Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

land, eine schriftliche Dissertation, sondern auch, um die eigene Ar¬
beit des Bewerbers bestimmt zu ermitteln, eine unter den Augen ve"
Preisrichter verfaßte Arbeit nebst öffentlicher Vertheidigung der Dis
sertation erfordert.

Es ist noch nicht an der Zeit, über die Ergebnisse der bisse.
rigen Concurse näheren Bericht abzustatten; das Institut ist noch zu
neu, die Wirkungen desselben werden sich erst mit den Jahren er
kennen lassen. Zu den allgemeiner bemerkten Thatsachen im belgischen
Unterrichtswesen kann man jedoch ohne Bedenken das Ueberwiegen
der Realstudien über die classischen rechnen, ein Umstand, der in
dem hiesigen Lande nicht überraschen kann. Eine der erfreulichsten
Thatsachen ist unbestreitbar das wiederauflebende Studium der flä-
mischen Sprache in den Schulanstalten, welches nach der Revolution
durch die Uebermacht des französischen Wesens eine Zeitlang in Still¬
stand gerathen war. Nach den bis jetzt vorgenommenen Prüfungen zu
urtheilen, stehen in diesem Lehrzweig die wallonischen Schüler den
flamcindischen nicht nach, wie es andrerseits eine merkwürdige
Thatsache ist, daß die Schüler flamändischer Gymnasien im Durch"
schnitt in der französischen Sprache den wallonischen gewachsen sind.
So scheint von beiden Seiten eine Durchdringung der fremdartigen
Elemente der zwei Haupttheile des Landes von den Schulen aus
sich zu bewerkstelligen.

Durch die öffentlichen Prüfungen und Preisconcurse erhält das
freie Unterrichtswesen seine natürliche Ergänzung. Der Staat gibt
dadurch Allen, die dabei betheiligt sind, die Mittel an die Hand,
ihr Wirken, wie es sein soll, vor der Nation auszuschließen. Es
wäre gewiß ein großer Verlust für das Volk, wenn die Unterrichts,
freiheit eine Zerstückelung und Jsolirung desselben in den Sälen der
Privatunternehmer, zerstreuter Vereine und einzelner Stände oder
Parteien zur Folge hätte. Das Volk hat Anspruch auf alle Kräfte,
der Stand der Gebildeten jeden Geschäfts hat das Recht, über die
Leistungen deö Lehrwesens Kenntniß zu fordern und ein Urtheil zu
fällen. Nach Oeffentlichkeit strebt und ringt unsere ganze Zeit; in
ihr liegt die größte Macht und Bildungskraft für alle Theile der
gesellschaftlichen Thätigkeit. Das Recht des Urtheils, ein Zuge-
ständniß, welches Einzelne und Einzelvereine der Gesellschaft einräu¬
men, lohnt diese durch die Sanction ihres Vertrauens, durch den


land, eine schriftliche Dissertation, sondern auch, um die eigene Ar¬
beit des Bewerbers bestimmt zu ermitteln, eine unter den Augen ve»
Preisrichter verfaßte Arbeit nebst öffentlicher Vertheidigung der Dis
sertation erfordert.

Es ist noch nicht an der Zeit, über die Ergebnisse der bisse.
rigen Concurse näheren Bericht abzustatten; das Institut ist noch zu
neu, die Wirkungen desselben werden sich erst mit den Jahren er
kennen lassen. Zu den allgemeiner bemerkten Thatsachen im belgischen
Unterrichtswesen kann man jedoch ohne Bedenken das Ueberwiegen
der Realstudien über die classischen rechnen, ein Umstand, der in
dem hiesigen Lande nicht überraschen kann. Eine der erfreulichsten
Thatsachen ist unbestreitbar das wiederauflebende Studium der flä-
mischen Sprache in den Schulanstalten, welches nach der Revolution
durch die Uebermacht des französischen Wesens eine Zeitlang in Still¬
stand gerathen war. Nach den bis jetzt vorgenommenen Prüfungen zu
urtheilen, stehen in diesem Lehrzweig die wallonischen Schüler den
flamcindischen nicht nach, wie es andrerseits eine merkwürdige
Thatsache ist, daß die Schüler flamändischer Gymnasien im Durch»
schnitt in der französischen Sprache den wallonischen gewachsen sind.
So scheint von beiden Seiten eine Durchdringung der fremdartigen
Elemente der zwei Haupttheile des Landes von den Schulen aus
sich zu bewerkstelligen.

