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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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melreichS, das sich nicht "in einem allgemeinen ans sich selbst zu
erringenden Besserwerden des Menschen erschließe." Ein ziemlich
gesunder Gedanke, etwas kirchenvätrisch, sehr genievoll. Ueberhaupt
traue ich diesem Herrn v. Maltzahn viel religiösen Sinn zu, glaube
sogar, daß er ein sehr frommer Mann ist; aber daß er ebenso hei¬
misch in mecklenburgischen Angelegenheiten sei, wie er es dem An¬
scheine nach in der Bibel ist, kann mir nicht einleuchten, und wenn
ich vierzehn Tage lang hier invIclonlini-xionLes studire, so will ich,
das versichere ich ihm, ein noch zweimal so dickes Buch über mecklen¬
burgische Beziehungen nach beiden Hemisphären zusammenschreiben,
das obendrein noch gesäubert sein soll von all solchen Abschweifun¬
gen nach allen Gegenden der Geschichte, der Religion und ihren
Zwecken.

Revolution und Franzosenthum hält (In)nil,i!o dinen!)
der fromme Herr v. Maltzahn für Abfall von Christo! Nach
diesem Maßstab müßte man Deutschthum und deutsche Treue für
blinden Ammenglauben und gespenstischen NachtmüizenterrorismuS
halten. --Hinsichtlich des RevolntionSwesenS hat nun der Verfasser
wohl insofern einigermaßen recht, als der Geist auch des Revolutio--
nairö ursprungsgemäß dem Himmel angehörte, er sich aber von dem
Himmel irdischer Ruhe und gesetzlicher Subordination dem Gottsei¬
beiuns der Unzufriedenheit in die Arme warf. Und doch, auch in
dem Geist des wirklichen Revolutionärs, des Zerbrechers aller
Schranken der Tyrannei und der bürgerlichen Ordnung, kann eine,
wenn auch nicht gebilligte Verehrung Gottes wohnen; sein Ver¬
brechen entspringt nicht aus seiner Gedankens olle, sondern aus der
ihm eigenthümlichen Werkstätte eines ruhelosen Gemüths, daS die
weltliche Macht nicht in ihrem Zweck und Ursprung erkennt, und
mit der Waffe des MenschenrechtS strafen zu können glaubt. --
Herr v. Maltzahn und ich sind demnach sehr verschiedener Meinung,
um so mehr, als er Seite 5 seiner Brochure sagt: "man darf
sich nicht verhehlen, wie die Revolution diesem Abfall von
Christus hingegeben ist." -- Ich glaube, er sieht alle neueren
Tendenzen insgesammt für Teufelscingebungen an, und läßt deshalb
kummervoll zum jüngsten Gericht blasen. Das Franzosenvolk hält
er gar für Dämonenpack, weil er behauptet, "ihr Wesen wurzle
im Abfall von Gott.


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melreichS, das sich nicht „in einem allgemeinen ans sich selbst zu
erringenden Besserwerden des Menschen erschließe." Ein ziemlich
gesunder Gedanke, etwas kirchenvätrisch, sehr genievoll. Ueberhaupt
traue ich diesem Herrn v. Maltzahn viel religiösen Sinn zu, glaube
sogar, daß er ein sehr frommer Mann ist; aber daß er ebenso hei¬
misch in mecklenburgischen Angelegenheiten sei, wie er es dem An¬
scheine nach in der Bibel ist, kann mir nicht einleuchten, und wenn
ich vierzehn Tage lang hier invIclonlini-xionLes studire, so will ich,
das versichere ich ihm, ein noch zweimal so dickes Buch über mecklen¬
burgische Beziehungen nach beiden Hemisphären zusammenschreiben,
das obendrein noch gesäubert sein soll von all solchen Abschweifun¬
gen nach allen Gegenden der Geschichte, der Religion und ihren
Zwecken.

