Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.anfing, man in ihren Mauern zu bauen aufhörte. Nicht eben so Im zwölften Jahrhundert stand auf dem Platze, wo sich heute Wenige der ursprünglichen Pläne sind getreulich befolgt wor- 27 "
anfing, man in ihren Mauern zu bauen aufhörte. Nicht eben so Im zwölften Jahrhundert stand auf dem Platze, wo sich heute Wenige der ursprünglichen Pläne sind getreulich befolgt wor- 27 »
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267020"/> <p xml:id="ID_1135" prev="#ID_1134"> anfing, man in ihren Mauern zu bauen aufhörte. Nicht eben so<lb/> ist es in Antwerpen. Diesem Orte hat das sechzehnte Jahrhundert<lb/> einen neueren Charakter verliehen und erst das siebzehnte hat ay<lb/> seine monumentalen Zierden die letzte vollendende Hand gelegt.<lb/> Seine ganze frühere Geschichte liegt zwischen den Thürmen der Ka¬<lb/> thedrale, an denen man um das Jahr 1422 arbeitete und der<lb/> Jesuiterkirche. deren Bau 1621 beendet ward.</p><lb/> <p xml:id="ID_1136"> Im zwölften Jahrhundert stand auf dem Platze, wo sich heute<lb/> die herrliche, hoch und stolz in die Lüfte ragende Kirche Unserer Lie¬<lb/> ben Frauen zu Antwerpen erhebt, nur eine Kapelle- ES ist dies<lb/> fast aller großen christlichen Tempel Ursprung und Beginn gewesen;<lb/> ja manche Städte selbst verdanken solchen Kapellen ihr Entstehen.<lb/> Diese Kapelle, die im Jahre 1124 zum Rang einer Collegialkirche<lb/> erhoben ward, machte hundert achtundzwanzig Jahre spater einer an¬<lb/> dern Kirche Platz und an deren Stelle trat endlich diejenige, die<lb/> wir heute noch da sehen. Der Chor ward in der zweiten Hälfte<lb/> des vierzehnten Jahrhunderts vollendet. