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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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fast ausschließlich in den Händen von Franzosen; von Deutschland werden nur
die allernöthigsten Tagesneuigkeiten aufgenommen und selbst diese werden vie¬
len belgischen Journalen aus der zweiten Hand zugeführt, aus einer Art Corre"
spondcnzfabrik, welche sich in Lüttich etablirt hat und die Anschaffung deutscher
Journale ersparen will. Jene Redactionen verschweigen nun die meisten Ur"
theile, welche Deutschland über Belgien fällt, wenn sie nicht in ihren Kram
passen. Wir wollen nur ein Beispiel anführen. Man hat in Deutschland
den Kopf darüber geschüttelt, daß der verlciumderischen Nachricht, König Leopold
habe die belgische" Nachdrucker aufgemuntert, auch deutsche Bücher nachzu¬
drucken, von keinem officiellen belgischen Journal widersprochen wurde. Aber
man wußte in Deutschland nicht, daß kein belgische" Journal ein Wort von
der Empörung und dem Geschrei erfuhr, welches die deutsche Presse über jenes
Gerücht erhob. Und welche Urtheile hat Belgien in Deutschland gesunden?
In der ganzen deutschen Presse sind kaum vier Journale, welche Originalbe¬
richte aus Belgien enthalten; und das gründliche Deutschland kennt von Bel¬
gien nichts als den Skandal.

Hier war nun ein doppelt edler Beruf zu verfolgen; einerseits dem deut¬
schen Batcrlandc, seinen geistigen und materiellen Interessen neuen Boden zu
gewinnen, andererseits wieder das schöne Land, welches durch die Freiheit
seincrJnstilutionen, so wie durch die Denkmäler seiner uns verwandten Geschichte
und KunstJcdcm, der eine längere Zeit in seiner Mitte weilt, theuer wird --
gegenüber von Deutschland zu vertreten, und die zahllosen Vorurtheile, welche
schlecht unterrichtete Journale und mißwollende Rücksichten gegen Belgien auf-
gethürmt haben, zu zerstreuen.

Der Redacteur dieser Blätter hatte die Ueberzeugung, daß ein Organ,
welches nach dieser Richtung hin wirkt, ein nicht überflüssiges und erfolgloses
sein würde -- mehrere Gleichgesinnte schlössen sich ihm an; die nöthigen Fonds
wurde" zusammengelegt und diese Zeitschrift trat ins Leben.

. Zu den großen Privilegien, welche ti" Presse in Belgien besitzt, gehört auch,
daß die Herausgabe eines neuen Journals keiner zuvor nachgesuchten Erlaubniß
bedarf. Das gedruckte Wort hat dasselbe Recht wie das geschriebene; der es aus¬
gesprochen, hat es zu verantworten -- es auszusprechen, ist Niemand benommen.

Diesem Grundsatze gemäß, und in dem Bewußtsein eines edlen lautern
Zweckes unterließ es die Redaction, sowohl bei der belgischen, als bei irgend
einer deutschen Regierung vor dem Erscheinen dieses Blattes irgend einen
Schritt zu Gunsten desselben zu thun, fest überzeugt, daß die Tendenz desselben
unmöglich zu verkennen sein werde.


fast ausschließlich in den Händen von Franzosen; von Deutschland werden nur
die allernöthigsten Tagesneuigkeiten aufgenommen und selbst diese werden vie¬
len belgischen Journalen aus der zweiten Hand zugeführt, aus einer Art Corre«
spondcnzfabrik, welche sich in Lüttich etablirt hat und die Anschaffung deutscher
Journale ersparen will. Jene Redactionen verschweigen nun die meisten Ur«
theile, welche Deutschland über Belgien fällt, wenn sie nicht in ihren Kram
passen. Wir wollen nur ein Beispiel anführen. Man hat in Deutschland
den Kopf darüber geschüttelt, daß der verlciumderischen Nachricht, König Leopold
habe die belgische» Nachdrucker aufgemuntert, auch deutsche Bücher nachzu¬
drucken, von keinem officiellen belgischen Journal widersprochen wurde. Aber
man wußte in Deutschland nicht, daß kein belgische« Journal ein Wort von
der Empörung und dem Geschrei erfuhr, welches die deutsche Presse über jenes
Gerücht erhob. Und welche Urtheile hat Belgien in Deutschland gesunden?
In der ganzen deutschen Presse sind kaum vier Journale, welche Originalbe¬
richte aus Belgien enthalten; und das gründliche Deutschland kennt von Bel¬
gien nichts als den Skandal.

Hier war nun ein doppelt edler Beruf zu verfolgen; einerseits dem deut¬
schen Batcrlandc, seinen geistigen und materiellen Interessen neuen Boden zu
gewinnen, andererseits wieder das schöne Land, welches durch die Freiheit
seincrJnstilutionen, so wie durch die Denkmäler seiner uns verwandten Geschichte
und KunstJcdcm, der eine längere Zeit in seiner Mitte weilt, theuer wird —
gegenüber von Deutschland zu vertreten, und die zahllosen Vorurtheile, welche
schlecht unterrichtete Journale und mißwollende Rücksichten gegen Belgien auf-
gethürmt haben, zu zerstreuen.

Der Redacteur dieser Blätter hatte die Ueberzeugung, daß ein Organ,
welches nach dieser Richtung hin wirkt, ein nicht überflüssiges und erfolgloses
sein würde — mehrere Gleichgesinnte schlössen sich ihm an; die nöthigen Fonds
wurde» zusammengelegt und diese Zeitschrift trat ins Leben.

. Zu den großen Privilegien, welche ti« Presse in Belgien besitzt, gehört auch,
daß die Herausgabe eines neuen Journals keiner zuvor nachgesuchten Erlaubniß
bedarf. Das gedruckte Wort hat dasselbe Recht wie das geschriebene; der es aus¬
gesprochen, hat es zu verantworten — es auszusprechen, ist Niemand benommen.

Diesem Grundsatze gemäß, und in dem Bewußtsein eines edlen lautern
Zweckes unterließ es die Redaction, sowohl bei der belgischen, als bei irgend
einer deutschen Regierung vor dem Erscheinen dieses Blattes irgend einen
Schritt zu Gunsten desselben zu thun, fest überzeugt, daß die Tendenz desselben
unmöglich zu verkennen sein werde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/44>, abgerufen am 23.07.2024.