Revolution und Franzosenthum hält (In)nil,i!o dinen!)
der fromme Herr v. Maltzahn für Abfall von Christo! Nach
diesem Maßstab müßte man Deutschthum und deutsche Treue für
blinden Ammenglauben und gespenstischen NachtmüizenterrorismuS
halten. —Hinsichtlich des RevolntionSwesenS hat nun der Verfasser
wohl insofern einigermaßen recht, als der Geist auch des Revolutio--
nairö ursprungsgemäß dem Himmel angehörte, er sich aber von dem
Himmel irdischer Ruhe und gesetzlicher Subordination dem Gottsei¬
beiuns der Unzufriedenheit in die Arme warf. Und doch, auch in
dem Geist des wirklichen Revolutionärs, des Zerbrechers aller
Schranken der Tyrannei und der bürgerlichen Ordnung, kann eine,
wenn auch nicht gebilligte Verehrung Gottes wohnen; sein Ver¬
brechen entspringt nicht aus seiner Gedankens olle, sondern aus der
ihm eigenthümlichen Werkstätte eines ruhelosen Gemüths, daS die
weltliche Macht nicht in ihrem Zweck und Ursprung erkennt, und
mit der Waffe des MenschenrechtS strafen zu können glaubt. —
Herr v. Maltzahn und ich sind demnach sehr verschiedener Meinung,
um so mehr, als er Seite 5 seiner Brochure sagt: „man darf
sich nicht verhehlen, wie die Revolution diesem Abfall von
Christus hingegeben ist." — Ich glaube, er sieht alle neueren
Tendenzen insgesammt für Teufelscingebungen an, und läßt deshalb
kummervoll zum jüngsten Gericht blasen. Das Franzosenvolk hält
er gar für Dämonenpack, weil er behauptet, „ihr Wesen wurzle
im Abfall von Gott.


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[0515] melreichS, das sich nicht „in einem allgemeinen ans sich selbst zu erringenden Besserwerden des Menschen erschließe." Ein ziemlich gesunder Gedanke, etwas kirchenvätrisch, sehr genievoll. Ueberhaupt traue ich diesem Herrn v. Maltzahn viel religiösen Sinn zu, glaube sogar, daß er ein sehr frommer Mann ist; aber daß er ebenso hei¬ misch in mecklenburgischen Angelegenheiten sei, wie er es dem An¬ scheine nach in der Bibel ist, kann mir nicht einleuchten, und wenn ich vierzehn Tage lang hier invIclonlini-xionLes studire, so will ich, das versichere ich ihm, ein noch zweimal so dickes Buch über mecklen¬ burgische Beziehungen nach beiden Hemisphären zusammenschreiben, das obendrein noch gesäubert sein soll von all solchen Abschweifun¬ gen nach allen Gegenden der Geschichte, der Religion und ihren Zwecken. Revolution und Franzosenthum hält (In)nil,i!o dinen!) der fromme Herr v. Maltzahn für Abfall von Christo! Nach diesem Maßstab müßte man Deutschthum und deutsche Treue für blinden Ammenglauben und gespenstischen NachtmüizenterrorismuS halten. —Hinsichtlich des RevolntionSwesenS hat nun der Verfasser wohl insofern einigermaßen recht, als der Geist auch des Revolutio-- nairö ursprungsgemäß dem Himmel angehörte, er sich aber von dem Himmel irdischer Ruhe und gesetzlicher Subordination dem Gottsei¬ beiuns der Unzufriedenheit in die Arme warf. Und doch, auch in dem Geist des wirklichen Revolutionärs, des Zerbrechers aller Schranken der Tyrannei und der bürgerlichen Ordnung, kann eine, wenn auch nicht gebilligte Verehrung Gottes wohnen; sein Ver¬ brechen entspringt nicht aus seiner Gedankens olle, sondern aus der ihm eigenthümlichen Werkstätte eines ruhelosen Gemüths, daS die weltliche Macht nicht in ihrem Zweck und Ursprung erkennt, und mit der Waffe des MenschenrechtS strafen zu können glaubt. — Herr v. Maltzahn und ich sind demnach sehr verschiedener Meinung, um so mehr, als er Seite 5 seiner Brochure sagt: „man darf sich nicht verhehlen, wie die Revolution diesem Abfall von Christus hingegeben ist." — Ich glaube, er sieht alle neueren Tendenzen insgesammt für Teufelscingebungen an, und läßt deshalb kummervoll zum jüngsten Gericht blasen. Das Franzosenvolk hält er gar für Dämonenpack, weil er behauptet, „ihr Wesen wurzle im Abfall von Gott. 34-!-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/515>, abgerufen am 23.07.2024.