Durch die öffentlichen Prüfungen und Preisconcurse erhält das
freie Unterrichtswesen seine natürliche Ergänzung. Der Staat gibt
dadurch Allen, die dabei betheiligt sind, die Mittel an die Hand,
ihr Wirken, wie es sein soll, vor der Nation auszuschließen. Es
wäre gewiß ein großer Verlust für das Volk, wenn die Unterrichts,
freiheit eine Zerstückelung und Jsolirung desselben in den Sälen der
Privatunternehmer, zerstreuter Vereine und einzelner Stände oder
Parteien zur Folge hätte. Das Volk hat Anspruch auf alle Kräfte,
der Stand der Gebildeten jeden Geschäfts hat das Recht, über die
Leistungen deö Lehrwesens Kenntniß zu fordern und ein Urtheil zu
fällen. Nach Oeffentlichkeit strebt und ringt unsere ganze Zeit; in
ihr liegt die größte Macht und Bildungskraft für alle Theile der
gesellschaftlichen Thätigkeit. Das Recht des Urtheils, ein Zuge-
ständniß, welches Einzelne und Einzelvereine der Gesellschaft einräu¬
men, lohnt diese durch die Sanction ihres Vertrauens, durch den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266696"/>
          <p xml:id="ID_182" prev="#ID_181"> land, eine schriftliche Dissertation, sondern auch, um die eigene Ar¬<lb/>
beit des Bewerbers bestimmt zu ermitteln, eine unter den Augen ve»<lb/>
Preisrichter verfaßte Arbeit nebst öffentlicher Vertheidigung der Dis<lb/>
sertation erfordert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_183"> Es ist noch nicht an der Zeit, über die Ergebnisse der bisse.<lb/>
rigen Concurse näheren Bericht abzustatten; das Institut ist noch zu<lb/>
neu, die Wirkungen desselben werden sich erst mit den Jahren er<lb/>
kennen lassen. Zu den allgemeiner bemerkten Thatsachen im belgischen<lb/>
Unterrichtswesen kann man jedoch ohne Bedenken das Ueberwiegen<lb/>
der Realstudien über die classischen rechnen, ein Umstand, der in<lb/>
dem hiesigen Lande nicht überraschen kann. Eine der erfreulichsten<lb/>
Thatsachen ist unbestreitbar das wiederauflebende Studium der flä-<lb/>
mischen Sprache in den Schulanstalten, welches nach der Revolution<lb/>
durch die Uebermacht des französischen Wesens eine Zeitlang in Still¬<lb/>
stand gerathen war. Nach den bis jetzt vorgenommenen Prüfungen zu<lb/>
urtheilen, stehen in diesem Lehrzweig die wallonischen Schüler den<lb/>
flamcindischen nicht nach, wie es andrerseits eine merkwürdige<lb/>
Thatsache ist, daß die Schüler flamändischer Gymnasien im Durch»<lb/>
schnitt in der französischen Sprache den wallonischen gewachsen sind.<lb/>
So scheint von beiden Seiten eine Durchdringung der fremdartigen<lb/>
Elemente der zwei Haupttheile des Landes von den Schulen aus<lb/>
sich zu bewerkstelligen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_184" next="#ID_185"> Durch die öffentlichen Prüfungen und Preisconcurse erhält das<lb/>
freie Unterrichtswesen seine natürliche Ergänzung. Der Staat gibt<lb/>
dadurch Allen, die dabei betheiligt sind, die Mittel an die Hand,<lb/>
ihr Wirken, wie es sein soll, vor der Nation auszuschließen. Es<lb/>
wäre gewiß ein großer Verlust für das Volk, wenn die Unterrichts,<lb/>
freiheit eine Zerstückelung und Jsolirung desselben in den Sälen der<lb/>
