach Fortschritt
überein, wovon die Geschichte Frankreichs so viele Beispiele auszuweisen
hat. Möchten doch endlich die wahren Vaterlandsfreunde, die wahren
Philosophen, die rechten Christen und die echten Staatsmänner die alten
Aorurtheile aufgeben, möchten sie die Einigkeit französisch-deutscher Staa¬
ten lehren und dahin wirren, daß sie in's Leben trete/

Und in der That, welche unter den vier großen europäischen Na¬
tionen wären wohl, durch ihren eigenthümlichen Geist, durch den gesell¬
schaftlichen Charakter der Landesbewohner, mehr bestimmt und geneigt,
eine freimüthige, thätige und enge Freundschaft zu schließen, wenn es
nicht die deutsche und die französische sind? Was anders, als die Ueber¬
einstimmung im Denken und Fühlen kann die großen Völkerverbrüderun¬
gen begründen und erhalten ? Und wo, zwischen Rußland, dem germa¬
nischen Reichssystem, Frankreich und, England, findet ein wahrhafter
Austausch von Ideen, von geistigen und politischen Anregungen statt?
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[0216] Frankreich aufzubringen .trachteten; Freilich könnte und dürste dies für keinen geringeren Preis geschehen, als daß Frankreich cin- ftir allemal seinen jacobinischen und buonapartistischen Ideen ent¬ sagte, und im Angesichte Europen's die Erklärung gäbe, daß es keine Eroberung mehr im Sinne habe, daß es den Frieden, die Un¬ abhängigkeit und Eintracht aller Völker ohne Ausnahme wolle; daß eS diese Grundsätze durch die tausend Stimmen der Tribüne und der Presse zur Besprechung und Bed.'rzigung brächte; vor Allem, daß es sich dahin auSspräche, daß das größte Interesse Europa's darin bestehe, die beiden Mächte, welche am gefährlichsten die Politik des Uebcrgreifenö und der Vergrößerung verfolgen, England und Rußland, nicht sowohl zu erdrücken, als vielmehr sie beständig gegen einander in Schach zuhalten; daß Frank¬ reich sich unmittelbar an das germanische Volksgefühl, um den National- geist und das philosophische Bewußtsein dieses alten, edlen Landes wende, mit welchem Frankreich, schon durch den Namen und die Abkunft, nicht minder aber durch gegenseitige Achtung verbunden ist, mit dem es Svm- pathiccn unterhält, welche die Literatur beider Länder, welche der Aus-, danses erhabener und mächtiger Gedanken, ja der Rückblick selbst auf ver¬ gangene Kämpfe, von Tage zu Tage lebendiger und inniger machen., Wenn Deutschland, sowie Belgien) den ausschweifenden Bestrebungen Frank¬ reichs entgegen ist, wenn es den Leichtsinn und die Vermessenheit seiner französischen Nachbaren verabscheut, so stimmt eS doch aufs Tiefste mit allein Edlen, Menschlichen, socialen und dem. Streben nach Fortschritt überein, wovon die Geschichte Frankreichs so viele Beispiele auszuweisen hat. Möchten doch endlich die wahren Vaterlandsfreunde, die wahren Philosophen, die rechten Christen und die echten Staatsmänner die alten Aorurtheile aufgeben, möchten sie die Einigkeit französisch-deutscher Staa¬ ten lehren und dahin wirren, daß sie in's Leben trete/ Und in der That, welche unter den vier großen europäischen Na¬ tionen wären wohl, durch ihren eigenthümlichen Geist, durch den gesell¬ schaftlichen Charakter der Landesbewohner, mehr bestimmt und geneigt, eine freimüthige, thätige und enge Freundschaft zu schließen, wenn es nicht die deutsche und die französische sind? Was anders, als die Ueber¬ einstimmung im Denken und Fühlen kann die großen Völkerverbrüderun¬ gen begründen und erhalten ? Und wo, zwischen Rußland, dem germa¬ nischen Reichssystem, Frankreich und, England, findet ein wahrhafter Austausch von Ideen, von geistigen und politischen Anregungen statt? Offenbar sind es Frankreich und Deutschland, die in einem solchen Wend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/216>, abgerufen am 26.06.2024.