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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Gleichem; Nußland eristirt für sie nur in der Geographie, den Kaiser
Nikolaus kennt sie zwar dem Namen nach/ aber sie begrüßt ihn nichts
Der Kaiser sucht seine Proscribirten in allen Königreichen, aber an der
belgischen-Grenze stehn seine Boten still; da haben sie-nichts zu for¬
dern, nichts zu hoffen, da kennt man ihren Herrn nicht. Der Kaiser
Nikolaus will nicht, daß Belgier nach Rußland kommen; seine Agenten
haben Befehl, Jederman, der auch nur verdächtig ist, ein Belgier zu
sein, die Pässe zu versagen; aber Belgien öffnet seine Grenzpförten weit-
allen Unterthanen des Kaisers von Rußland; den russischen Ingenieuren-
zeigt es seine Eisenbahnen, seine Maschinen, seine Hüttenwerke, seine
Ateliers, und der russische Kaiser, der keine Belgier bei sich wollte, fand
sich am Ende sehr glücklich, Belgien Arbeiter entlehnen zu können, da¬
mit sie seine Russen arbeiten lehrten.

Wer hat bei dieser Angelegenheit das bessere Theil ergriffen? Ge¬
wiß, nicht der russische Hof; denn all sein Schmollen läuft auf Nichts
hinaus und er muß nur zusehen, wie der Hauch seines Zornes kein ver¬
nichtender Sturm ist, und wie das kleine Königreich von 4 Millionen
Einwohnern trotz dieses Zornes im besten Gedeihen ist.

, Belgien hat sich in dieser Beziehung viel weiser und geschickter be¬
nommen, als Frankreich. Denn, wenn etwas auf der Welt lächerlicher
ist, als die Possen, die der russische Hof spielt, so ist es unbestreitbar
die Wichtigkeit, die man ihnen beilegt.

Die aus der Juli-Revolution hervorgegangen? Negierung Frank¬
reichs wollte um alles in der Welt vom russischen Hof anerkannt seim
Wäre die Anerkennung- der neuen französischen Negierung durch Ru߬
land von dieser nicht nachgesucht worden, so würde die Macht der Ver¬
hältnisse das russische Cabinet gezwungen haben, sie anzubieten. -Man
muß die Macht des Staates von Modena besitzen, d. h. etwas weniger
als Null im europäischen Staatensystem, um sich während eines allge¬
meinen Friedens 10 Jahre hindurch von der französischen Negierung
entfernt zu halten. Da man den Kaiser Nikolaus bat, nun so hat er
sich bitten lassen; das war natürlich.

Wie dem auch sei, wir wollen den Skepticismus nicht so weit
treiben, zu läugnen, daß die russische Regierung mit der französischen
und belgischen Revolution unzufrieden gewesen ist, wir wollen sogar
zugestehen, daß sie bei mehreren Gelegenheiten durch kleinliche Neckereien
ihren bösen Willen gegen Frankreich und dessen Regierung geoffenbart
hat. Aber was beweist dies Alles?


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Gleichem; Nußland eristirt für sie nur in der Geographie, den Kaiser
Nikolaus kennt sie zwar dem Namen nach/ aber sie begrüßt ihn nichts
Der Kaiser sucht seine Proscribirten in allen Königreichen, aber an der
belgischen-Grenze stehn seine Boten still; da haben sie-nichts zu for¬
dern, nichts zu hoffen, da kennt man ihren Herrn nicht. Der Kaiser
Nikolaus will nicht, daß Belgier nach Rußland kommen; seine Agenten
haben Befehl, Jederman, der auch nur verdächtig ist, ein Belgier zu
sein, die Pässe zu versagen; aber Belgien öffnet seine Grenzpförten weit-
allen Unterthanen des Kaisers von Rußland; den russischen Ingenieuren-
zeigt es seine Eisenbahnen, seine Maschinen, seine Hüttenwerke, seine
Ateliers, und der russische Kaiser, der keine Belgier bei sich wollte, fand
sich am Ende sehr glücklich, Belgien Arbeiter entlehnen zu können, da¬
mit sie seine Russen arbeiten lehrten.

Wer hat bei dieser Angelegenheit das bessere Theil ergriffen? Ge¬
wiß, nicht der russische Hof; denn all sein Schmollen läuft auf Nichts
hinaus und er muß nur zusehen, wie der Hauch seines Zornes kein ver¬
nichtender Sturm ist, und wie das kleine Königreich von 4 Millionen
Einwohnern trotz dieses Zornes im besten Gedeihen ist.

