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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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den Schriftstellern, nur er ist's der auf eigne Gefahr und Risico den nütz¬
lichen Kenntnissen ein-weiteres Gebiet verschafft, oder das seinige zur
Unterhaltung des gebildeten Publikums beisteuert, entweder durch Wie¬
derauflage älterer Werke, oder durch Herausgabe von neuern. Er
allein ist es demnach auch, der den Druckereien Ncchrung zuführt,
die Papierfabriken, die Buchbinderwerkstättcn und eine unendliche Menge
Nebenbeschäftigungen, die nur Handlanger des producirenden Buchhan¬
dels sind, in Bewegung setzt.

Man hat in neuerer Zeit die Rückschritte und schlechten 'Verhält¬
nisse des französischen Verlagshnndels auf eine auffallende Weise be¬
merkt. Die Ursachen hiervon sind nicht schwer zu combiniren. Ge¬
setzt, es wird ein Buch beim Verleger angekündigt, und der Preis zu
7^s Franken per Band angesetzt, welcher Preis für die meisten Werke
die als Gelegcnheitöschriften nur ein vorübergehendes Interesse darbieten,
für ungeheuer gelten kann. Wie sollte man annehmen dürfen, daß zu
solchen Preisen eine große Anzahl Exemplare abgesetzt werden, (wo
nicht etwa bei außerordentlichen Umständen,) da es doch so leicht
ist, seine Begierde nach den: Inhalt des Buches sür wenige Sous
in den Lesekabinetten zu befriedigen? Man frage nur die VerlagSbuch-
händler von wie vielen neuen Werken sie mehr als 500 Exemplare auf¬
legen, trotz den großsprechenden Anzeigen, die sie in die Zeitungen setzen
lassen, und theuer bezahlen müssen, welche Anzeigen der Literatur so nach¬
theilig sind, und mit der Zeit dem Buchhandel den Gnadenstoß geben
werden. Der deutsche Verleger zählt auch oft nur auf die Leihbibliothe¬
ken , aber dann ist auch Honorar und die ganze Produktion darnach be¬
rechnet. Er ist nicht gezwungen, in der theuren Residenz (und Paris
ist theurer als alle deutschen Residenzen) drucken zu lassen und der deutsche
Leihbibliotheken-Schriftsteller darf wahrlich nicht in Paris leben. Der
französische Verleger ist aber auf Beides geradezu hingewiesen.

Und könnte er die, Bücher noch zum angesetzten Preise anbringen!
Mein nichts weniger als dies; nur eine sehr geringe Anzahl wird ihm
dafür von Privatpersonen abgenommen; die meisten Exemplare wandern
zu den CommissionShändlcrn, die in Paris selbst, oder in den Depar¬
tements das Geschäft von Wiederverkäufer oder Unterschleifer treiben,
und die nur fast immer einen viel bedeutendern Gewinn als in
Deutschland haben, ohne die mindeste Gefahr zu laufen und gewisser¬
maßen ohne baare Auslage, wenn nämlich ihr Haus in guten: Ruf steht.
Dabei ist der Bankerott der Sortimentshändler, namentlich der Provinz


den Schriftstellern, nur er ist's der auf eigne Gefahr und Risico den nütz¬
lichen Kenntnissen ein-weiteres Gebiet verschafft, oder das seinige zur
Unterhaltung des gebildeten Publikums beisteuert, entweder durch Wie¬
derauflage älterer Werke, oder durch Herausgabe von neuern. Er
allein ist es demnach auch, der den Druckereien Ncchrung zuführt,
die Papierfabriken, die Buchbinderwerkstättcn und eine unendliche Menge
Nebenbeschäftigungen, die nur Handlanger des producirenden Buchhan¬
dels sind, in Bewegung setzt.

Man hat in neuerer Zeit die Rückschritte und schlechten 'Verhält¬
nisse des französischen Verlagshnndels auf eine auffallende Weise be¬
merkt. Die Ursachen hiervon sind nicht schwer zu combiniren. Ge¬
setzt, es wird ein Buch beim Verleger angekündigt, und der Preis zu
7^s Franken per Band angesetzt, welcher Preis für die meisten Werke
die als Gelegcnheitöschriften nur ein vorübergehendes Interesse darbieten,
für ungeheuer gelten kann. Wie sollte man annehmen dürfen, daß zu
solchen Preisen eine große Anzahl Exemplare abgesetzt werden, (wo
nicht etwa bei außerordentlichen Umständen,) da es doch so leicht
ist, seine Begierde nach den: Inhalt des Buches sür wenige Sous
in den Lesekabinetten zu befriedigen? Man frage nur die VerlagSbuch-
händler von wie vielen neuen Werken sie mehr als 500 Exemplare auf¬
legen, trotz den großsprechenden Anzeigen, die sie in die Zeitungen setzen
lassen, und theuer bezahlen müssen, welche Anzeigen der Literatur so nach¬
theilig sind, und mit der Zeit dem Buchhandel den Gnadenstoß geben
werden. Der deutsche Verleger zählt auch oft nur auf die Leihbibliothe¬
ken , aber dann ist auch Honorar und die ganze Produktion darnach be¬
rechnet. Er ist nicht gezwungen, in der theuren Residenz (und Paris
ist theurer als alle deutschen Residenzen) drucken zu lassen und der deutsche
Leihbibliotheken-Schriftsteller darf wahrlich nicht in Paris leben. Der
französische Verleger ist aber auf Beides geradezu hingewiesen.

