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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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unsern Lesern den Ausspruch eines der vorzüglichsten publizistischen Ta¬
lente Belgiens nicht entziehen mögen.




Ein vorurtheilsfreier Blick aus die allgemeinen Verhältnisse, der
Staaten untereinander wird uns leicht überzeugen, daß Frankreich
nur in Deutschland einen natürlichen und dauernden Verbündeten
haben kann. Die Wahrheit dieses Satzes stellt sich heraus, sowohl wenn
wir beide Staaten zu Nußland, als wenn wir sie zu England in Be¬
ziehung bringen.

Zwischen der deutschen Nation, -- ich rede hier von der Nation
selbst, und den Russen findet nicht die mindeste Sympathie statt,
weder in Hinsicht ausdem Charakter noch aus die gegenseitigen Interessen beider
Völker. Die Vorfälle von Kalisch haben dies zur Genüge bewiesen. Oesterreich
würde verloren sein, und Deutschland eine russische Provinz werden, von dem
Tage an, wo Europa Rußland's Lieblingsprojekt zur Wirklichkeit wer¬
den, wo es Constantinopel von - demselben in Besitz nehmen ließe. Diese-
Betrachtungen, und ähnliche, welche, sich von selbst daraus'ergeben, set¬
zen es außer Zwufel, daß ein enger Verband des mittleren und südli¬
chen/Europas, unter gemeinschaftlicher Hegemonie von Deutschland und
Frankreich, ebenso gebieterisch durch die deutschen wie durH..die.franzö¬
sischen Interessen gefordert wird., Diese Verbindung und das Ziel, wor¬
auf sie hinarbeiten würde, könnten nicht verfehlen, in den gesammten
deutschen Landen den lebhaftesten Anklang zu finden. Sollten auch die
Cabinete, voll Bedenken über die Tendenzen des französischen Staates,
noch eine Zeitlang zögern und widerstreben, so würden sie doch bald
einsehen, daß sie nur den Geist eigner besonnener Politik, nach Ma߬
gabe des eingegangenen Bündnisses, desto kräftiger geltend zu macheu
brauchen, um Befürchtungen zu beseitigen, welche einer halb in Vergessen¬
heit gerathenden Vergangenheit entstammen. Die Völker sind sich nicht
feindlich; und wo sie es noch sind, da walten Mißverständnisse ob, die-
verschwinden werden, sobald die gewichtigen Fragen der Staaten und
der Menschheit an's Licht gezogen werden, unverdunkelt von den Irrun¬
gen des Tages, von dem eitlen Begehren gleich Sternschnuppen vorüber¬
fahrender Ministerien. Vielleicht könnte es alsdann geschehen, daß das
Gefühl der Völker, das wieder erwachende Bewußtsein ursprünglicher
Verwandtschaft, der Diplomatie ihre Bahn anwiese, wie noch im.Jahr
'k330 die Fürsien ihrerseits die Völker trotz ihres Widerstrebend gegen


unsern Lesern den Ausspruch eines der vorzüglichsten publizistischen Ta¬
lente Belgiens nicht entziehen mögen.




Ein vorurtheilsfreier Blick aus die allgemeinen Verhältnisse, der
Staaten untereinander wird uns leicht überzeugen, daß Frankreich
nur in Deutschland einen natürlichen und dauernden Verbündeten
haben kann. Die Wahrheit dieses Satzes stellt sich heraus, sowohl wenn
wir beide Staaten zu Nußland, als wenn wir sie zu England in Be¬
ziehung bringen.

