Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Theodor Körner, der Jäger und Sänger von Lützow's wilder, ver¬
wegener Jagd.

Bald aber erwachte auch in dem jungen Polen der Geschmack
zur die Poesie und errang sich das Uebergewicht vor allen seinen
/indem Neigungen. Sein Vater, ein großer Bewunderer von Jo¬
hann Kochanowski, den die Polen als ihren berühmtesten Dichter
och sechzehnten Jahrhunderts betrachten, machte zuweilen Verse.
Der Knabe lauschte gierig auf die Worte des sie vorlesenden Va¬
ters und bald schrieb er selbst, angeregt durch einen Brand, der in
seinem kleinen Städtchen ausbrach, einige Strophen hierüber, in de¬
nen schon die ersten Keime jenes beschreibenden Talentes glänzend
an den Tag traten, das er später in so hohem Grade ausgebil¬
det hat.

Nachdem er auf dem Gymnasium zu Minsk seine Vorstudien
,certet hatte, bezog er 1815 in einem Alter von siebzehn Jahren
)le Universität Wilna und wollte sich dort der Mathematik und den
Naturwissenschaften widmen, welche unter andern ein entfernter Ver¬
wandter seines Vaters, Abb" Mickiewtcz, lehrte. Ehe er an der
Facultät inscribirt wurde, hatte er gleich allen andern von den
Gymnasien Ankommenden eine Fähigkeitsprüsung zu bestehen. Er
wartete mit einer Anzahl anderer ebenfalls zur Prüfung beschiede-
nen neuen Ankömmlinge in einem Vorsaale, bis an ihn die Reihe
kam und war daselbst zufällig neben einen jungen Mann von blei¬
chem Gesichte, träumerischem und nachdenklichen Auge und edler,
ausgezeichneter Haltung zu sitzen gekommen. Durch eine jener eben
so unerklärlichen als unwiderstehlichen geheimen Sympathien fühlte
er sich zu seinem Nachbar hingezogen. Bald waren die beiden jun"
gen Leute in ein lebhaftes Gespräch gerathen und kaum waren ei¬
nige Tage verflossen, so waren sie schon in Folge einer seltenen
Uebereinstimmung in Ansichten und Gefühlen unzertrennliche Freunde
geworden. Adam Mickiewicz'S neuer Vertrauter war Thomas Zan,
einer jener Märtyrer ihrer politischen Glaubenstreue, dessen Namen
in den Annalen der Wilnaer Universität unter den glänzendsten
strahlt und der späterhin von dem Dichter, der Kerker und Entbeh¬
rungen mit ihm theilte, in dem dritten Theil seiner "Dziady" ver¬
herrlicht und unsterblich gemacht ward.

Wie gesagt, studirte Mickiewicz in der ersten Zeit seines Auf-


Theodor Körner, der Jäger und Sänger von Lützow's wilder, ver¬
wegener Jagd.

Bald aber erwachte auch in dem jungen Polen der Geschmack
zur die Poesie und errang sich das Uebergewicht vor allen seinen
/indem Neigungen. Sein Vater, ein großer Bewunderer von Jo¬
hann Kochanowski, den die Polen als ihren berühmtesten Dichter
och sechzehnten Jahrhunderts betrachten, machte zuweilen Verse.
Der Knabe lauschte gierig auf die Worte des sie vorlesenden Va¬
ters und bald schrieb er selbst, angeregt durch einen Brand, der in
seinem kleinen Städtchen ausbrach, einige Strophen hierüber, in de¬
nen schon die ersten Keime jenes beschreibenden Talentes glänzend
an den Tag traten, das er später in so hohem Grade ausgebil¬
det hat.