Und könnte er die, Bücher noch zum angesetzten Preise anbringen!
Mein nichts weniger als dies; nur eine sehr geringe Anzahl wird ihm
dafür von Privatpersonen abgenommen; die meisten Exemplare wandern
zu den CommissionShändlcrn, die in Paris selbst, oder in den Depar¬
tements das Geschäft von Wiederverkäufer oder Unterschleifer treiben,
und die nur fast immer einen viel bedeutendern Gewinn als in
Deutschland haben, ohne die mindeste Gefahr zu laufen und gewisser¬
maßen ohne baare Auslage, wenn nämlich ihr Haus in guten: Ruf steht.
Dabei ist der Bankerott der Sortimentshändler, namentlich der Provinz


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[0112] den Schriftstellern, nur er ist's der auf eigne Gefahr und Risico den nütz¬ lichen Kenntnissen ein-weiteres Gebiet verschafft, oder das seinige zur Unterhaltung des gebildeten Publikums beisteuert, entweder durch Wie¬ derauflage älterer Werke, oder durch Herausgabe von neuern. Er allein ist es demnach auch, der den Druckereien Ncchrung zuführt, die Papierfabriken, die Buchbinderwerkstättcn und eine unendliche Menge Nebenbeschäftigungen, die nur Handlanger des producirenden Buchhan¬ dels sind, in Bewegung setzt. Man hat in neuerer Zeit die Rückschritte und schlechten 'Verhält¬ nisse des französischen Verlagshnndels auf eine auffallende Weise be¬ merkt. Die Ursachen hiervon sind nicht schwer zu combiniren. Ge¬ setzt, es wird ein Buch beim Verleger angekündigt, und der Preis zu 7^s Franken per Band angesetzt, welcher Preis für die meisten Werke die als Gelegcnheitöschriften nur ein vorübergehendes Interesse darbieten, für ungeheuer gelten kann. Wie sollte man annehmen dürfen, daß zu solchen Preisen eine große Anzahl Exemplare abgesetzt werden, (wo nicht etwa bei außerordentlichen Umständen,) da es doch so leicht ist, seine Begierde nach den: Inhalt des Buches sür wenige Sous in den Lesekabinetten zu befriedigen? Man frage nur die VerlagSbuch- händler von wie vielen neuen Werken sie mehr als 500 Exemplare auf¬ legen, trotz den großsprechenden Anzeigen, die sie in die Zeitungen setzen lassen, und theuer bezahlen müssen, welche Anzeigen der Literatur so nach¬ theilig sind, und mit der Zeit dem Buchhandel den Gnadenstoß geben werden. Der deutsche Verleger zählt auch oft nur auf die Leihbibliothe¬ ken , aber dann ist auch Honorar und die ganze Produktion darnach be¬ rechnet. Er ist nicht gezwungen, in der theuren Residenz (und Paris ist theurer als alle deutschen Residenzen) drucken zu lassen und der deutsche Leihbibliotheken-Schriftsteller darf wahrlich nicht in Paris leben. Der französische Verleger ist aber auf Beides geradezu hingewiesen. Und könnte er die, Bücher noch zum angesetzten Preise anbringen! Mein nichts weniger als dies; nur eine sehr geringe Anzahl wird ihm dafür von Privatpersonen abgenommen; die meisten Exemplare wandern zu den CommissionShändlcrn, die in Paris selbst, oder in den Depar¬ tements das Geschäft von Wiederverkäufer oder Unterschleifer treiben, und die nur fast immer einen viel bedeutendern Gewinn als in Deutschland haben, ohne die mindeste Gefahr zu laufen und gewisser¬ maßen ohne baare Auslage, wenn nämlich ihr Haus in guten: Ruf steht. Dabei ist der Bankerott der Sortimentshändler, namentlich der Provinz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/112>, abgerufen am 04.07.2024.