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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Mit mißtrauischem Blicke sehen sie nach Frankreich, mit kaltem Unge-
mach Deutschland. Und dennoch liegt die Lösung der Aufgabe so nahe.
Wie die Mischung zweier Farben eine dritte hervorbringt, so, könnte
Belgien aus zwei Literaturen den feinsten Geist saugend eine dritte
gebären, welcher vielleicht die Blüthe.des Germanischen und Gallischen
in sich vereint. Mag dann immerhin, die Landessprache getheilt sein: fla-
mändisch, wallonisch, der Geist Ware ein und derselbe, er wäre der Sohn'
beider Nationalitäten und Vater und Mutter würden, sich an der Wiege
dieses Sohnes um desto wärmer ins' Auge blicken und in inniger Um¬
armung ihren Bund um so fester erneuern.

Daß Belgien dieses Glückes noch nicht theilhaftig wurde, das ist
die Folge einer großen Schuld die aus dem' Lande lastet, der Schuld,
daß es seinem deutschen Nachbaren bisher so kalt und theilnahmlos den
Rücken zugewendet ,hat. Die spätere Geschichte wird es unglaublich
finden, daß ein Land, welches so kultureifrig nach allen Seiten umher--
tastet, die Quelle nicht sah, welche so reich in seiner Nähe sprudelte, eine.
Quelle voll strömender Poesie > Wissenschaft und Belehrung, so use,
kaum einige Stunden entfernt, und dennoch so unbekannt.

Daß das Bedürfniß von Vielen gefühlt, und verstanden wird, da¬
von geben Sie meine verehrten Hörerund der ganze zahlreiche Kreis, der
hier versammelt ist, den unwiderleglicher Beweis. Wenn auch meine Kraft
zu schwach und unbedeutend ist, um die Aufgabe zu lösen,, so fühle-ich
darum nicht minder die Wichtigkeit des Momentes, und mein innigster
Wunsch wäre, daß ein anderer Wortkrästigerer, einer der vielen durch
tiefe Forschungen und mächtigen Geist leuchtenden Männer meines Vater¬
landes, an meiner Stelle zu Ihnen spräche:,' - Es heute' das Erstemal
in Belgien, daß' eine Versammlung dieser Art stattfindet, daß ein Kreis
von edlen, durch Wissenschaft, geläuterte Bildung und bürgerliche Seel--
lung so bevorzugten Personen sich öffentlich versammelt^ um seine Auf¬
merksamkeit gleichmäßig deutschem Geisteswirken' zuzuwenden. - Es liegt
hierin vielleicht ein befruchtendes Korn zu-einer zukünftigen Saat; die
Amegung ist vonJhrer Seite gegeben, die- Folgen bleiben vielleicht nicht
aus. Mögen Sie das Programm dieser Vorträge in diesem Sinne- be¬
trachten.




Die französische und deutsche Sprache/ wie Verschieden sich auch in
ihrer, heutigen Ausbildung der Charakter derselben zeigt, so habe"
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Mit mißtrauischem Blicke sehen sie nach Frankreich, mit kaltem Unge-
mach Deutschland. Und dennoch liegt die Lösung der Aufgabe so nahe.
Wie die Mischung zweier Farben eine dritte hervorbringt, so, könnte
Belgien aus zwei Literaturen den feinsten Geist saugend eine dritte
gebären, welcher vielleicht die Blüthe.des Germanischen und Gallischen
in sich vereint. Mag dann immerhin, die Landessprache getheilt sein: fla-
mändisch, wallonisch, der Geist Ware ein und derselbe, er wäre der Sohn'
beider Nationalitäten und Vater und Mutter würden, sich an der Wiege
dieses Sohnes um desto wärmer ins' Auge blicken und in inniger Um¬
armung ihren Bund um so fester erneuern.

Daß Belgien dieses Glückes noch nicht theilhaftig wurde, das ist
die Folge einer großen Schuld die aus dem' Lande lastet, der Schuld,
daß es seinem deutschen Nachbaren bisher so kalt und theilnahmlos den
Rücken zugewendet ,hat. Die spätere Geschichte wird es unglaublich
finden, daß ein Land, welches so kultureifrig nach allen Seiten umher--
tastet, die Quelle nicht sah, welche so reich in seiner Nähe sprudelte, eine.
Quelle voll strömender Poesie > Wissenschaft und Belehrung, so use,
kaum einige Stunden entfernt, und dennoch so unbekannt.

