Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß die Politik, welche der Graf Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß die Politik, welche der Graf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266704"/> <p xml:id="ID_194" prev="#ID_193" next="#ID_195"> Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß die Politik, welche der Graf<lb/> von Cholet gegenüber der böhmischen Litcraturbewegung beobachtet,<lb/> sowohl vom Standpunkte des Provinzialinteresses, als auch im In¬<lb/> teresse der Centralregierung eine durchaus weise und beifallswürdige<lb/> sei. Die Czechvphilen (denn ich sehe nicht ein, warum man ihnen<lb/> den Spitznamen Czechomanen geben sollte) sind nicht eine kleine<lb/> Hand voll Menschen, die man durch eine strenge Maßregel hemmt<lb/> und abschneidet. Zwei Drittheile des Landes sprechen nichts als<lb/> böhmisch. Die Culturbedürfnisse dieser Volksmasse können nur durch<lb/> böhmische Bücher und böhmischen Unterricht befriedigt werden. In<lb/> dem Grade, als" die Bildung und der Volksunterricht fortschreitet,<lb/> in demselben Grade muß auch die böhmische Literatur eine größere<lb/> Ausdehnung und zahlreichere Anhänger im Lande gewinnen. Wollte<lb/> man dieses hemmen, so müßte man entweder die Gesetze über den<lb/> Volksunterricht aufheben oder dem langbewährten Staatöprincipe<lb/> treulos werden, vermöge welchem dem Volke immer die Freiheit sei¬<lb/> ner Sprache unbenommen blieb. Da Oestreich keinen dieser beiden<lb/> Grundsätze aufzugeben Lust haben kann, so würde ein kleiner Krieg<lb/> gegen einzelne Literaten und Wortführer theils der Staatsregierung<lb/> unwürdig sein, andrerseits aber nur dazu dienen, eine ewige Reiz¬<lb/> barkeit in den Gemüthern zu nähren und kleinen Umständen eine<lb/> Wichtigkeit zu geben, die sie nicht verdienen. Hier gilt es einen<lb/> entschiedenen und freien Entschluß zu fassen, die einmal angeregte<lb/> Bewegung in ihrem Gange auch nicht im Mindesten zu stören; ja<lb/> durch einzelne Beförderungen, durch Beweise von Zutrauen die Unbe¬<lb/> fangenheit deö Staates zu manifestiren. Der Haß gegen die Deut¬<lb/> schen, den man den Böhmen zur Last legt, wird dadurch von selbst<lb/> entwaffnet. Oestreich kann die Böhmen moralisch zu der Anerken¬<lb/> nung zwingen, daß die Deutschen toleranter sind als sie. Zu den<lb/> Zeiten der selbständigsten Macht Böhmens, in der Epoche Carls<lb/> III. und Rudolf des 1l. klagten die Böhmen über das kleinste Amt<lb/> das er einem Deutschen zuwies. Wenn nun jetzt die deutschen<lb/> Staaten des Kaiserthums Repressalien gebrauchen wollten? Die be¬<lb/> deutendsten und höchsten Stellen des östreichischen Staates und seiner<lb/> Residenz sind mit Böhmen besetzt. Die böhmische Nation kann<lb/> hierin den Beweis sehen, daß sie von der Staatsregierung nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß die Politik, welche der Graf
von Cholet gegenüber der böhmischen Litcraturbewegung beobachtet,
sowohl vom Standpunkte des Provinzialinteresses, als auch im In¬
teresse der Centralregierung eine durchaus weise und beifallswürdige
sei. Die Czechvphilen (denn ich sehe nicht ein, warum man ihnen
den Spitznamen Czechomanen geben sollte) sind nicht eine kleine
Hand voll Menschen, die man durch eine strenge Maßregel hemmt
und abschneidet. Zwei Drittheile des Landes sprechen nichts als
böhmisch. Die Culturbedürfnisse dieser Volksmasse können nur durch
böhmische Bücher und böhmischen Unterricht befriedigt werden. In
dem Grade, als" die Bildung und der Volksunterricht fortschreitet,
in demselben Grade muß auch die böhmische Literatur eine größere
Ausdehnung und zahlreichere Anhänger im Lande gewinnen. Wollte
man dieses hemmen, so müßte man entweder die Gesetze über den
Volksunterricht aufheben oder dem langbewährten Staatöprincipe
treulos werden, vermöge welchem dem Volke immer die Freiheit sei¬
ner Sprache unbenommen blieb. Da Oestreich keinen dieser beiden
Grundsätze aufzugeben Lust haben kann, so würde ein kleiner Krieg
gegen einzelne Literaten und Wortführer theils der Staatsregierung
unwürdig sein, andrerseits aber nur dazu dienen, eine ewige Reiz¬
barkeit in den Gemüthern zu nähren und kleinen Umständen eine
Wichtigkeit zu geben, die sie nicht verdienen. Hier gilt es einen
entschiedenen und freien Entschluß zu fassen, die einmal angeregte
Bewegung in ihrem Gange auch nicht im Mindesten zu stören; ja
durch einzelne Beförderungen, durch Beweise von Zutrauen die Unbe¬
fangenheit deö Staates zu manifestiren. Der Haß gegen die Deut¬
schen, den man den Böhmen zur Last legt, wird dadurch von selbst
entwaffnet. Oestreich kann die Böhmen moralisch zu der Anerken¬
nung zwingen, daß die Deutschen toleranter sind als sie. Zu den
Zeiten der selbständigsten Macht Böhmens, in der Epoche Carls
III. und Rudolf des 1l. klagten die Böhmen über das kleinste Amt
das er einem Deutschen zuwies. Wenn nun jetzt die deutschen
Staaten des Kaiserthums Repressalien gebrauchen wollten? Die be¬
deutendsten und höchsten Stellen des östreichischen Staates und seiner
Residenz sind mit Böhmen besetzt. Die böhmische Nation kann
hierin den Beweis sehen, daß sie von der Staatsregierung nicht
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