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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sich in den Schränken einer Art von Gravität, welche der Wich-
tigkeit ihrer Stellung angemessen war. Wen" ich mjch heute an
ihre so ruhige und so würdevolle Haltung erinnere, so finde ich
darin einen Beweggrund der Erkenntlichkeit gegen diese Männer,
die damals so viel für Frankreich gethan und für welche der Tag
der geschichtlichen Anerkennung noch nicht gekommen zu sein scheint.

Die große Neuigkeit, welche mir Upsilanti am Morgen mit¬
getheilt,. ward mir vom Prinzen Koölowski bestätigt. Napoleon
hatte wirklich die Insel Elba verlassen. Der Herr und der Gefan¬
gene Europas, wie man ihn so kräftig und bezeichnend genannt
hat, war aus seinem Gefängnisse herausgetreten, bewaffnet mit sei¬
nem Ruhme. Er hatte einem schwachen Kahne Cäsar und sein
Glück anvertraut.

Die Neuigkeit, sagte mir Koölowski, ist durch einen Courier
Hieher gekommen, den Lord Burgheß von Florenz aus abgeschickt
hat. Ihm hatte sie der englische Consul in Livorno mitgetheilt.
Lord Stewart, der sie hier erhielt, benachrichtigte sofort Herrn von
Metternich und die regierenden Häupter. Die Minister der Gro߬
mächte sind dann sofort in Kunde davon gehest worden. Bisher
weiß man noch nicht, welchen Weg Napoleon eingeschlagen hat.
Begiebt er sich nach Frankreich? Will er, wie man glaubt, nach
Nordamerika gelangen? Man verliert sich in Vermuthungen. Aber
wer wird ihn vor dem Ungewitter bewahren, das sich grollend über
seinem Haupte anhäuft? Wird das Schicksal einen leitenden Faden
an seine Stirn heften, der den Sturm von ihm abwehrt?.....
Die hohen Lenker des Congresses wünschen, man möge die Nach¬
richt so lange möglichst geheim halten, bis sie einige durch die ge¬
wichtigen, inhaltsschweren Umstände nothwendig gewordene Ma߬
regeln werden getroffen haben.

War nun das Geheimniß wirklich gut bewahrt worden, oder
trug der Rausch des Vergnügens noch den Sieg davon, -- kurz
die Stadt Wien halte ihr gewöhnliches Aussehen beibehalten. Die
Wälle und die Leopvldsvorstadt, welche nach dem Prater führt, wa¬
rm übersä't mit Spaziergängern, die sich ungeduldig nach dem Ge-
nuß der ersten Frühlingssonnenstrahlen sehnten. Noch war kein
Anzeichen davon, daß der ferne Donnerschlag auch hier sein Echo ge>
funden habe; überall herrschte sorglose Fröhlichkeit.


sich in den Schränken einer Art von Gravität, welche der Wich-
tigkeit ihrer Stellung angemessen war. Wen» ich mjch heute an
ihre so ruhige und so würdevolle Haltung erinnere, so finde ich
darin einen Beweggrund der Erkenntlichkeit gegen diese Männer,
die damals so viel für Frankreich gethan und für welche der Tag
der geschichtlichen Anerkennung noch nicht gekommen zu sein scheint.

Die große Neuigkeit, welche mir Upsilanti am Morgen mit¬
getheilt,. ward mir vom Prinzen Koölowski bestätigt. Napoleon
hatte wirklich die Insel Elba verlassen. Der Herr und der Gefan¬
gene Europas, wie man ihn so kräftig und bezeichnend genannt
hat, war aus seinem Gefängnisse herausgetreten, bewaffnet mit sei¬
nem Ruhme. Er hatte einem schwachen Kahne Cäsar und sein
Glück anvertraut.