Daß das Bedürfniß von Vielen gefühlt, und verstanden wird, da¬
von geben Sie meine verehrten Hörerund der ganze zahlreiche Kreis, der
hier versammelt ist, den unwiderleglicher Beweis. Wenn auch meine Kraft
zu schwach und unbedeutend ist, um die Aufgabe zu lösen,, so fühle-ich
darum nicht minder die Wichtigkeit des Momentes, und mein innigster
Wunsch wäre, daß ein anderer Wortkrästigerer, einer der vielen durch
tiefe Forschungen und mächtigen Geist leuchtenden Männer meines Vater¬
landes, an meiner Stelle zu Ihnen spräche:,' - Es heute' das Erstemal
in Belgien, daß' eine Versammlung dieser Art stattfindet, daß ein Kreis
von edlen, durch Wissenschaft, geläuterte Bildung und bürgerliche Seel--
lung so bevorzugten Personen sich öffentlich versammelt^ um seine Auf¬
merksamkeit gleichmäßig deutschem Geisteswirken' zuzuwenden. - Es liegt
hierin vielleicht ein befruchtendes Korn zu-einer zukünftigen Saat; die
Amegung ist vonJhrer Seite gegeben, die- Folgen bleiben vielleicht nicht
aus. Mögen Sie das Programm dieser Vorträge in diesem Sinne- be¬
trachten.




Die französische und deutsche Sprache/ wie Verschieden sich auch in
ihrer, heutigen Ausbildung der Charakter derselben zeigt, so habe»
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[0013] Mit mißtrauischem Blicke sehen sie nach Frankreich, mit kaltem Unge- mach Deutschland. Und dennoch liegt die Lösung der Aufgabe so nahe. Wie die Mischung zweier Farben eine dritte hervorbringt, so, könnte Belgien aus zwei Literaturen den feinsten Geist saugend eine dritte gebären, welcher vielleicht die Blüthe.des Germanischen und Gallischen in sich vereint. Mag dann immerhin, die Landessprache getheilt sein: fla- mändisch, wallonisch, der Geist Ware ein und derselbe, er wäre der Sohn' beider Nationalitäten und Vater und Mutter würden, sich an der Wiege dieses Sohnes um desto wärmer ins' Auge blicken und in inniger Um¬ armung ihren Bund um so fester erneuern. Daß Belgien dieses Glückes noch nicht theilhaftig wurde, das ist die Folge einer großen Schuld die aus dem' Lande lastet, der Schuld, daß es seinem deutschen Nachbaren bisher so kalt und theilnahmlos den Rücken zugewendet ,hat. Die spätere Geschichte wird es unglaublich finden, daß ein Land, welches so kultureifrig nach allen Seiten umher-- tastet, die Quelle nicht sah, welche so reich in seiner Nähe sprudelte, eine. Quelle voll strömender Poesie > Wissenschaft und Belehrung, so use, kaum einige Stunden entfernt, und dennoch so unbekannt. Daß das Bedürfniß von Vielen gefühlt, und verstanden wird, da¬ von geben Sie meine verehrten Hörerund der ganze zahlreiche Kreis, der hier versammelt ist, den unwiderleglicher Beweis. Wenn auch meine Kraft zu schwach und unbedeutend ist, um die Aufgabe zu lösen,, so fühle-ich darum nicht minder die Wichtigkeit des Momentes, und mein innigster Wunsch wäre, daß ein anderer Wortkrästigerer, einer der vielen durch tiefe Forschungen und mächtigen Geist leuchtenden Männer meines Vater¬ landes, an meiner Stelle zu Ihnen spräche:,' - Es heute' das Erstemal in Belgien, daß' eine Versammlung dieser Art stattfindet, daß ein Kreis von edlen, durch Wissenschaft, geläuterte Bildung und bürgerliche Seel-- lung so bevorzugten Personen sich öffentlich versammelt^ um seine Auf¬ merksamkeit gleichmäßig deutschem Geisteswirken' zuzuwenden. - Es liegt hierin vielleicht ein befruchtendes Korn zu-einer zukünftigen Saat; die Amegung ist vonJhrer Seite gegeben, die- Folgen bleiben vielleicht nicht aus. Mögen Sie das Programm dieser Vorträge in diesem Sinne- be¬ trachten. Die französische und deutsche Sprache/ wie Verschieden sich auch in ihrer, heutigen Ausbildung der Charakter derselben zeigt, so habe» '" 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/13>, abgerufen am 02.07.2024.