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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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"Gott weiß wie vielen 100 oder 1000 Jahre" die brüsseler H-idem, die
in den Streit gezogen waren und unerwartet zurückkamen/ ihren Wei¬
bern gemacht haben sollen. Ich fragte ihn, ob er sich nicht irre und
sagen wollte/ daß die brüsseler Helden die Ueberraschten gewesen seyen;
er blieb aber bei seiner Behauptung, und da er bemerkte, daß ich noch
nicht ganz befriedigt in meiner Wißbegierde war, so verwies er mich an
einen ältlichen Herrn, der in eine Ecke saß, sein Pfeifchen schmauchte
und eine Zeitung las. "Le ATuns!"ur "pee zweite Izüro llnnK I"
in-den" sagte er, sei der Lehrer, bei dem seine Jungen in die Schule
gehen, lind der, setzte er hinzu, weiß auf alle Fragen zu antworten.
Mein Freund, der sich bisher ganz leidlich verhalten, zeigte sich etwas
scheu zu dem Manne hinzugehen, weil er nicht wußte, was xetll"
böte bedeutete; lachte aber herzlich als ich ihm erklärte, man verstehe
darunter die Zeitung -?oui-mal 6e ju LolFupie, weil sie seit langer Zeit
die einzige ist mit dem Wappen des Königreichs, worauf der belgische
Löwe im Kleinen abgebildet ist, während unter der holländischen Regie¬
rung das Gouvernementöblatt das Wappen mit einzu großen Löwen
hatte. -- Der freundliche Look erleichterte uns die Bekanntschaft mit
dein I^ulu mög'lLcei-, der indessen in Manieren und Reden bei weitem
so steif nicht war, als ich ihn mir vorstellte. Er fand sich ganz .ge¬
schmeichelt das Oravle K äeux Messieurs caua-z it inne (so nennt
man durchgehends beim Bürgersmann Leute, deren Kleider mehr nach
dem Schnitt sind u. s. w.) zu sein; warf sich in die Brust und gab
uns die verlangte Erklärung, wie sie kein Professor methodischer ex e".
Äieclre geben konnte. Ich werde mich nur an das Wesentliche seines Vor¬
trage halten. //Sie werden gewiß von den Kreuzzügen gehört haben,
das waren heilige aber doch fürchterliche Kriege. Wie aus allen Län¬
dern von Europa zogen auch aus unserm Lande viele vornehme Herr¬
schaften sammt ihren Kriegsleuten ins heilige Land, und einer unserer
Landsleute, Gottfried von Bouillon, spielte sogar die Hauptrolle daselbst,
wie dies ein gewisser Tasse (ein gewisser Tasse! nie hört man solche
Blasphemie gelassen!) gar schön beschrieben haben soll. Dieser Gottfried,
der Herzog von Nieder-Lothringen war, wozu Brabant gehörte,
hatte außer seinen beiden Brüdern den vornehmsten brabantschcn Adel
bei sich; sie eroberten Jerusalem 1039, Gottfried blieb dort als König, die¬
jenigen seiner Landsleute aber, die am, Leben geblieben waren, kehrten
nach Hause zurück. An der brabantschcn Grenze schaarten sie sich nach


«Gott weiß wie vielen 100 oder 1000 Jahre« die brüsseler H-idem, die
in den Streit gezogen waren und unerwartet zurückkamen/ ihren Wei¬
bern gemacht haben sollen. Ich fragte ihn, ob er sich nicht irre und
sagen wollte/ daß die brüsseler Helden die Ueberraschten gewesen seyen;
er blieb aber bei seiner Behauptung, und da er bemerkte, daß ich noch
nicht ganz befriedigt in meiner Wißbegierde war, so verwies er mich an
einen ältlichen Herrn, der in eine Ecke saß, sein Pfeifchen schmauchte
und eine Zeitung las. „Le ATuns!«ur »pee zweite Izüro llnnK I»
in-den" sagte er, sei der Lehrer, bei dem seine Jungen in die Schule
gehen, lind der, setzte er hinzu, weiß auf alle Fragen zu antworten.
Mein Freund, der sich bisher ganz leidlich verhalten, zeigte sich etwas
scheu zu dem Manne hinzugehen, weil er nicht wußte, was xetll«
böte bedeutete; lachte aber herzlich als ich ihm erklärte, man verstehe
darunter die Zeitung -?oui-mal 6e ju LolFupie, weil sie seit langer Zeit
die einzige ist mit dem Wappen des Königreichs, worauf der belgische
Löwe im Kleinen abgebildet ist, während unter der holländischen Regie¬
rung das Gouvernementöblatt das Wappen mit einzu großen Löwen
hatte. — Der freundliche Look erleichterte uns die Bekanntschaft mit
dein I^ulu mög'lLcei-, der indessen in Manieren und Reden bei weitem
so steif nicht war, als ich ihn mir vorstellte. Er fand sich ganz .ge¬
schmeichelt das Oravle K äeux Messieurs caua-z it inne (so nennt
man durchgehends beim Bürgersmann Leute, deren Kleider mehr nach
dem Schnitt sind u. s. w.) zu sein; warf sich in die Brust und gab
uns die verlangte Erklärung, wie sie kein Professor methodischer ex e».
Äieclre geben konnte. Ich werde mich nur an das Wesentliche seines Vor¬
trage halten. //Sie werden gewiß von den Kreuzzügen gehört haben,
das waren heilige aber doch fürchterliche Kriege. Wie aus allen Län¬
dern von Europa zogen auch aus unserm Lande viele vornehme Herr¬
schaften sammt ihren Kriegsleuten ins heilige Land, und einer unserer
Landsleute, Gottfried von Bouillon, spielte sogar die Hauptrolle daselbst,
wie dies ein gewisser Tasse (ein gewisser Tasse! nie hört man solche
Blasphemie gelassen!) gar schön beschrieben haben soll. Dieser Gottfried,
der Herzog von Nieder-Lothringen war, wozu Brabant gehörte,
hatte außer seinen beiden Brüdern den vornehmsten brabantschcn Adel
bei sich; sie eroberten Jerusalem 1039, Gottfried blieb dort als König, die¬
jenigen seiner Landsleute aber, die am, Leben geblieben waren, kehrten
nach Hause zurück. An der brabantschcn Grenze schaarten sie sich nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/129>, abgerufen am 04.07.2024.