Die Neuigkeit, sagte mir Koölowski, ist durch einen Courier
Hieher gekommen, den Lord Burgheß von Florenz aus abgeschickt
hat. Ihm hatte sie der englische Consul in Livorno mitgetheilt.
Lord Stewart, der sie hier erhielt, benachrichtigte sofort Herrn von
Metternich und die regierenden Häupter. Die Minister der Gro߬
mächte sind dann sofort in Kunde davon gehest worden. Bisher
weiß man noch nicht, welchen Weg Napoleon eingeschlagen hat.
Begiebt er sich nach Frankreich? Will er, wie man glaubt, nach
Nordamerika gelangen? Man verliert sich in Vermuthungen. Aber
wer wird ihn vor dem Ungewitter bewahren, das sich grollend über
seinem Haupte anhäuft? Wird das Schicksal einen leitenden Faden
an seine Stirn heften, der den Sturm von ihm abwehrt?.....
Die hohen Lenker des Congresses wünschen, man möge die Nach¬
richt so lange möglichst geheim halten, bis sie einige durch die ge¬
wichtigen, inhaltsschweren Umstände nothwendig gewordene Ma߬
regeln werden getroffen haben.

War nun das Geheimniß wirklich gut bewahrt worden, oder
trug der Rausch des Vergnügens noch den Sieg davon, — kurz
die Stadt Wien halte ihr gewöhnliches Aussehen beibehalten. Die
Wälle und die Leopvldsvorstadt, welche nach dem Prater führt, wa¬
rm übersä't mit Spaziergängern, die sich ungeduldig nach dem Ge-
nuß der ersten Frühlingssonnenstrahlen sehnten. Noch war kein
Anzeichen davon, daß der ferne Donnerschlag auch hier sein Echo ge>
funden habe; überall herrschte sorglose Fröhlichkeit.


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[0519] sich in den Schränken einer Art von Gravität, welche der Wich- tigkeit ihrer Stellung angemessen war. Wen» ich mjch heute an ihre so ruhige und so würdevolle Haltung erinnere, so finde ich darin einen Beweggrund der Erkenntlichkeit gegen diese Männer, die damals so viel für Frankreich gethan und für welche der Tag der geschichtlichen Anerkennung noch nicht gekommen zu sein scheint. Die große Neuigkeit, welche mir Upsilanti am Morgen mit¬ getheilt,. ward mir vom Prinzen Koölowski bestätigt. Napoleon hatte wirklich die Insel Elba verlassen. Der Herr und der Gefan¬ gene Europas, wie man ihn so kräftig und bezeichnend genannt hat, war aus seinem Gefängnisse herausgetreten, bewaffnet mit sei¬ nem Ruhme. Er hatte einem schwachen Kahne Cäsar und sein Glück anvertraut. Die Neuigkeit, sagte mir Koölowski, ist durch einen Courier Hieher gekommen, den Lord Burgheß von Florenz aus abgeschickt hat. Ihm hatte sie der englische Consul in Livorno mitgetheilt. Lord Stewart, der sie hier erhielt, benachrichtigte sofort Herrn von Metternich und die regierenden Häupter. Die Minister der Gro߬ mächte sind dann sofort in Kunde davon gehest worden. Bisher weiß man noch nicht, welchen Weg Napoleon eingeschlagen hat. Begiebt er sich nach Frankreich? Will er, wie man glaubt, nach Nordamerika gelangen? Man verliert sich in Vermuthungen. Aber wer wird ihn vor dem Ungewitter bewahren, das sich grollend über seinem Haupte anhäuft? Wird das Schicksal einen leitenden Faden an seine Stirn heften, der den Sturm von ihm abwehrt?..... Die hohen Lenker des Congresses wünschen, man möge die Nach¬ richt so lange möglichst geheim halten, bis sie einige durch die ge¬ wichtigen, inhaltsschweren Umstände nothwendig gewordene Ma߬ regeln werden getroffen haben. War nun das Geheimniß wirklich gut bewahrt worden, oder trug der Rausch des Vergnügens noch den Sieg davon, — kurz die Stadt Wien halte ihr gewöhnliches Aussehen beibehalten. Die Wälle und die Leopvldsvorstadt, welche nach dem Prater führt, wa¬ rm übersä't mit Spaziergängern, die sich ungeduldig nach dem Ge- nuß der ersten Frühlingssonnenstrahlen sehnten. Noch war kein Anzeichen davon, daß der ferne Donnerschlag auch hier sein Echo ge> funden habe; überall herrschte sorglose Fröhlichkeit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/519>, abgerufen am 23.07.2024.