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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Unterrichtsfreiheit d"in öffentlichen Leben einen mächtigen Impuls
gegeben; hier haben Provinzen, Gemeinden und Privatvereine an
die Ausübung dieses Rechtes Hand gelegt, und die Regierung hat
nicht unterlassen, ihnen von ihrer Seite entgegenzukommen; hier ist
diese Freiheit mit dem politischen Dasein und mit den Bewegungen
des öffentlichen Lebens aufs unzertrennlichste verbunden geblieben.
Die Aufhebung dieses wahrhaft nationalen Rechtes müßte entweder
den Staat in die Hände des Clerus, oder die Kirche unter die Ge¬
walt der Staatsregierung bringen; in dem einen wie in dem andern
Falle würde aber die ganze Arbeit von 18Z0, die Constituirung
eines in seinen Gliedern und Ständen unabhängigen Volkes und
Staates vereitelt werden. Daß Belgien, welches durch seine /Revo¬
lution nicht bloß in dem rein politischen, sondern auch in dem sitt¬
lichen Dasein ergriffen und umgeschaffen ist, ein solches Loos nicht
zu befürchten habe, dafür ist ihm der Geist der Freiheit in Glauben,
Lehre und Wort, auf dem seine Unabhängigkeit errichtet ist, der beste
Bürge, davor bewahrt es sich selbst durch den Sinn für Oeffent-
lichkeit und gesetzliches Handeln, gegen den keine Parteibestrebungen
mehr aufkommen können. Wo diese innern und allgemeinen Mächte
einer Volksunabhängigkeit zum Hebel dienen, wo sie einmal zum
thätigen Bewußtsein durchgedrungen sind, da dürfen wir mit Recht
auf einen dauerhaften Bestand, auf eine immer vollere und reinere
Ausbildung der erlangten Selbständigkeit und der Rechte, die sie
begreift, rechnen.

Um die Freiheit des Unterrichts zu würdigen, dürfen wir nicht
übersehen, daß die Quelle und der Inhalt derselben die Freiheit der
Lehre, des Gedankens ist, jenes ewige Recht der Menschen, das
Fundament, worauf die Gesittung der europäischen Volker beruht.
Wo dies ursprüngliche Recht erdrückt ist . da wird bald die Kaste
ihr ertödtendes Regiment einführen, den blinden, alle Sittlichkeit er¬
stickenden Gehorsam. Die Forschung, die Lehre sei frei und bewege
sich unbehindert und unangefeindet, dies ist das erste, nothwendigste
Erfordernis), ohne welches die Freigebung des Unterrichts keinen
Sinn hat, da sie selbst ihren Zweck in nichts Anderem finden kann,
als dem Gedanken den äußeren Spielraum zu eröffnen und sicherzu-
stelle". Nur der Gedanke, als Wissenschaft, ist im Stande, den
Mißbräuche" und der Willkür im Lehrwesen zu steuern; sein eigenstes.


Unterrichtsfreiheit d«in öffentlichen Leben einen mächtigen Impuls
gegeben; hier haben Provinzen, Gemeinden und Privatvereine an
die Ausübung dieses Rechtes Hand gelegt, und die Regierung hat
nicht unterlassen, ihnen von ihrer Seite entgegenzukommen; hier ist
diese Freiheit mit dem politischen Dasein und mit den Bewegungen
des öffentlichen Lebens aufs unzertrennlichste verbunden geblieben.
Die Aufhebung dieses wahrhaft nationalen Rechtes müßte entweder
den Staat in die Hände des Clerus, oder die Kirche unter die Ge¬
walt der Staatsregierung bringen; in dem einen wie in dem andern
Falle würde aber die ganze Arbeit von 18Z0, die Constituirung
eines in seinen Gliedern und Ständen unabhängigen Volkes und
Staates vereitelt werden. Daß Belgien, welches durch seine /Revo¬
lution nicht bloß in dem rein politischen, sondern auch in dem sitt¬
lichen Dasein ergriffen und umgeschaffen ist, ein solches Loos nicht
zu befürchten habe, dafür ist ihm der Geist der Freiheit in Glauben,
Lehre und Wort, auf dem seine Unabhängigkeit errichtet ist, der beste
Bürge, davor bewahrt es sich selbst durch den Sinn für Oeffent-
lichkeit und gesetzliches Handeln, gegen den keine Parteibestrebungen
mehr aufkommen können. Wo diese innern und allgemeinen Mächte
einer Volksunabhängigkeit zum Hebel dienen, wo sie einmal zum
thätigen Bewußtsein durchgedrungen sind, da dürfen wir mit Recht
auf einen dauerhaften Bestand, auf eine immer vollere und reinere
Ausbildung der erlangten Selbständigkeit und der Rechte, die sie
begreift, rechnen.