Privatunternehmer, zerstreuter Vereine und einzelner Stände oder<lb/>
Parteien zur Folge hätte. Das Volk hat Anspruch auf alle Kräfte,<lb/>
der Stand der Gebildeten jeden Geschäfts hat das Recht, über die<lb/>
Leistungen deö Lehrwesens Kenntniß zu fordern und ein Urtheil zu<lb/>
fällen. Nach Oeffentlichkeit strebt und ringt unsere ganze Zeit; in<lb/>
ihr liegt die größte Macht und Bildungskraft für alle Theile der<lb/>
gesellschaftlichen Thätigkeit. Das Recht des Urtheils, ein Zuge-<lb/>
ständniß, welches Einzelne und Einzelvereine der Gesellschaft einräu¬<lb/>
men, lohnt diese durch die Sanction ihres Vertrauens, durch den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] land, eine schriftliche Dissertation, sondern auch, um die eigene Ar¬ beit des Bewerbers bestimmt zu ermitteln, eine unter den Augen ve» Preisrichter verfaßte Arbeit nebst öffentlicher Vertheidigung der Dis sertation erfordert. Es ist noch nicht an der Zeit, über die Ergebnisse der bisse. rigen Concurse näheren Bericht abzustatten; das Institut ist noch zu neu, die Wirkungen desselben werden sich erst mit den Jahren er kennen lassen. Zu den allgemeiner bemerkten Thatsachen im belgischen Unterrichtswesen kann man jedoch ohne Bedenken das Ueberwiegen der Realstudien über die classischen rechnen, ein Umstand, der in dem hiesigen Lande nicht überraschen kann. Eine der erfreulichsten Thatsachen ist unbestreitbar das wiederauflebende Studium der flä- mischen Sprache in den Schulanstalten, welches nach der Revolution durch die Uebermacht des französischen Wesens eine Zeitlang in Still¬ stand gerathen war. Nach den bis jetzt vorgenommenen Prüfungen zu urtheilen, stehen in diesem Lehrzweig die wallonischen Schüler den flamcindischen nicht nach, wie es andrerseits eine merkwürdige Thatsache ist, daß die Schüler flamändischer Gymnasien im Durch» schnitt in der französischen Sprache den wallonischen gewachsen sind. So scheint von beiden Seiten eine Durchdringung der fremdartigen Elemente der zwei Haupttheile des Landes von den Schulen aus sich zu bewerkstelligen. Durch die öffentlichen Prüfungen und Preisconcurse erhält das freie Unterrichtswesen seine natürliche Ergänzung. Der Staat gibt dadurch Allen, die dabei betheiligt sind, die Mittel an die Hand, ihr Wirken, wie es sein soll, vor der Nation auszuschließen. Es wäre gewiß ein großer Verlust für das Volk, wenn die Unterrichts, freiheit eine Zerstückelung und Jsolirung desselben in den Sälen der Privatunternehmer, zerstreuter Vereine und einzelner Stände oder Parteien zur Folge hätte. Das Volk hat Anspruch auf alle Kräfte, der Stand der Gebildeten jeden Geschäfts hat das Recht, über die Leistungen deö Lehrwesens Kenntniß zu fordern und ein Urtheil zu fällen. Nach Oeffentlichkeit strebt und ringt unsere ganze Zeit; in ihr liegt die größte Macht und Bildungskraft für alle Theile der gesellschaftlichen Thätigkeit. Das Recht des Urtheils, ein Zuge- ständniß, welches Einzelne und Einzelvereine der Gesellschaft einräu¬ men, lohnt diese durch die Sanction ihres Vertrauens, durch den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/79
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/79>, abgerufen am 23.07.2024.