, Belgien hat sich in dieser Beziehung viel weiser und geschickter be¬
nommen, als Frankreich. Denn, wenn etwas auf der Welt lächerlicher
ist, als die Possen, die der russische Hof spielt, so ist es unbestreitbar
die Wichtigkeit, die man ihnen beilegt.

Die aus der Juli-Revolution hervorgegangen? Negierung Frank¬
reichs wollte um alles in der Welt vom russischen Hof anerkannt seim
Wäre die Anerkennung- der neuen französischen Negierung durch Ru߬
land von dieser nicht nachgesucht worden, so würde die Macht der Ver¬
hältnisse das russische Cabinet gezwungen haben, sie anzubieten. -Man
muß die Macht des Staates von Modena besitzen, d. h. etwas weniger
als Null im europäischen Staatensystem, um sich während eines allge¬
meinen Friedens 10 Jahre hindurch von der französischen Negierung
entfernt zu halten. Da man den Kaiser Nikolaus bat, nun so hat er
sich bitten lassen; das war natürlich.

Wie dem auch sei, wir wollen den Skepticismus nicht so weit
treiben, zu läugnen, daß die russische Regierung mit der französischen
und belgischen Revolution unzufrieden gewesen ist, wir wollen sogar
zugestehen, daß sie bei mehreren Gelegenheiten durch kleinliche Neckereien
ihren bösen Willen gegen Frankreich und dessen Regierung geoffenbart
hat. Aber was beweist dies Alles?


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[0125] Gleichem; Nußland eristirt für sie nur in der Geographie, den Kaiser Nikolaus kennt sie zwar dem Namen nach/ aber sie begrüßt ihn nichts Der Kaiser sucht seine Proscribirten in allen Königreichen, aber an der belgischen-Grenze stehn seine Boten still; da haben sie-nichts zu for¬ dern, nichts zu hoffen, da kennt man ihren Herrn nicht. Der Kaiser Nikolaus will nicht, daß Belgier nach Rußland kommen; seine Agenten haben Befehl, Jederman, der auch nur verdächtig ist, ein Belgier zu sein, die Pässe zu versagen; aber Belgien öffnet seine Grenzpförten weit- allen Unterthanen des Kaisers von Rußland; den russischen Ingenieuren- zeigt es seine Eisenbahnen, seine Maschinen, seine Hüttenwerke, seine Ateliers, und der russische Kaiser, der keine Belgier bei sich wollte, fand sich am Ende sehr glücklich, Belgien Arbeiter entlehnen zu können, da¬ mit sie seine Russen arbeiten lehrten. Wer hat bei dieser Angelegenheit das bessere Theil ergriffen? Ge¬ wiß, nicht der russische Hof; denn all sein Schmollen läuft auf Nichts hinaus und er muß nur zusehen, wie der Hauch seines Zornes kein ver¬ nichtender Sturm ist, und wie das kleine Königreich von 4 Millionen Einwohnern trotz dieses Zornes im besten Gedeihen ist. , Belgien hat sich in dieser Beziehung viel weiser und geschickter be¬ nommen, als Frankreich. Denn, wenn etwas auf der Welt lächerlicher ist, als die Possen, die der russische Hof spielt, so ist es unbestreitbar die Wichtigkeit, die man ihnen beilegt. Die aus der Juli-Revolution hervorgegangen? Negierung Frank¬ reichs wollte um alles in der Welt vom russischen Hof anerkannt seim Wäre die Anerkennung- der neuen französischen Negierung durch Ru߬ land von dieser nicht nachgesucht worden, so würde die Macht der Ver¬ hältnisse das russische Cabinet gezwungen haben, sie anzubieten. -Man muß die Macht des Staates von Modena besitzen, d. h. etwas weniger als Null im europäischen Staatensystem, um sich während eines allge¬ meinen Friedens 10 Jahre hindurch von der französischen Negierung entfernt zu halten. Da man den Kaiser Nikolaus bat, nun so hat er sich bitten lassen; das war natürlich. Wie dem auch sei, wir wollen den Skepticismus nicht so weit treiben, zu läugnen, daß die russische Regierung mit der französischen und belgischen Revolution unzufrieden gewesen ist, wir wollen sogar zugestehen, daß sie bei mehreren Gelegenheiten durch kleinliche Neckereien ihren bösen Willen gegen Frankreich und dessen Regierung geoffenbart hat. Aber was beweist dies Alles? 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/125>, abgerufen am 25.08.2024.