Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Bei ihn" beständig und immerdar,
Und das Fleisch ist Wort geworden und Licht,
Johannes schrieb verkehrten Bericht,
Drum sollen das Fleisch wir halten in Ehren,
Seid lustig, ihr Kinder, und laßt es gewähren!"

Zwischen diese Nacht, und Gräuelscenen fällt wohl ängstlich
und wehmüthig ein lichter Moment ein, wie in: "des Wanderers
Gruß," ein tiefgefühltes Lied, das uns auf den Lerchenruf der
Freiheit harren läßt; dann eine schöne Klage eines Sängers an
einem Brunnen, worin seine Geliebte versenkt war, mit den schnei¬
denden Zeilen aus der trostlosen Irrlehre:

"Du wirst nicht wieder auferstehn,
Wenn Gott Dich einmal ließ vergehn,
Kann er Dich so nicht wiederbringen."

Aber noch einmal treten wir vor eine Scene des Fanatismus;
eine Anzahl Studenten, Anhänger Almerich'S, werden unter grä߬
lichem Spott verbrannt. Endlich, nachdem das ganze Land verheert
ist, fällt auch Simon Montfort, eben als er den Lohn, die Beute
des VerwüstungSkreuzzugeS zu ernten hoffte. Die Nachegöttcr sind
gestillt, wir blicken auf ein unermeßliches Leichenfeld. Da erscheinen,
einsam wandelnd unter den Todten, ein Ritter und ein Mönch.
Ueberwunden durch den Schmerz der Scene, sich selbst besinnend bei
dem Ueberblick der Gräuel, wirst der Mönch die Waffen weg, reißt
das Kreuz von der Brust und geht zu dem nieder, mit ihm zu
fechten und zu fallen.

"Nicht folg' ich mehr der Kirche blut'gar Fahnen,
Im Hinblick auf das stumme Leichenfeld
Hat Frieden wunderbar mein Herz erhellt,
Des tiefsten Sinns ward mir ein freudig Ahnen."

Und was ist der Sinn, der letzte Zweck der Geschichte, was
ist die Wahrheit, nach welcher dieser Kampf, dieses Schicksal zielte?
Oaö endliche Ueberwinden, die Läuterung des Geistes:

"Das Leben bricht der Kirche düstre Schranke;
Die heilige Geschichte ist geschehn,
Doch war auch sie nur Abglanz und Bergehn;
Wollenden wird Erlösung der Gedanke!"

Bei ihn» beständig und immerdar,
Und das Fleisch ist Wort geworden und Licht,
Johannes schrieb verkehrten Bericht,
Drum sollen das Fleisch wir halten in Ehren,
Seid lustig, ihr Kinder, und laßt es gewähren!"

Zwischen diese Nacht, und Gräuelscenen fällt wohl ängstlich
und wehmüthig ein lichter Moment ein, wie in: „des Wanderers
Gruß," ein tiefgefühltes Lied, das uns auf den Lerchenruf der
Freiheit harren läßt; dann eine schöne Klage eines Sängers an
einem Brunnen, worin seine Geliebte versenkt war, mit den schnei¬
denden Zeilen aus der trostlosen Irrlehre:

„Du wirst nicht wieder auferstehn,
Wenn Gott Dich einmal ließ vergehn,
Kann er Dich so nicht wiederbringen."

Aber noch einmal treten wir vor eine Scene des Fanatismus;
eine Anzahl Studenten, Anhänger Almerich'S, werden unter grä߬
lichem Spott verbrannt. Endlich, nachdem das ganze Land verheert
ist, fällt auch Simon Montfort, eben als er den Lohn, die Beute
des VerwüstungSkreuzzugeS zu ernten hoffte. Die Nachegöttcr sind
gestillt, wir blicken auf ein unermeßliches Leichenfeld. Da erscheinen,
einsam wandelnd unter den Todten, ein Ritter und ein Mönch.
Ueberwunden durch den Schmerz der Scene, sich selbst besinnend bei
dem Ueberblick der Gräuel, wirst der Mönch die Waffen weg, reißt
das Kreuz von der Brust und geht zu dem nieder, mit ihm zu
fechten und zu fallen.

„Nicht folg' ich mehr der Kirche blut'gar Fahnen,
Im Hinblick auf das stumme Leichenfeld
Hat Frieden wunderbar mein Herz erhellt,
Des tiefsten Sinns ward mir ein freudig Ahnen."

Und was ist der Sinn, der letzte Zweck der Geschichte, was
ist die Wahrheit, nach welcher dieser Kampf, dieses Schicksal zielte?
Oaö endliche Ueberwinden, die Läuterung des Geistes:

„Das Leben bricht der Kirche düstre Schranke;
Die heilige Geschichte ist geschehn,
Doch war auch sie nur Abglanz und Bergehn;
Wollenden wird Erlösung der Gedanke!"

