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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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war, so legte er in neuester Zeit auch Hand an die Oper, welche in vielen
Stücken bis daher einen festen Schlaf geschlafen hatte und uns gar oft an
das Gewölbe eines Trödlers erinnerte, worin verbleichte Sammetstühle aus dem
17- Jahrhundert, und frische Acojou Meubles, blinkende Kristalle und steinerne
Kruge, wie es der Zufall gefügt, friedlich rede" einander aufgestellt sind. Die
Freigebigkeit S. M. des Köüizs, das Vertrauen und der schnell erfassende,
für alles Schöne begeisterte Sinn seines Intendanten erleichterten Herrn M oritz
auch bei der Oper die Durchführung großartiger Ideen. Wäre ein früheres
Einschreiten bei dieser Branche des Theaters auch dergestalt wünschenswerth
gewesen, daß man Herrn Moritz sogar einen Mangel an Interesse für die
Oper zum Vorwurf machen wollte, so läßt sich doch sein Zögern mit dem
Umstände rechtfertigen, daß ihm daran gelegen sein mußte, zuerst seine Thä¬
tigkeit an einer erhabenen, bedeutende Mittel und Kräfte in der scenischen Be¬
handlung zulassenden und erfordernden Tondichtung zu erproben und durch -
ein mächtiges Werk jenen Vorwurf zu zernichten. Die Wahl siel auf Mey-
erbeer's Hugen otter und war nur als eine äußerst glückliche zu betrachten.
Man ist hier allgemein für die Kompositionen dieses Meisters eingenommen,
und harrte längst mit Spannung der Aufführung seiner Hugenotten entgegen.
Diese fand zuerst am Geburtstage S. M, des Königs den 27. September
statt. Wahrlich Großartiges, ja Unglaubliches hatte die Regie zu Wege gebracht,
wenn wir es mit dem vergleichen, was in den letzten Jahren vor unseren
Augen vorübergegangen ist. (Mit der Beurtheilung der Musik wollen wir
uns nicht beschäftigen; sie hat längst ihre Würdigung gefunden-) Jede Erwar¬
tung war weit, weit übertreffen; Aehnliches hatten wir hier in der Oper nicht
erlebt, und wir dürfen wohl behaupten, daß kein Theater Deutschlands Besse¬
res, Glänzenderes in der Scenerie aufzuweisen im Stande ist. Es war, als
ob die alte Bühne durch einen Aauberschlag zu einer neuen Gestalt verwan¬
delt worden wäre, die uns anfangs wie die Schilderung eines Feen-Mär¬
chens erscheinen mußte. Musik und Scene waren jetzt einmal in vollen Ein¬
klang gebracht, und liefen nicht, wie dies sonst wohl der Fall gewesen ist,
neben einander auf der Straße hin, gleich zwei durch ein Ungefähr zusammen¬
geführten Wanderern, von denen der Eine eine alte Blouse trägt, der Andere
in glänzendem Gewände einherschreitet, der eine vom Hunger geplagt, den
Kops zur Erde gesenkt während der Andere begeistert in die Sonne schaut.
Von dem kleinsten Farbcpünktchcn bis zu den großartigsten, den ganzen Raum
der Bühne in Anspruch nehmenden Gruppirungen war dem Scharfblicke im
Arrangement nichts entgangen, was den Totaleindruck in irgend einer Beziehung


war, so legte er in neuester Zeit auch Hand an die Oper, welche in vielen
Stücken bis daher einen festen Schlaf geschlafen hatte und uns gar oft an
das Gewölbe eines Trödlers erinnerte, worin verbleichte Sammetstühle aus dem
17- Jahrhundert, und frische Acojou Meubles, blinkende Kristalle und steinerne
Kruge, wie es der Zufall gefügt, friedlich rede» einander aufgestellt sind. Die
Freigebigkeit S. M. des Köüizs, das Vertrauen und der schnell erfassende,
für alles Schöne begeisterte Sinn seines Intendanten erleichterten Herrn M oritz
auch bei der Oper die Durchführung großartiger Ideen. Wäre ein früheres
Einschreiten bei dieser Branche des Theaters auch dergestalt wünschenswerth
gewesen, daß man Herrn Moritz sogar einen Mangel an Interesse für die
Oper zum Vorwurf machen wollte, so läßt sich doch sein Zögern mit dem
Umstände rechtfertigen, daß ihm daran gelegen sein mußte, zuerst seine Thä¬
tigkeit an einer erhabenen, bedeutende Mittel und Kräfte in der scenischen Be¬
handlung zulassenden und erfordernden Tondichtung zu erproben und durch -
ein mächtiges Werk jenen Vorwurf zu zernichten. Die Wahl siel auf Mey-
erbeer's Hugen otter und war nur als eine äußerst glückliche zu betrachten.
Man ist hier allgemein für die Kompositionen dieses Meisters eingenommen,
und harrte längst mit Spannung der Aufführung seiner Hugenotten entgegen.
Diese fand zuerst am Geburtstage S. M, des Königs den 27. September
statt. Wahrlich Großartiges, ja Unglaubliches hatte die Regie zu Wege gebracht,
wenn wir es mit dem vergleichen, was in den letzten Jahren vor unseren
Augen vorübergegangen ist. (Mit der Beurtheilung der Musik wollen wir
uns nicht beschäftigen; sie hat längst ihre Würdigung gefunden-) Jede Erwar¬
tung war weit, weit übertreffen; Aehnliches hatten wir hier in der Oper nicht
erlebt, und wir dürfen wohl behaupten, daß kein Theater Deutschlands Besse¬
res, Glänzenderes in der Scenerie aufzuweisen im Stande ist. Es war, als
ob die alte Bühne durch einen Aauberschlag zu einer neuen Gestalt verwan¬
delt worden wäre, die uns anfangs wie die Schilderung eines Feen-Mär¬
chens erscheinen mußte. Musik und Scene waren jetzt einmal in vollen Ein¬
klang gebracht, und liefen nicht, wie dies sonst wohl der Fall gewesen ist,
neben einander auf der Straße hin, gleich zwei durch ein Ungefähr zusammen¬
geführten Wanderern, von denen der Eine eine alte Blouse trägt, der Andere
in glänzendem Gewände einherschreitet, der eine vom Hunger geplagt, den
Kops zur Erde gesenkt während der Andere begeistert in die Sonne schaut.
Von dem kleinsten Farbcpünktchcn bis zu den großartigsten, den ganzen Raum
der Bühne in Anspruch nehmenden Gruppirungen war dem Scharfblicke im
Arrangement nichts entgangen, was den Totaleindruck in irgend einer Beziehung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/443>, abgerufen am 23.07.2024.