Um die Freiheit des Unterrichts zu würdigen, dürfen wir nicht
übersehen, daß die Quelle und der Inhalt derselben die Freiheit der
Lehre, des Gedankens ist, jenes ewige Recht der Menschen, das
Fundament, worauf die Gesittung der europäischen Volker beruht.
Wo dies ursprüngliche Recht erdrückt ist . da wird bald die Kaste
ihr ertödtendes Regiment einführen, den blinden, alle Sittlichkeit er¬
stickenden Gehorsam. Die Forschung, die Lehre sei frei und bewege
sich unbehindert und unangefeindet, dies ist das erste, nothwendigste
Erfordernis), ohne welches die Freigebung des Unterrichts keinen
Sinn hat, da sie selbst ihren Zweck in nichts Anderem finden kann,
als dem Gedanken den äußeren Spielraum zu eröffnen und sicherzu-
stelle». Nur der Gedanke, als Wissenschaft, ist im Stande, den
Mißbräuche» und der Willkür im Lehrwesen zu steuern; sein eigenstes.


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[0069] Unterrichtsfreiheit d«in öffentlichen Leben einen mächtigen Impuls gegeben; hier haben Provinzen, Gemeinden und Privatvereine an die Ausübung dieses Rechtes Hand gelegt, und die Regierung hat nicht unterlassen, ihnen von ihrer Seite entgegenzukommen; hier ist diese Freiheit mit dem politischen Dasein und mit den Bewegungen des öffentlichen Lebens aufs unzertrennlichste verbunden geblieben. Die Aufhebung dieses wahrhaft nationalen Rechtes müßte entweder den Staat in die Hände des Clerus, oder die Kirche unter die Ge¬ walt der Staatsregierung bringen; in dem einen wie in dem andern Falle würde aber die ganze Arbeit von 18Z0, die Constituirung eines in seinen Gliedern und Ständen unabhängigen Volkes und Staates vereitelt werden. Daß Belgien, welches durch seine /Revo¬ lution nicht bloß in dem rein politischen, sondern auch in dem sitt¬ lichen Dasein ergriffen und umgeschaffen ist, ein solches Loos nicht zu befürchten habe, dafür ist ihm der Geist der Freiheit in Glauben, Lehre und Wort, auf dem seine Unabhängigkeit errichtet ist, der beste Bürge, davor bewahrt es sich selbst durch den Sinn für Oeffent- lichkeit und gesetzliches Handeln, gegen den keine Parteibestrebungen mehr aufkommen können. Wo diese innern und allgemeinen Mächte einer Volksunabhängigkeit zum Hebel dienen, wo sie einmal zum thätigen Bewußtsein durchgedrungen sind, da dürfen wir mit Recht auf einen dauerhaften Bestand, auf eine immer vollere und reinere Ausbildung der erlangten Selbständigkeit und der Rechte, die sie begreift, rechnen. Um die Freiheit des Unterrichts zu würdigen, dürfen wir nicht übersehen, daß die Quelle und der Inhalt derselben die Freiheit der Lehre, des Gedankens ist, jenes ewige Recht der Menschen, das Fundament, worauf die Gesittung der europäischen Volker beruht. Wo dies ursprüngliche Recht erdrückt ist . da wird bald die Kaste ihr ertödtendes Regiment einführen, den blinden, alle Sittlichkeit er¬ stickenden Gehorsam. Die Forschung, die Lehre sei frei und bewege sich unbehindert und unangefeindet, dies ist das erste, nothwendigste Erfordernis), ohne welches die Freigebung des Unterrichts keinen Sinn hat, da sie selbst ihren Zweck in nichts Anderem finden kann, als dem Gedanken den äußeren Spielraum zu eröffnen und sicherzu- stelle». Nur der Gedanke, als Wissenschaft, ist im Stande, den Mißbräuche» und der Willkür im Lehrwesen zu steuern; sein eigenstes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/69>, abgerufen am 23.07.2024.