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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Lachner und die Franzosen, ,

Unser wackerer Lachner^ der liebenswürdige Meister so schöner und zahlreicher
Melodien, ist schmählich angeführt. Wenn man seine Erklärung in der allgemeinen
Zeitung liest, so ist man fast gerührt. Ein deutscher Componist zahlt die für un¬
sere Verhälnisse enorme Summe von 2,000 Franken einem französischen Librcttistcn
für die Verfertigung eines Operntextes. Der Franzose steckt sie ein, fließt von eleganten
Redensarten über, deklamirt von seiner Begeisterung für die deutsche Kunst, und
verkauft, drei Wochen später, dasselbe Buch an einen französischen Componisten, an
Halev". Dieß ist die Geschichte der "Königin von Cypern," die Herr Lachner als
"Catharina Cornaro" umarmt hat, und wofür er Herrn von Se. Georges
ein Honorar bezahlte, welches er, wann feine Oper an zwei großen deutschen Opern
aufgeführt wird, noch immer nicht zurückhat, seine eigene Arbeit gar nicht gerechnet.
Und was lehrt diese Geschichte? Erstens die unverschämte Unkenntnis; der Fran¬
zosen von unseren Umständen. Hätte Herr von Se. Georges gedacht, daß man in
Deutschland Haler." eben so wohl kennt als in Paris, so hätte er vielleicht gezau¬
dert. Aber gewiß hat der Qpernbuchfabrikant gedacht, daß man dort unten in
Deutschland /,!K-b"s et->us c<- x.175 noi'it", ganz abgeschlossen ist von allen frem¬
den Erzeugnissen, und darin hat der gute Franzose uns mehr Ehre angethan, als
wir verdienen. Ja er hat gewissermassen das Amt deö Richters übernon men
und hat unsere deutsche Ehre an der Unbill, die Herr Lachner sich zu Schulden
kommen ließ, gerächt. Denn gestehen wir es nur: es ist ein gutes Stück Ehrenvcr-
letzung, wenn der deutsche Tondichter bei einem französischen Librcttistcn dritten
Rangs um einen Overntcrt betteln geht. Was mag Herr Se. Georges in seinen
Pariser Kreisen für spöttische Bemerkungen über unsere Literatur gemacht haben,
Wie die deutschen Poeten belacht und verhöhnt Haben, die nicht einmal geschickt


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Lachner und die Franzosen, ,

Unser wackerer Lachner^ der liebenswürdige Meister so schöner und zahlreicher
Melodien, ist schmählich angeführt. Wenn man seine Erklärung in der allgemeinen
Zeitung liest, so ist man fast gerührt. Ein deutscher Componist zahlt die für un¬
sere Verhälnisse enorme Summe von 2,000 Franken einem französischen Librcttistcn
für die Verfertigung eines Operntextes. Der Franzose steckt sie ein, fließt von eleganten
Redensarten über, deklamirt von seiner Begeisterung für die deutsche Kunst, und
verkauft, drei Wochen später, dasselbe Buch an einen französischen Componisten, an
Halev». Dieß ist die Geschichte der „Königin von Cypern," die Herr Lachner als
„Catharina Cornaro" umarmt hat, und wofür er Herrn von Se. Georges
ein Honorar bezahlte, welches er, wann feine Oper an zwei großen deutschen Opern
aufgeführt wird, noch immer nicht zurückhat, seine eigene Arbeit gar nicht gerechnet.
Und was lehrt diese Geschichte? Erstens die unverschämte Unkenntnis; der Fran¬
zosen von unseren Umständen. Hätte Herr von Se. Georges gedacht, daß man in
Deutschland Haler.» eben so wohl kennt als in Paris, so hätte er vielleicht gezau¬
dert. Aber gewiß hat der Qpernbuchfabrikant gedacht, daß man dort unten in
Deutschland /,!K-b»s et->us c<- x.175 noi'it", ganz abgeschlossen ist von allen frem¬
den Erzeugnissen, und darin hat der gute Franzose uns mehr Ehre angethan, als
wir verdienen. Ja er hat gewissermassen das Amt deö Richters übernon men
und hat unsere deutsche Ehre an der Unbill, die Herr Lachner sich zu Schulden
kommen ließ, gerächt. Denn gestehen wir es nur: es ist ein gutes Stück Ehrenvcr-
letzung, wenn der deutsche Tondichter bei einem französischen Librcttistcn dritten
Rangs um einen Overntcrt betteln geht. Was mag Herr Se. Georges in seinen
Pariser Kreisen für spöttische Bemerkungen über unsere Literatur gemacht haben,
Wie die deutschen Poeten belacht und verhöhnt Haben, die nicht einmal geschickt


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[0200] T a g e b u rh» Lachner und die Franzosen, , Unser wackerer Lachner^ der liebenswürdige Meister so schöner und zahlreicher Melodien, ist schmählich angeführt. Wenn man seine Erklärung in der allgemeinen Zeitung liest, so ist man fast gerührt. Ein deutscher Componist zahlt die für un¬ sere Verhälnisse enorme Summe von 2,000 Franken einem französischen Librcttistcn für die Verfertigung eines Operntextes. Der Franzose steckt sie ein, fließt von eleganten Redensarten über, deklamirt von seiner Begeisterung für die deutsche Kunst, und verkauft, drei Wochen später, dasselbe Buch an einen französischen Componisten, an Halev». Dieß ist die Geschichte der „Königin von Cypern," die Herr Lachner als „Catharina Cornaro" umarmt hat, und wofür er Herrn von Se. Georges ein Honorar bezahlte, welches er, wann feine Oper an zwei großen deutschen Opern aufgeführt wird, noch immer nicht zurückhat, seine eigene Arbeit gar nicht gerechnet. Und was lehrt diese Geschichte? Erstens die unverschämte Unkenntnis; der Fran¬ zosen von unseren Umständen. Hätte Herr von Se. Georges gedacht, daß man in Deutschland Haler.» eben so wohl kennt als in Paris, so hätte er vielleicht gezau¬ dert. Aber gewiß hat der Qpernbuchfabrikant gedacht, daß man dort unten in Deutschland /,!K-b»s et->us c<- x.175 noi'it", ganz abgeschlossen ist von allen frem¬ den Erzeugnissen, und darin hat der gute Franzose uns mehr Ehre angethan, als wir verdienen. Ja er hat gewissermassen das Amt deö Richters übernon men und hat unsere deutsche Ehre an der Unbill, die Herr Lachner sich zu Schulden kommen ließ, gerächt. Denn gestehen wir es nur: es ist ein gutes Stück Ehrenvcr- letzung, wenn der deutsche Tondichter bei einem französischen Librcttistcn dritten Rangs um einen Overntcrt betteln geht. Was mag Herr Se. Georges in seinen Pariser Kreisen für spöttische Bemerkungen über unsere Literatur gemacht haben, Wie die deutschen Poeten belacht und verhöhnt Haben, die nicht einmal geschickt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/200>, abgerufen am 30.06.2024.