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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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verein mißtrauisch, sahen in diesem traurigen Ereigniß eine War^
mung deö Himmels. Wo man glauben will, da ist auch das Vor¬
urtheil nicht weit. Uebrigens muß man auf zwei Ohren hören und
eS fehlt, namentlich auf dem Lande, auch nicht an Stimmen, die den
GedankendesZollvereinanschlusseö als etwas sehr Willkommenes begrü¬
ßen. Hierunter sind die großen Walvbesitzer, die GlaShüttcninhaber, die
Steinkohlengruben-Eigenthümer, deren Industrie mit jedem Tage
sich vermehrt. Angeregt durch daS Eisenbahnwesen, werden häufige
Grabungen nach Steinkohlen angestellt und größtentheils mit Er¬
folg. Von Liblin nach Budweis wird eine Eisenbahn für den
Steinkohlen-Transport errichtet; das Einkommen derselben sollen
die Kohlenbergwerke Liblin, Nadnic und Purglic, die auf mehr als
W Millionen Centner geschätzt werden, verbürgen. Wenn in Oester¬
reich die Adressen an die Regierung und die Privatversammlungen
i, I-l I^lilctiiron so Sitte wären, wie in Frankreich, so würden vielleicht
nicht weniger Adressen für als gegen den Anschluß eingehen.

^.ä vcwem Frankreich melde ich Ihnen, daß seit einigen Tagen
der Herzog von Bordeaur sich hier befindet. Seine Anwesenheit
giebt unserem Adel Gelegenheit, seine monotonen Gesellschaften mit
einem neuen Gesprächsstoff zu beleben. Der Herzog wohnt diesmal
auf dem Roßmarkt, in derselben Straße, in welcher der General
Skrzinezky nach dem unglücklichen Ausgang der polnischen Revolu¬
tion mehrere Jahre wohnte. Welches sonderbare Zusammentreffen!
Welche Resultate deö Jahres I8ZV! Der Polengeneral als Sinn¬
bild der unterlegenen Revolution; der entthronte Prinz als
Denkmal der Siegenden! -- In der Mittelklasse wird seine An¬
wesenheit gar nicht bemerkt. War man doch selbst zur Zeit, wo
Karl der Zehnte noch seinen kleinen Hof hier hielt, stumpf und
apathisch gegen die Ehre, die Nachkommen Ludwigs deöHeiligen und
Heinrich des Vierten in den Mauern unserer Stadt zu besitzen.
Die kleine Schaar Kaufleute und Handwerker, welche Mund- und
andere Waaren für die Bedürfnisse deö erilirten Hofes besorgten,
war es allein unter dem Bürgerstande, welche an dieser kleinen Co-



Anm. d. Red.
Lcser auf die nächsten Hefte dieser Revue verweisen, wo diesem Gegenstand
"" passenderer Raum angewiesen ist.

verein mißtrauisch, sahen in diesem traurigen Ereigniß eine War^
mung deö Himmels. Wo man glauben will, da ist auch das Vor¬
urtheil nicht weit. Uebrigens muß man auf zwei Ohren hören und
eS fehlt, namentlich auf dem Lande, auch nicht an Stimmen, die den
GedankendesZollvereinanschlusseö als etwas sehr Willkommenes begrü¬
ßen. Hierunter sind die großen Walvbesitzer, die GlaShüttcninhaber, die
Steinkohlengruben-Eigenthümer, deren Industrie mit jedem Tage
sich vermehrt. Angeregt durch daS Eisenbahnwesen, werden häufige
Grabungen nach Steinkohlen angestellt und größtentheils mit Er¬
folg. Von Liblin nach Budweis wird eine Eisenbahn für den
Steinkohlen-Transport errichtet; das Einkommen derselben sollen
die Kohlenbergwerke Liblin, Nadnic und Purglic, die auf mehr als
W Millionen Centner geschätzt werden, verbürgen. Wenn in Oester¬
reich die Adressen an die Regierung und die Privatversammlungen
i, I-l I^lilctiiron so Sitte wären, wie in Frankreich, so würden vielleicht
nicht weniger Adressen für als gegen den Anschluß eingehen.

