Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.angewiesen, woraus denn auch die glücklichen Erfolge der russischen Um aber die pecuniäre Stellung der Staatsbeamten zu ver¬ Ich muß bei dieser Gelegenheit noch ein Mal auf eine schon angewiesen, woraus denn auch die glücklichen Erfolge der russischen Um aber die pecuniäre Stellung der Staatsbeamten zu ver¬ Ich muß bei dieser Gelegenheit noch ein Mal auf eine schon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267080"/> <p xml:id="ID_1264" prev="#ID_1263"> angewiesen, woraus denn auch die glücklichen Erfolge der russischen<lb/> Diplomatie erklärt werden müssen. So lange daher dieser Uebel¬<lb/> stand der zu geringen Besoldungen besteht, werden auch die härtesten<lb/> Strafen, die den Missethätern drohen, nicht vermögen, alle Beamten<lb/> von Bestechlichkeit oder Unterschleifen abzuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1265"> Um aber die pecuniäre Stellung der Staatsbeamten zu ver¬<lb/> bessern, müßte natürlich der russische Staatsschatz im Stande sein,<lb/> alle seine zahlreichen Ausgaben auf normalem Wege zu decken; wie<lb/> wenig dies aber der Fall ist, beweisen die sich immer erneuernden<lb/> Anleihen. Rußland besitzt ungeheure, noch unausgebeutete Hilfs¬<lb/> quellen; aber ihre Entwickelung wird durch die Leibeigenschaft ver¬<lb/> hindert. Alle Versuche des Kaisers, den öffentlichen Wohlstand und<lb/> die Moralität seines Reiches auf festen Grundlagen zu sichern, wer¬<lb/> den unfruchtbar sein, so lange die eiternde Wunde des russischen<lb/> Gesellschaftszustandes offen bleibt. Geschlossen kann sie aber bei dem<lb/> starren, verblendeten Eigennutz des russischen Adels nur vom Kaiser<lb/> selbst werden. Von dessen erstem Versuche dieser Art und seinem<lb/> traurigen Erfolge habe ich ihnen schon berichtet; seitdem sind neue<lb/> Schritte in dieser Beziehung nicht geschehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1266" next="#ID_1267"> Ich muß bei dieser Gelegenheit noch ein Mal auf eine schon<lb/> in früheren Briefen aufgestellte Behauptung zurückkommen, weil<lb/> man, besonders im liberalen Theile des Publikums, ihr schwerlich wird<lb/> glauben wollen, obgleich sie durchaus wahr ist. In Nußland<lb/> nämlich ist die Autorität, der unbeschränkte Gewalthaber nicht nur<lb/> der Einzige, von dem alle FortschrirtS-Jnstitutionen, alle Beförderungen<lb/> wahrer Civilisation ausgehen, sondern Er ist es auch allein, bei<lb/> dem sie Schutz finden. Die Aristokratie ist hier lediglich mit ihren<lb/> engherzigen, gemein materiellen Kasscninteressen beschäftigt. Diese<lb/> stehen im schreienden Gegensatz zu den Interessen deö Gesammtwohls,<lb/> folglich auch des sie vorzüglich fördernden Bürgerstandes, der des¬<lb/> halb vom Kaiser außerordentlich beschützt wird. Eben so lasten jene<lb/> Adelsinteressen besonders auch drückend auf der großen Masse der<lb/> Bevölkerung Rußlands, den Leibeigenen, die lediglich vom Kaiser<lb/> bessere Tage zu erwarten haben. Der schlagendste Beweis für diese<lb/> durchgreifende Trennung der verschiedenen Stände und ihrer Vor¬<lb/> theils liegt in der Geschichte der wirklichen Verschwörungen gegen<lb/> Rußlands Herrscher. Immer sind diese von dem Adel allein aus-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0463]
angewiesen, woraus denn auch die glücklichen Erfolge der russischen
Diplomatie erklärt werden müssen. So lange daher dieser Uebel¬
stand der zu geringen Besoldungen besteht, werden auch die härtesten
Strafen, die den Missethätern drohen, nicht vermögen, alle Beamten
von Bestechlichkeit oder Unterschleifen abzuhalten.
Um aber die pecuniäre Stellung der Staatsbeamten zu ver¬
bessern, müßte natürlich der russische Staatsschatz im Stande sein,
alle seine zahlreichen Ausgaben auf normalem Wege zu decken; wie
wenig dies aber der Fall ist, beweisen die sich immer erneuernden
Anleihen. Rußland besitzt ungeheure, noch unausgebeutete Hilfs¬
quellen; aber ihre Entwickelung wird durch die Leibeigenschaft ver¬
hindert. Alle Versuche des Kaisers, den öffentlichen Wohlstand und
die Moralität seines Reiches auf festen Grundlagen zu sichern, wer¬
den unfruchtbar sein, so lange die eiternde Wunde des russischen
Gesellschaftszustandes offen bleibt. Geschlossen kann sie aber bei dem
starren, verblendeten Eigennutz des russischen Adels nur vom Kaiser
selbst werden. Von dessen erstem Versuche dieser Art und seinem
traurigen Erfolge habe ich ihnen schon berichtet; seitdem sind neue
Schritte in dieser Beziehung nicht geschehen.
Ich muß bei dieser Gelegenheit noch ein Mal auf eine schon
in früheren Briefen aufgestellte Behauptung zurückkommen, weil
man, besonders im liberalen Theile des Publikums, ihr schwerlich wird
glauben wollen, obgleich sie durchaus wahr ist. In Nußland
nämlich ist die Autorität, der unbeschränkte Gewalthaber nicht nur
der Einzige, von dem alle FortschrirtS-Jnstitutionen, alle Beförderungen
wahrer Civilisation ausgehen, sondern Er ist es auch allein, bei
dem sie Schutz finden. Die Aristokratie ist hier lediglich mit ihren
engherzigen, gemein materiellen Kasscninteressen beschäftigt. Diese
stehen im schreienden Gegensatz zu den Interessen deö Gesammtwohls,
folglich auch des sie vorzüglich fördernden Bürgerstandes, der des¬
halb vom Kaiser außerordentlich beschützt wird. Eben so lasten jene
Adelsinteressen besonders auch drückend auf der großen Masse der
Bevölkerung Rußlands, den Leibeigenen, die lediglich vom Kaiser
bessere Tage zu erwarten haben. Der schlagendste Beweis für diese
durchgreifende Trennung der verschiedenen Stände und ihrer Vor¬
theils liegt in der Geschichte der wirklichen Verschwörungen gegen
Rußlands Herrscher. Immer sind diese von dem Adel allein aus-
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