Nachdem er auf dem Gymnasium zu Minsk seine Vorstudien
,certet hatte, bezog er 1815 in einem Alter von siebzehn Jahren
)le Universität Wilna und wollte sich dort der Mathematik und den
Naturwissenschaften widmen, welche unter andern ein entfernter Ver¬
wandter seines Vaters, Abb« Mickiewtcz, lehrte. Ehe er an der
Facultät inscribirt wurde, hatte er gleich allen andern von den
Gymnasien Ankommenden eine Fähigkeitsprüsung zu bestehen. Er
wartete mit einer Anzahl anderer ebenfalls zur Prüfung beschiede-
nen neuen Ankömmlinge in einem Vorsaale, bis an ihn die Reihe
kam und war daselbst zufällig neben einen jungen Mann von blei¬
chem Gesichte, träumerischem und nachdenklichen Auge und edler,
ausgezeichneter Haltung zu sitzen gekommen. Durch eine jener eben
so unerklärlichen als unwiderstehlichen geheimen Sympathien fühlte
er sich zu seinem Nachbar hingezogen. Bald waren die beiden jun«
gen Leute in ein lebhaftes Gespräch gerathen und kaum waren ei¬
nige Tage verflossen, so waren sie schon in Folge einer seltenen
Uebereinstimmung in Ansichten und Gefühlen unzertrennliche Freunde
geworden. Adam Mickiewicz'S neuer Vertrauter war Thomas Zan,
einer jener Märtyrer ihrer politischen Glaubenstreue, dessen Namen
in den Annalen der Wilnaer Universität unter den glänzendsten
strahlt und der späterhin von dem Dichter, der Kerker und Entbeh¬
rungen mit ihm theilte, in dem dritten Theil seiner „Dziady" ver¬
herrlicht und unsterblich gemacht ward.