Zwischen der deutschen Nation, — ich rede hier von der Nation
selbst, und den Russen findet nicht die mindeste Sympathie statt,
weder in Hinsicht ausdem Charakter noch aus die gegenseitigen Interessen beider
Völker. Die Vorfälle von Kalisch haben dies zur Genüge bewiesen. Oesterreich
würde verloren sein, und Deutschland eine russische Provinz werden, von dem
Tage an, wo Europa Rußland's Lieblingsprojekt zur Wirklichkeit wer¬
den, wo es Constantinopel von - demselben in Besitz nehmen ließe. Diese-
Betrachtungen, und ähnliche, welche, sich von selbst daraus'ergeben, set¬
zen es außer Zwufel, daß ein enger Verband des mittleren und südli¬
chen/Europas, unter gemeinschaftlicher Hegemonie von Deutschland und
Frankreich, ebenso gebieterisch durch die deutschen wie durH..die.franzö¬
sischen Interessen gefordert wird., Diese Verbindung und das Ziel, wor¬
auf sie hinarbeiten würde, könnten nicht verfehlen, in den gesammten
deutschen Landen den lebhaftesten Anklang zu finden. Sollten auch die
Cabinete, voll Bedenken über die Tendenzen des französischen Staates,
noch eine Zeitlang zögern und widerstreben, so würden sie doch bald
einsehen, daß sie nur den Geist eigner besonnener Politik, nach Ma߬
gabe des eingegangenen Bündnisses, desto kräftiger geltend zu macheu
brauchen, um Befürchtungen zu beseitigen, welche einer halb in Vergessen¬
heit gerathenden Vergangenheit entstammen. Die Völker sind sich nicht
feindlich; und wo sie es noch sind, da walten Mißverständnisse ob, die-
verschwinden werden, sobald die gewichtigen Fragen der Staaten und
der Menschheit an's Licht gezogen werden, unverdunkelt von den Irrun¬
gen des Tages, von dem eitlen Begehren gleich Sternschnuppen vorüber¬
fahrender Ministerien. Vielleicht könnte es alsdann geschehen, daß das
Gefühl der Völker, das wieder erwachende Bewußtsein ursprünglicher
Verwandtschaft, der Diplomatie ihre Bahn anwiese, wie noch im.Jahr
'k330 die Fürsien ihrerseits die Völker trotz ihres Widerstrebend gegen


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[0215] unsern Lesern den Ausspruch eines der vorzüglichsten publizistischen Ta¬ lente Belgiens nicht entziehen mögen. Ein vorurtheilsfreier Blick aus die allgemeinen Verhältnisse, der Staaten untereinander wird uns leicht überzeugen, daß Frankreich nur in Deutschland einen natürlichen und dauernden Verbündeten haben kann. Die Wahrheit dieses Satzes stellt sich heraus, sowohl wenn wir beide Staaten zu Nußland, als wenn wir sie zu England in Be¬ ziehung bringen. Zwischen der deutschen Nation, — ich rede hier von der Nation selbst, und den Russen findet nicht die mindeste Sympathie statt, weder in Hinsicht ausdem Charakter noch aus die gegenseitigen Interessen beider Völker. Die Vorfälle von Kalisch haben dies zur Genüge bewiesen. Oesterreich würde verloren sein, und Deutschland eine russische Provinz werden, von dem Tage an, wo Europa Rußland's Lieblingsprojekt zur Wirklichkeit wer¬ den, wo es Constantinopel von - demselben in Besitz nehmen ließe. Diese- Betrachtungen, und ähnliche, welche, sich von selbst daraus'ergeben, set¬ zen es außer Zwufel, daß ein enger Verband des mittleren und südli¬ chen/Europas, unter gemeinschaftlicher Hegemonie von Deutschland und Frankreich, ebenso gebieterisch durch die deutschen wie durH..die.franzö¬ sischen Interessen gefordert wird., Diese Verbindung und das Ziel, wor¬ auf sie hinarbeiten würde, könnten nicht verfehlen, in den gesammten deutschen Landen den lebhaftesten Anklang zu finden. Sollten auch die Cabinete, voll Bedenken über die Tendenzen des französischen Staates, noch eine Zeitlang zögern und widerstreben, so würden sie doch bald einsehen, daß sie nur den Geist eigner besonnener Politik, nach Ma߬ gabe des eingegangenen Bündnisses, desto kräftiger geltend zu macheu brauchen, um Befürchtungen zu beseitigen, welche einer halb in Vergessen¬ heit gerathenden Vergangenheit entstammen. Die Völker sind sich nicht feindlich; und wo sie es noch sind, da walten Mißverständnisse ob, die- verschwinden werden, sobald die gewichtigen Fragen der Staaten und der Menschheit an's Licht gezogen werden, unverdunkelt von den Irrun¬ gen des Tages, von dem eitlen Begehren gleich Sternschnuppen vorüber¬ fahrender Ministerien. Vielleicht könnte es alsdann geschehen, daß das Gefühl der Völker, das wieder erwachende Bewußtsein ursprünglicher Verwandtschaft, der Diplomatie ihre Bahn anwiese, wie noch im.Jahr 'k330 die Fürsien ihrerseits die Völker trotz ihres Widerstrebend gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/215>, abgerufen am 29.06.2024.