schniegelt zu erblicken, obschon es ein ganz gewöhnlicher Wochentag war, der sich durch keinen außerordentlichen Kalenderhciligen auszeichnet. Bald kommen wir gar an einem Straßenende an, wo sich ganze Gruppen Bür¬ gerfrauen in Sonntagsputz befanden, und mehre Wohnungen Heller als gewöhnlich beleuchtet waren. Ein Vorübergehender, den wir darüber befragten, wußte uns nichts anders zu sagen als: .jo in^nliem-, Kot 15 vio>Ke5l1->g'. nUe, welcher brüsseler Jargon so viel oder eigentlich so wenig sagen will als: "Ja, mein Herr eS ist Frauentag.//---Frauen¬ tag? den hatte ich noch nie nennen hören, und noch in keinem Kalender angezeigt gefunden, den französischen ^Republikanerkalender darunter be¬ griffen. Ich ließ den Mann seine Antwort wiederholen, es blieb dabei, Frauentag und nichts anders als Frauentag. Hätte ich mich nicht ge¬ schämt, ich hätte mich bei den Frauen selbst erkundigt, welches Bewandt- niß es mit ihrem Tage habe, allein da ich es im schlecht französisch- und holländifchfprcchen noch nicht weit genug gebracht habe, um von Brüsseleren von ächtem Schrot und Korn verstanden zu werden, so zog ich vor, meinem Freunde den Vorschlag zu machen, zusammen in ein grade vor uns stehendes, hell erleuchtetes, aber nur sehr mäßig ange¬ fülltes "lZstluninct" zu treten, da ich aus Erfahrung wußte, daß man sich fast nirgends besser nach den Sitten und Gebräuchen der Bürger¬ schaft und besondern Stadttheile erkundigen kann, als bei den "Lo-er" (soll, heißen üaziell, Meister) oder Oberkellnern solcher Etablissements, zu¬ mal wenn, diese noch nicht zu sehr modernisirt sind. -- Gesagt, gethan! Wir treten ein, und nachdem wir das übliche "W"t sal c!a Iivlievo, in^"?>eel'? (was ist Ihnen gefällig, mein Herr) verschluckt, und mit dem Verlangen einiger Gläser "Z?-n'<," beantwortet hatten, ersuchte ich den Wirth, einen sehr freundlichen, massiven Urbrabcmter mit der unerläßli¬ chen weißen Schürze vor sich und der baumwollenen Mütze bedeckt, an unsern Tisch zu kommen, trank ihm eins zu, und fragte ihn ohne wei¬ teres, ob es heute wirklich Vi'mnvKnns-äsg,' sey, und was das zu be¬ deuten habe. Den ersten Theil meiner Frage bejahete er ohngefähr wie ein Orthodoxer Jemand, der ihn fragen würde, ob es einen Gott gebe? Auf den letztem Theil der Frage antwortete er in halb zu schlecht frau" zösisch und halb zu gut flämisch, als daß ich vieles davon verstanden hätte, und alles was ich mir zusammen buchstabiren konnte, war etwa folgendes: Der 19. Jänner werde jährlich von den altmodischen brüsse- ler Frauen gefeiert, zum Gedächtniß an die Überraschung, welche vor
schniegelt zu erblicken, obschon es ein ganz gewöhnlicher Wochentag war, der sich durch keinen außerordentlichen Kalenderhciligen auszeichnet. Bald kommen wir gar an einem Straßenende an, wo sich ganze Gruppen Bür¬ gerfrauen in Sonntagsputz befanden, und mehre Wohnungen Heller als gewöhnlich beleuchtet waren. Ein Vorübergehender, den wir darüber befragten, wußte uns nichts anders zu sagen als: .jo in^nliem-, Kot 15 vio>Ke5l1->g'. nUe, welcher brüsseler Jargon so viel oder eigentlich so wenig sagen will als: „Ja, mein Herr eS ist Frauentag.//-—Frauen¬ tag? den hatte ich noch nie nennen hören, und noch in keinem Kalender angezeigt gefunden, den französischen ^Republikanerkalender darunter be¬ griffen. Ich ließ den Mann seine Antwort wiederholen, es blieb dabei, Frauentag und nichts anders als Frauentag. Hätte ich mich nicht ge¬ schämt, ich hätte mich bei den Frauen selbst erkundigt, welches Bewandt- niß es mit ihrem Tage habe, allein da ich es im schlecht französisch- und holländifchfprcchen noch nicht weit genug gebracht habe, um von Brüsseleren von ächtem Schrot und Korn verstanden zu werden, so zog ich vor, meinem Freunde den Vorschlag zu machen, zusammen in ein grade vor uns stehendes, hell erleuchtetes, aber nur sehr mäßig ange¬ fülltes „lZstluninct" zu treten, da ich aus Erfahrung wußte, daß man sich fast nirgends besser nach den Sitten und Gebräuchen der Bürger¬ schaft und besondern Stadttheile erkundigen kann, als bei den „Lo-er" (soll, heißen üaziell, Meister) oder Oberkellnern solcher Etablissements, zu¬ mal wenn, diese noch nicht zu sehr modernisirt sind. — Gesagt, gethan! Wir treten ein, und nachdem wir das übliche "W«t sal c!a Iivlievo, in^»?