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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Am selben Abend sollte eine Truppe von Liebhabern in einem
der Säle des Palastes eine Aufführung geben, deren Programm,
aus dem Barbier von Sevilla und, wie ich glaube, einem
damals an der Tagesordnung schimmernden Vaudeville, der un¬
terbrochene Tanz bestand. Prinz Koslowöki hatte mir angebo¬
ten, mich in die kaiserliche Burg mitzunehmen. Neugierig, die Phy¬
siognomie der erlauchten Versammlung zu studiren und auch in der
Hoffnung, einige neue Details über das große Ereigniß einzusam¬
meln, hatte ich eingewilligt. Die Gesellschaft war eben so zahl¬
reich, eben so glänzend als gewöhnlich. Aber eS war schon nicht
mehr die sorglose Ruhe des vorigen Tages. Einige, wenn auch
noch leichte Wölkchen lagerten sich um jede Stirn. Hie und da
hatten sich Gruppen gebildet. Man sprach rin lebhafter Wärme
über die Folgen dieser Flucht hin und her.

"Er kann den englischen Kreuzern nicht entfliehen," sagte der
Eine.

"Pozzo ti Borg" hat versichert," erwiederte der Andere, "wenn
er den Fuß auf Frankreichs Boden setze, werde er am ersten Baumast
aufgeknüpft werden."

So schien sich ein Zeder der lastenden Wirklichkeit des Erwa¬
chens aus dem bisherigen Traume entziehen zu wollen.

"Wir können uns Glück wünschen," sagten einige Anhänger
der italienischen Bourbons. "In Wahrheit, Buonaparte dient uns
ganz nach Wunsche. Er kann nur nach Neapel zu seine Richtung
nehmen. So wird sich der Congreß in die Nothwendigkeit versetzt
sehen, endlich Maßregeln zur Vertreibung Murat's, dieses Eindring¬
lings und Usurpators, zu nehmen."

Indessen hatte die Kaiserin von Oesterreich das Zeichen zum
Anfang gegeben; man nimmt Platz, der Vorhang gehr in die
Höhe.

"Wir wollen sehen," sagte ich zum Prinzen Koslowöki, "ob
dieser Vorfall, den man so wenig voraussehen konnte, in die er¬
lauchte komische Bande Unordnung und Verwirrung gebracht hat/'

"Sie täuschen sich gar sehr, wenn Sie das glauben. Um diese
hartnäckigen Schläfer aufzustören, müßte Hannibal "illo >,ortg,8 sein,
müßten die Kanonen des Kaisers wiederum vor Wien's Mauern
ihren Donner ertönen lassen. Die Nachricht kam heute Morgen zu


Am selben Abend sollte eine Truppe von Liebhabern in einem
der Säle des Palastes eine Aufführung geben, deren Programm,
aus dem Barbier von Sevilla und, wie ich glaube, einem
damals an der Tagesordnung schimmernden Vaudeville, der un¬
terbrochene Tanz bestand. Prinz Koslowöki hatte mir angebo¬
ten, mich in die kaiserliche Burg mitzunehmen. Neugierig, die Phy¬
siognomie der erlauchten Versammlung zu studiren und auch in der
Hoffnung, einige neue Details über das große Ereigniß einzusam¬
meln, hatte ich eingewilligt. Die Gesellschaft war eben so zahl¬
reich, eben so glänzend als gewöhnlich. Aber eS war schon nicht
mehr die sorglose Ruhe des vorigen Tages. Einige, wenn auch
noch leichte Wölkchen lagerten sich um jede Stirn. Hie und da
hatten sich Gruppen gebildet. Man sprach rin lebhafter Wärme
über die Folgen dieser Flucht hin und her.

„Er kann den englischen Kreuzern nicht entfliehen," sagte der
Eine.

„Pozzo ti Borg» hat versichert," erwiederte der Andere, „wenn
er den Fuß auf Frankreichs Boden setze, werde er am ersten Baumast
aufgeknüpft werden."

