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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Schauder ,'auf die-Gefahren-eiltest solchen-Abenteuers -hinblickte" --Nur
wenige Tage'^ vorher-war,'in einer der benachbarten-Minen eine Entzün¬
dung - ausgebrochen, wobei mehre Arbeiter-das Leben - verloren hatten;
ja 'erst am Tage vorher waren in einer ein Paar Stunden- von da/ge¬
legenen Grube 100 Personen durch einen plötzlichen Einbruch des-Was¬
sers in einen Schacht versunken. ' ,' ' . . . - .

' Noch war der Eindruck dieser tragischen Begebenheiten zu lebhaft
in mir. - Unwillkührlich, indem ich den finstern Abgrund , in den ich
hinabsteigen sollte,'betrachtete, fragte ich -mich selber mit einem Gefühl
der Beklemmung, ob es mir auch wohl beschicken - sein möchte, 5as Licht
des Tages,und' die,Oberfläche der Erde wiederzusehen.' Indessen eine
unwiderstehliche Lockung - zog mich nach-der Tiefe hin; ein lcidenschaftli-.
ches Verlangen ergriff mich, die Geheimnisse, welche in diesen, finstern
Räumen vergraben wären, zu erforschen.' Auch sah ich ja vor , mir, wie',
das Auf-,und Absteigen mit einer so unveränderlichen Pünktlichkeit vor'
sich ging; auf dem Gesichte des Maschinisten lag soviel Ruhe und Ernst,
daß ich mich vor mir selbst hätte schämen müssen, wenn die Furcht meiner
Herr geworden wäre; und so trat ich denn die Fahrt in der Tonne
an, mit einer Festigkeit und so kaltem Blut,, daß ich noch mehre Tage
nachher darüber,stolz war. ' - ','',- - . .......

^ Sobald ich -meinen Platz eingenommen hatte, ward dem Maschinen¬
meister ein Zeichen gegeben, und dieser, wiederum schien der Maschine zu
gebieten, sich in Gang zu setzen, was sie ungesäumt ausführte. DaS
Seil, an welchem,die leichte Last meines Lebens hing, glitt von den-
Rollen der Winde hinab,, und, versenkte sich schweigend in den Schacht.
Mit reißender Schnelligkeit stieg ich hinunter, fast ohne es nur zu mer-,
ken; mit solcher Leichtigkeit, mit solch einschläfernder Behaglichkeit geht
die Bewegung v-in Statten. Anfangs wird-das Auge von .der Finster¬
niß verletzt, aber alsbald findet es einen gewissen Reiz darin, diese Nacht
zu betrachten, die hoch über unserm Haupte lastet, wie sie tief unter
unsere Füße hinabsenkt, und in welcher zwei Lämpchen, die man mit¬
nimmt, nur einen unsicher" Schein verbreiten. Ich hatte neben mir ei¬
nen alten Mann, den ich in der Geistesverfassung, worin ich mich be¬
fand, leicht für jenen Greis angesehen hätte, von dem .das Märchen
des Steinköhlers erzählt; denn -er kannte die Orte, , durch-welche wir
fuhren, so aufs genauste, daß, er mir , wie der Schutzg'eist derselben- vor- '
kam. Hier, sagte er zu mir, ist eine Schicht Felsen, dort ist eine beson-


''' Ich kann/, es-/nicht 'läugnen/''daß ^ich WM ohne-einen geheimen
Schauder ,'auf die-Gefahren-eiltest solchen-Abenteuers -hinblickte» --Nur
wenige Tage'^ vorher-war,'in einer der benachbarten-Minen eine Entzün¬
dung - ausgebrochen, wobei mehre Arbeiter-das Leben - verloren hatten;
ja 'erst am Tage vorher waren in einer ein Paar Stunden- von da/ge¬
legenen Grube 100 Personen durch einen plötzlichen Einbruch des-Was¬
sers in einen Schacht versunken. ' ,' ' . . . - .

' Noch war der Eindruck dieser tragischen Begebenheiten zu lebhaft
in mir. - Unwillkührlich, indem ich den finstern Abgrund , in den ich
hinabsteigen sollte,'betrachtete, fragte ich -mich selber mit einem Gefühl
der Beklemmung, ob es mir auch wohl beschicken - sein möchte, 5as Licht
des Tages,und' die,Oberfläche der Erde wiederzusehen.' Indessen eine
unwiderstehliche Lockung - zog mich nach-der Tiefe hin; ein lcidenschaftli-.
ches Verlangen ergriff mich, die Geheimnisse, welche in diesen, finstern
Räumen vergraben wären, zu erforschen.' Auch sah ich ja vor , mir, wie',
das Auf-,und Absteigen mit einer so unveränderlichen Pünktlichkeit vor'
sich ging; auf dem Gesichte des Maschinisten lag soviel Ruhe und Ernst,
daß ich mich vor mir selbst hätte schämen müssen, wenn die Furcht meiner
Herr geworden wäre; und so trat ich denn die Fahrt in der Tonne
an, mit einer Festigkeit und so kaltem Blut,, daß ich noch mehre Tage
nachher darüber,stolz war. ' - ','',- - . .......

^ Sobald ich -meinen Platz eingenommen hatte, ward dem Maschinen¬
meister ein Zeichen gegeben, und dieser, wiederum schien der Maschine zu
gebieten, sich in Gang zu setzen, was sie ungesäumt ausführte. DaS
Seil, an welchem,die leichte Last meines Lebens hing, glitt von den-
Rollen der Winde hinab,, und, versenkte sich schweigend in den Schacht.
Mit reißender Schnelligkeit stieg ich hinunter, fast ohne es nur zu mer-,
ken; mit solcher Leichtigkeit, mit solch einschläfernder Behaglichkeit geht
die Bewegung v-in Statten. Anfangs wird-das Auge von .der Finster¬
niß verletzt, aber alsbald findet es einen gewissen Reiz darin, diese Nacht
zu betrachten, die hoch über unserm Haupte lastet, wie sie tief unter
unsere Füße hinabsenkt, und in welcher zwei Lämpchen, die man mit¬
nimmt, nur einen unsicher» Schein verbreiten. Ich hatte neben mir ei¬
nen alten Mann, den ich in der Geistesverfassung, worin ich mich be¬
fand, leicht für jenen Greis angesehen hätte, von dem .das Märchen
des Steinköhlers erzählt; denn -er kannte die Orte, , durch-welche wir
fuhren, so aufs genauste, daß, er mir , wie der Schutzg'eist derselben- vor- '
kam. Hier, sagte er zu mir, ist eine Schicht Felsen, dort ist eine beson-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/185>, abgerufen am 23.07.2024.