^.ä vcwem Frankreich melde ich Ihnen, daß seit einigen Tagen
der Herzog von Bordeaur sich hier befindet. Seine Anwesenheit
giebt unserem Adel Gelegenheit, seine monotonen Gesellschaften mit
einem neuen Gesprächsstoff zu beleben. Der Herzog wohnt diesmal
auf dem Roßmarkt, in derselben Straße, in welcher der General
Skrzinezky nach dem unglücklichen Ausgang der polnischen Revolu¬
tion mehrere Jahre wohnte. Welches sonderbare Zusammentreffen!
Welche Resultate deö Jahres I8ZV! Der Polengeneral als Sinn¬
bild der unterlegenen Revolution; der entthronte Prinz als
Denkmal der Siegenden! — In der Mittelklasse wird seine An¬
wesenheit gar nicht bemerkt. War man doch selbst zur Zeit, wo
Karl der Zehnte noch seinen kleinen Hof hier hielt, stumpf und
apathisch gegen die Ehre, die Nachkommen Ludwigs deöHeiligen und
Heinrich des Vierten in den Mauern unserer Stadt zu besitzen.
Die kleine Schaar Kaufleute und Handwerker, welche Mund- und
andere Waaren für die Bedürfnisse deö erilirten Hofes besorgten,
war es allein unter dem Bürgerstande, welche an dieser kleinen Co-



Anm. d. Red.
Lcser auf die nächsten Hefte dieser Revue verweisen, wo diesem Gegenstand
«» passenderer Raum angewiesen ist.
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[0503] verein mißtrauisch, sahen in diesem traurigen Ereigniß eine War^ mung deö Himmels. Wo man glauben will, da ist auch das Vor¬ urtheil nicht weit. Uebrigens muß man auf zwei Ohren hören und eS fehlt, namentlich auf dem Lande, auch nicht an Stimmen, die den GedankendesZollvereinanschlusseö als etwas sehr Willkommenes begrü¬ ßen. Hierunter sind die großen Walvbesitzer, die GlaShüttcninhaber, die Steinkohlengruben-Eigenthümer, deren Industrie mit jedem Tage sich vermehrt. Angeregt durch daS Eisenbahnwesen, werden häufige Grabungen nach Steinkohlen angestellt und größtentheils mit Er¬ folg. Von Liblin nach Budweis wird eine Eisenbahn für den Steinkohlen-Transport errichtet; das Einkommen derselben sollen die Kohlenbergwerke Liblin, Nadnic und Purglic, die auf mehr als W Millionen Centner geschätzt werden, verbürgen. Wenn in Oester¬ reich die Adressen an die Regierung und die Privatversammlungen i, I-l I^lilctiiron so Sitte wären, wie in Frankreich, so würden vielleicht nicht weniger Adressen für als gegen den Anschluß eingehen. ^.ä vcwem Frankreich melde ich Ihnen, daß seit einigen Tagen der Herzog von Bordeaur sich hier befindet. Seine Anwesenheit giebt unserem Adel Gelegenheit, seine monotonen Gesellschaften mit einem neuen Gesprächsstoff zu beleben. Der Herzog wohnt diesmal auf dem Roßmarkt, in derselben Straße, in welcher der General Skrzinezky nach dem unglücklichen Ausgang der polnischen Revolu¬ tion mehrere Jahre wohnte. Welches sonderbare Zusammentreffen! Welche Resultate deö Jahres I8ZV! Der Polengeneral als Sinn¬ bild der unterlegenen Revolution; der entthronte Prinz als Denkmal der Siegenden! — In der Mittelklasse wird seine An¬ wesenheit gar nicht bemerkt. War man doch selbst zur Zeit, wo Karl der Zehnte noch seinen kleinen Hof hier hielt, stumpf und apathisch gegen die Ehre, die Nachkommen Ludwigs deöHeiligen und Heinrich des Vierten in den Mauern unserer Stadt zu besitzen. Die kleine Schaar Kaufleute und Handwerker, welche Mund- und andere Waaren für die Bedürfnisse deö erilirten Hofes besorgten, war es allein unter dem Bürgerstande, welche an dieser kleinen Co- Anm. d. Red. Lcser auf die nächsten Hefte dieser Revue verweisen, wo diesem Gegenstand «» passenderer Raum angewiesen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/503>, abgerufen am 23.07.2024.