So schien sich ein Zeder der lastenden Wirklichkeit des Erwa¬
chens aus dem bisherigen Traume entziehen zu wollen.

„Wir können uns Glück wünschen," sagten einige Anhänger
der italienischen Bourbons. „In Wahrheit, Buonaparte dient uns
ganz nach Wunsche. Er kann nur nach Neapel zu seine Richtung
nehmen. So wird sich der Congreß in die Nothwendigkeit versetzt
sehen, endlich Maßregeln zur Vertreibung Murat's, dieses Eindring¬
lings und Usurpators, zu nehmen."

Indessen hatte die Kaiserin von Oesterreich das Zeichen zum
Anfang gegeben; man nimmt Platz, der Vorhang gehr in die
Höhe.

„Wir wollen sehen," sagte ich zum Prinzen Koslowöki, „ob
dieser Vorfall, den man so wenig voraussehen konnte, in die er¬
lauchte komische Bande Unordnung und Verwirrung gebracht hat/'

„Sie täuschen sich gar sehr, wenn Sie das glauben. Um diese
hartnäckigen Schläfer aufzustören, müßte Hannibal »illo >,ortg,8 sein,
müßten die Kanonen des Kaisers wiederum vor Wien's Mauern
ihren Donner ertönen lassen. Die Nachricht kam heute Morgen zu


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[0520] Am selben Abend sollte eine Truppe von Liebhabern in einem der Säle des Palastes eine Aufführung geben, deren Programm, aus dem Barbier von Sevilla und, wie ich glaube, einem damals an der Tagesordnung schimmernden Vaudeville, der un¬ terbrochene Tanz bestand. Prinz Koslowöki hatte mir angebo¬ ten, mich in die kaiserliche Burg mitzunehmen. Neugierig, die Phy¬ siognomie der erlauchten Versammlung zu studiren und auch in der Hoffnung, einige neue Details über das große Ereigniß einzusam¬ meln, hatte ich eingewilligt. Die Gesellschaft war eben so zahl¬ reich, eben so glänzend als gewöhnlich. Aber eS war schon nicht mehr die sorglose Ruhe des vorigen Tages. Einige, wenn auch noch leichte Wölkchen lagerten sich um jede Stirn. Hie und da hatten sich Gruppen gebildet. Man sprach rin lebhafter Wärme über die Folgen dieser Flucht hin und her. „Er kann den englischen Kreuzern nicht entfliehen," sagte der Eine. „Pozzo ti Borg» hat versichert," erwiederte der Andere, „wenn er den Fuß auf Frankreichs Boden setze, werde er am ersten Baumast aufgeknüpft werden." So schien sich ein Zeder der lastenden Wirklichkeit des Erwa¬ chens aus dem bisherigen Traume entziehen zu wollen. „Wir können uns Glück wünschen," sagten einige Anhänger der italienischen Bourbons. „In Wahrheit, Buonaparte dient uns ganz nach Wunsche. Er kann nur nach Neapel zu seine Richtung nehmen. So wird sich der Congreß in die Nothwendigkeit versetzt sehen, endlich Maßregeln zur Vertreibung Murat's, dieses Eindring¬ lings und Usurpators, zu nehmen." Indessen hatte die Kaiserin von Oesterreich das Zeichen zum Anfang gegeben; man nimmt Platz, der Vorhang gehr in die Höhe. „Wir wollen sehen," sagte ich zum Prinzen Koslowöki, „ob dieser Vorfall, den man so wenig voraussehen konnte, in die er¬ lauchte komische Bande Unordnung und Verwirrung gebracht hat/' „Sie täuschen sich gar sehr, wenn Sie das glauben. Um diese hartnäckigen Schläfer aufzustören, müßte Hannibal »illo >,ortg,8 sein, müßten die Kanonen des Kaisers wiederum vor Wien's Mauern ihren Donner ertönen lassen. Die Nachricht kam heute Morgen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/520>, abgerufen am 23.07.2024.