>eel'? (was ist Ihnen gefällig, mein Herr) verschluckt, und mit dem Verlangen einiger Gläser „Z?-n'<,« beantwortet hatten, ersuchte ich den Wirth, einen sehr freundlichen, massiven Urbrabcmter mit der unerläßli¬ chen weißen Schürze vor sich und der baumwollenen Mütze bedeckt, an unsern Tisch zu kommen, trank ihm eins zu, und fragte ihn ohne wei¬ teres, ob es heute wirklich Vi'mnvKnns-äsg,' sey, und was das zu be¬ deuten habe. Den ersten Theil meiner Frage bejahete er ohngefähr wie ein Orthodoxer Jemand, der ihn fragen würde, ob es einen Gott gebe? Auf den letztem Theil der Frage antwortete er in halb zu schlecht frau« zösisch und halb zu gut flämisch, als daß ich vieles davon verstanden hätte, und alles was ich mir zusammen buchstabiren konnte, war etwa folgendes: Der 19. Jänner werde jährlich von den altmodischen brüsse- ler Frauen gefeiert, zum Gedächtniß an die Überraschung, welche vor
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befragten, wußte uns nichts anders zu sagen als: .jo in^nliem-, Kot 15
vio>Ke5l1->g'. nUe, welcher brüsseler Jargon so viel oder eigentlich so
wenig sagen will als: „Ja, mein Herr eS ist Frauentag.//-—Frauen¬
tag? den hatte ich noch nie nennen hören, und noch in keinem Kalender
angezeigt gefunden, den französischen ^Republikanerkalender darunter be¬
griffen. Ich ließ den Mann seine Antwort wiederholen, es blieb dabei,
Frauentag und nichts anders als Frauentag. Hätte ich mich nicht ge¬
schämt, ich hätte mich bei den Frauen selbst erkundigt, welches Bewandt-
niß es mit ihrem Tage habe, allein da ich es im schlecht französisch-
und holländifchfprcchen noch nicht weit genug gebracht habe, um von
Brüsseleren von ächtem Schrot und Korn verstanden zu werden, so zog
ich vor, meinem Freunde den Vorschlag zu machen, zusammen in ein
grade vor uns stehendes, hell erleuchtetes, aber nur sehr mäßig ange¬
fülltes „lZstluninct" zu treten, da ich aus Erfahrung wußte, daß man
sich fast nirgends besser nach den Sitten und Gebräuchen der Bürger¬
schaft und besondern Stadttheile erkundigen kann, als bei den „Lo-er"
(soll, heißen üaziell, Meister) oder Oberkellnern solcher Etablissements, zu¬
mal wenn, diese noch nicht zu sehr modernisirt sind. — Gesagt, gethan!
Wir treten ein, und nachdem wir das übliche "W«t sal c!a Iivlievo,
in^»?>eel'? (was ist Ihnen gefällig, mein Herr) verschluckt, und mit
dem Verlangen einiger Gläser „Z?-n'<,« beantwortet hatten, ersuchte ich den
Wirth, einen sehr freundlichen, massiven Urbrabcmter mit der unerläßli¬
chen weißen Schürze vor sich und der baumwollenen Mütze bedeckt, an
unsern Tisch zu kommen, trank ihm eins zu, und fragte ihn ohne wei¬
teres, ob es heute wirklich Vi'mnvKnns-äsg,' sey, und was das zu be¬
deuten habe. Den ersten Theil meiner Frage bejahete er ohngefähr wie
ein Orthodoxer Jemand, der ihn fragen würde, ob es einen Gott gebe?
Auf den letztem Theil der Frage antwortete er in halb zu schlecht frau«
zösisch und halb zu gut flämisch, als daß ich vieles davon verstanden
hätte, und alles was ich mir zusammen buchstabiren konnte, war etwa
folgendes: Der 19. Jänner werde jährlich von den altmodischen brüsse-
ler Frauen gefeiert, zum Gedächtniß an die Überraschung, welche vor
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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/128>, abgerufen am 22.12.2024.
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