Wie gesagt, studirte Mickiewicz in der ersten Zeit seines Auf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267168"/>
            <p xml:id="ID_1515" prev="#ID_1514"> Theodor Körner, der Jäger und Sänger von Lützow's wilder, ver¬<lb/>
wegener Jagd.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1516"> Bald aber erwachte auch in dem jungen Polen der Geschmack<lb/>
zur die Poesie und errang sich das Uebergewicht vor allen seinen<lb/>
/indem Neigungen. Sein Vater, ein großer Bewunderer von Jo¬<lb/>
hann Kochanowski, den die Polen als ihren berühmtesten Dichter<lb/>
och sechzehnten Jahrhunderts betrachten, machte zuweilen Verse.<lb/>
Der Knabe lauschte gierig auf die Worte des sie vorlesenden Va¬<lb/>
ters und bald schrieb er selbst, angeregt durch einen Brand, der in<lb/>
seinem kleinen Städtchen ausbrach, einige Strophen hierüber, in de¬<lb/>
nen schon die ersten Keime jenes beschreibenden Talentes glänzend<lb/>
an den Tag traten, das er später in so hohem Grade ausgebil¬<lb/>
det hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1517"> Nachdem er auf dem Gymnasium zu Minsk seine Vorstudien<lb/>
,certet hatte, bezog er 1815 in einem Alter von siebzehn Jahren<lb/>
)le Universität Wilna und wollte sich dort der Mathematik und den<lb/>
Naturwissenschaften widmen, welche unter andern ein entfernter Ver¬<lb/>
wandter seines Vaters, Abb« Mickiewtcz, lehrte. Ehe er an der<lb/>
Facultät inscribirt wurde, hatte er gleich allen andern von den<lb/>
Gymnasien Ankommenden eine Fähigkeitsprüsung zu bestehen. Er<lb/>
wartete mit einer Anzahl anderer ebenfalls zur Prüfung beschiede-<lb/>
nen neuen Ankömmlinge in einem Vorsaale, bis an ihn die Reihe<lb/>
kam und war daselbst zufällig neben einen jungen Mann von blei¬<lb/>
chem Gesichte, träumerischem und nachdenklichen Auge und edler,<lb/>
ausgezeichneter Haltung zu sitzen gekommen. Durch eine jener eben<lb/>
so unerklärlichen als unwiderstehlichen geheimen Sympathien fühlte<lb/>
er sich zu seinem Nachbar hingezogen. Bald waren die beiden jun«<lb/>
gen Leute in ein lebhaftes Gespräch gerathen und kaum waren ei¬<lb/>
nige Tage verflossen, so waren sie schon in Folge einer seltenen<lb/>
Uebereinstimmung in Ansichten und Gefühlen unzertrennliche Freunde<lb/>
geworden. Adam Mickiewicz'S neuer Vertrauter war Thomas Zan,<lb/>
einer jener Märtyrer ihrer politischen Glaubenstreue, dessen Namen<lb/>
in den Annalen der Wilnaer Universität unter den glänzendsten<lb/>
strahlt und der späterhin von dem Dichter, der Kerker und Entbeh¬<lb/>
rungen mit ihm theilte, in dem dritten Theil seiner &#x201E;Dziady" ver¬<lb/>
herrlicht und unsterblich gemacht ward.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1518" next="#ID_1519"> Wie gesagt, studirte Mickiewicz in der ersten Zeit seines Auf-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0551] Theodor Körner, der Jäger und Sänger von Lützow's wilder, ver¬ wegener Jagd. Bald aber erwachte auch in dem jungen Polen der Geschmack zur die Poesie und errang sich das Uebergewicht vor allen seinen /indem Neigungen. Sein Vater, ein großer Bewunderer von Jo¬ hann Kochanowski, den die Polen als ihren berühmtesten Dichter och sechzehnten Jahrhunderts betrachten, machte zuweilen Verse. Der Knabe lauschte gierig auf die Worte des sie vorlesenden Va¬ ters und bald schrieb er selbst, angeregt durch einen Brand, der in seinem kleinen Städtchen ausbrach, einige Strophen hierüber, in de¬ nen schon die ersten Keime jenes beschreibenden Talentes glänzend an den Tag traten, das er später in so hohem Grade ausgebil¬ det hat. Nachdem er auf dem Gymnasium zu Minsk seine Vorstudien ,certet hatte, bezog er 1815 in einem Alter von siebzehn Jahren )le Universität Wilna und wollte sich dort der Mathematik und den Naturwissenschaften widmen, welche unter andern ein entfernter Ver¬ wandter seines Vaters, Abb« Mickiewtcz, lehrte. Ehe er an der Facultät inscribirt wurde, hatte er gleich allen andern von den Gymnasien Ankommenden eine Fähigkeitsprüsung zu bestehen. Er wartete mit einer Anzahl anderer ebenfalls zur Prüfung beschiede- nen neuen Ankömmlinge in einem Vorsaale, bis an ihn die Reihe kam und war daselbst zufällig neben einen jungen Mann von blei¬ chem Gesichte, träumerischem und nachdenklichen Auge und edler, ausgezeichneter Haltung zu sitzen gekommen. Durch eine jener eben so unerklärlichen als unwiderstehlichen geheimen Sympathien fühlte er sich zu seinem Nachbar hingezogen. Bald waren die beiden jun« gen Leute in ein lebhaftes Gespräch gerathen und kaum waren ei¬ nige Tage verflossen, so waren sie schon in Folge einer seltenen Uebereinstimmung in Ansichten und Gefühlen unzertrennliche Freunde geworden. Adam Mickiewicz'S neuer Vertrauter war Thomas Zan, einer jener Märtyrer ihrer politischen Glaubenstreue, dessen Namen in den Annalen der Wilnaer Universität unter den glänzendsten strahlt und der späterhin von dem Dichter, der Kerker und Entbeh¬ rungen mit ihm theilte, in dem dritten Theil seiner „Dziady" ver¬ herrlicht und unsterblich gemacht ward. Wie gesagt, studirte Mickiewicz in der ersten Zeit seines Auf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/551
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/551>, abgerufen am 23.07.2024.