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267048"/>
            <lg xml:id="POEMID_35" prev="#POEMID_34" type="poem">
              <l> Bei ihn» beständig und immerdar,<lb/>
Und das Fleisch ist Wort geworden und Licht,<lb/>
Johannes schrieb verkehrten Bericht,<lb/>
Drum sollen das Fleisch wir halten in Ehren,<lb/>
Seid lustig, ihr Kinder, und laßt es gewähren!"</l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_1203"> Zwischen diese Nacht, und Gräuelscenen fällt wohl ängstlich<lb/>
und wehmüthig ein lichter Moment ein, wie in: &#x201E;des Wanderers<lb/>
Gruß," ein tiefgefühltes Lied, das uns auf den Lerchenruf der<lb/>
Freiheit harren läßt; dann eine schöne Klage eines Sängers an<lb/>
einem Brunnen, worin seine Geliebte versenkt war, mit den schnei¬<lb/>
denden Zeilen aus der trostlosen Irrlehre:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_36" type="poem">
              <l> &#x201E;Du wirst nicht wieder auferstehn,<lb/>
Wenn Gott Dich einmal ließ vergehn,<lb/>
Kann er Dich so nicht wiederbringen."</l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_1204"> Aber noch einmal treten wir vor eine Scene des Fanatismus;<lb/>
eine Anzahl Studenten, Anhänger Almerich'S, werden unter grä߬<lb/>
lichem Spott verbrannt. Endlich, nachdem das ganze Land verheert<lb/>
ist, fällt auch Simon Montfort, eben als er den Lohn, die Beute<lb/>
des VerwüstungSkreuzzugeS zu ernten hoffte. Die Nachegöttcr sind<lb/>
gestillt, wir blicken auf ein unermeßliches Leichenfeld. Da erscheinen,<lb/>
einsam wandelnd unter den Todten, ein Ritter und ein Mönch.<lb/>
Ueberwunden durch den Schmerz der Scene, sich selbst besinnend bei<lb/>
dem Ueberblick der Gräuel, wirst der Mönch die Waffen weg, reißt<lb/>
das Kreuz von der Brust und geht zu dem nieder, mit ihm zu<lb/>
fechten und zu fallen.</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_37" type="poem">
              <l> &#x201E;Nicht folg' ich mehr der Kirche blut'gar Fahnen,<lb/>
Im Hinblick auf das stumme Leichenfeld<lb/>
Hat Frieden wunderbar mein Herz erhellt,<lb/>
Des tiefsten Sinns ward mir ein freudig Ahnen."</l>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_1205"> Und was ist der Sinn, der letzte Zweck der Geschichte, was<lb/>
ist die Wahrheit, nach welcher dieser Kampf, dieses Schicksal zielte?<lb/>
Oaö endliche Ueberwinden, die Läuterung des Geistes:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_38" type="poem">
              <l> &#x201E;Das Leben bricht der Kirche düstre Schranke;<lb/>
Die heilige Geschichte ist geschehn,<lb/>
Doch war auch sie nur Abglanz und Bergehn;<lb/>
Wollenden wird Erlösung der Gedanke!"</l>
            </lg><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0431] Bei ihn» beständig und immerdar, Und das Fleisch ist Wort geworden und Licht, Johannes schrieb verkehrten Bericht, Drum sollen das Fleisch wir halten in Ehren, Seid lustig, ihr Kinder, und laßt es gewähren!" Zwischen diese Nacht, und Gräuelscenen fällt wohl ängstlich und wehmüthig ein lichter Moment ein, wie in: „des Wanderers Gruß," ein tiefgefühltes Lied, das uns auf den Lerchenruf der Freiheit harren läßt; dann eine schöne Klage eines Sängers an einem Brunnen, worin seine Geliebte versenkt war, mit den schnei¬ denden Zeilen aus der trostlosen Irrlehre: „Du wirst nicht wieder auferstehn, Wenn Gott Dich einmal ließ vergehn, Kann er Dich so nicht wiederbringen." Aber noch einmal treten wir vor eine Scene des Fanatismus; eine Anzahl Studenten, Anhänger Almerich'S, werden unter grä߬ lichem Spott verbrannt. Endlich, nachdem das ganze Land verheert ist, fällt auch Simon Montfort, eben als er den Lohn, die Beute des VerwüstungSkreuzzugeS zu ernten hoffte. Die Nachegöttcr sind gestillt, wir blicken auf ein unermeßliches Leichenfeld. Da erscheinen, einsam wandelnd unter den Todten, ein Ritter und ein Mönch. Ueberwunden durch den Schmerz der Scene, sich selbst besinnend bei dem Ueberblick der Gräuel, wirst der Mönch die Waffen weg, reißt das Kreuz von der Brust und geht zu dem nieder, mit ihm zu fechten und zu fallen. „Nicht folg' ich mehr der Kirche blut'gar Fahnen, Im Hinblick auf das stumme Leichenfeld Hat Frieden wunderbar mein Herz erhellt, Des tiefsten Sinns ward mir ein freudig Ahnen." Und was ist der Sinn, der letzte Zweck der Geschichte, was ist die Wahrheit, nach welcher dieser Kampf, dieses Schicksal zielte? Oaö endliche Ueberwinden, die Läuterung des Geistes: „Das Leben bricht der Kirche düstre Schranke; Die heilige Geschichte ist geschehn, Doch war auch sie nur Abglanz und Bergehn; Wollenden wird Erlösung der Gedanke!"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/431
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/431>, abgerufen am 26.08.2024.