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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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zu unterstützen vermochte, und die Bilder, die sich uns vor die Blicke stellten,
zeigten sich durchgängig völlig abgerundet, tadellos geschlossen. Die Effekte
der Gruppirungen, der Gestalten und ihrer Positionen an und für sich so wie
in ihrer Beziehung zu den andern, die Wirkungen der wechselnden Farben
waren so geschickt berechnet, wie sie kaum der begabte Maler vor der Leinwand
zu berechnen vermag. In diesen Tableaux herrschte zugleich eine Lebendigkeit,
wie wir sie ebenfalls in unserer Oper nie zuvor gewahr geworden waren. Zu
größerem Lobe der Regie aber gereicht der Umstand, daß sie ihre Anordnung
nicht blos auf das Todte, auf die äußere Pracht, sondern auch aus die Per¬
sonen des Dramas selbst ausgedehnt hat. Die Chöre waren nicht mehr die
Maschinen, welche den Compositionsstoss auszuprägen haben; sie nahmen in
jeder Beziehung an der Handlung Antheil und füllten lebhaft agirend die
Zwischenräume zwischen der einen und der andern musikalischen Aufgabe. In
der Wahl der glänzenden Costümes war Geschmack mit historischer Treue ge¬
paart.

Man muß die Bedeutung einer energischen geistvollen Regie nicht auf
die leichte Achsel nehmen, von ihr hängt gar oft der Erfolg nicht nur eines
Stückes, sondern eines ganzen Institutes ab. Eine Masse schlummernder Kräfte
zu entfesseln, und zum Bewußtsein zu bringen, und jedem dann erst die Stelle
anzuweisen, auf der es eine Wirksamkeits-Sphäre gewinnen kann, dazu gehört
ein entschiedenes Talent, und eine eben so entschiedene, unbeugsame Willenskraft
-- Eigenschaften, welche Herrn Moritz manchen Feind, sicherlich aber auch die
Zustimmung und Achtung aller Gebildeten erworben haben. Wir brauchen kaum
zu bemerken, daß man bei uns nicht daran dachte, die Handlung in ein ande¬
res Land, in andere Zeiten zu verlegen, wie dies in München geschehen ist;
hier hegt man Gottlob keine Furcht vor gefährlichen Aufregungen durch die
Kämpfe der Hugenotten und Katholiken auf der dramatischen Scene. -- Die
Besetzung der Rollen, um dieses Punktes kurz zu erwähnen, ließ vielleicht zu
wünschen übrig. Unsere Bühne hat in Jahresfrist zwei Sänger, Rosner und
Debler -- durch den Tod, zwei Sängerinnen, Fr. v. Pistrich und Madame
Wallbach durch Entlassung verloren, und diese Verluste sind theilweise erst
durch neue Engagements zu ersetzen. Herr Rauscher war indessen ein treffli¬
cher Repräsentant sür Raoul, Fräulein Evers gab die Valentine mit Feuer
und mit einer Reife des Vertrags, welche der noch jugendlichen Sängerin
eine hohe. Rangstufe in der Kunstwelt sichert. Minder geeignet schien Fräul.
Haus, eine sonst verdienstvolle Künstlerin, für die Rolle der Margarethe von
Valois. Den Marcel gab Herr von Kater, den Grafen von Samt-Bris


zu unterstützen vermochte, und die Bilder, die sich uns vor die Blicke stellten,
zeigten sich durchgängig völlig abgerundet, tadellos geschlossen. Die Effekte
der Gruppirungen, der Gestalten und ihrer Positionen an und für sich so wie
in ihrer Beziehung zu den andern, die Wirkungen der wechselnden Farben
waren so geschickt berechnet, wie sie kaum der begabte Maler vor der Leinwand
zu berechnen vermag. In diesen Tableaux herrschte zugleich eine Lebendigkeit,
wie wir sie ebenfalls in unserer Oper nie zuvor gewahr geworden waren. Zu
größerem Lobe der Regie aber gereicht der Umstand, daß sie ihre Anordnung
nicht blos auf das Todte, auf die äußere Pracht, sondern auch aus die Per¬
sonen des Dramas selbst ausgedehnt hat. Die Chöre waren nicht mehr die
Maschinen, welche den Compositionsstoss auszuprägen haben; sie nahmen in
jeder Beziehung an der Handlung Antheil und füllten lebhaft agirend die
Zwischenräume zwischen der einen und der andern musikalischen Aufgabe. In
der Wahl der glänzenden Costümes war Geschmack mit historischer Treue ge¬
paart.

Man muß die Bedeutung einer energischen geistvollen Regie nicht auf
die leichte Achsel nehmen, von ihr hängt gar oft der Erfolg nicht nur eines
Stückes, sondern eines ganzen Institutes ab. Eine Masse schlummernder Kräfte
zu entfesseln, und zum Bewußtsein zu bringen, und jedem dann erst die Stelle
anzuweisen, auf der es eine Wirksamkeits-Sphäre gewinnen kann, dazu gehört
ein entschiedenes Talent, und eine eben so entschiedene, unbeugsame Willenskraft
— Eigenschaften, welche Herrn Moritz manchen Feind, sicherlich aber auch die
Zustimmung und Achtung aller Gebildeten erworben haben. Wir brauchen kaum
zu bemerken, daß man bei uns nicht daran dachte, die Handlung in ein ande¬
res Land, in andere Zeiten zu verlegen, wie dies in München geschehen ist;
hier hegt man Gottlob keine Furcht vor gefährlichen Aufregungen durch die
Kämpfe der Hugenotten und Katholiken auf der dramatischen Scene. — Die
Besetzung der Rollen, um dieses Punktes kurz zu erwähnen, ließ vielleicht zu
wünschen übrig. Unsere Bühne hat in Jahresfrist zwei Sänger, Rosner und
Debler — durch den Tod, zwei Sängerinnen, Fr. v. Pistrich und Madame
Wallbach durch Entlassung verloren, und diese Verluste sind theilweise erst
durch neue Engagements zu ersetzen. Herr Rauscher war indessen ein treffli¬
cher Repräsentant sür Raoul, Fräulein Evers gab die Valentine mit Feuer
und mit einer Reife des Vertrags, welche der noch jugendlichen Sängerin
eine hohe. Rangstufe in der Kunstwelt sichert. Minder geeignet schien Fräul.
Haus, eine sonst verdienstvolle Künstlerin, für die Rolle der Margarethe von
Valois. Den Marcel gab Herr von Kater, den Grafen von Samt-Bris


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/444>, abgerufen am 23.07.2024.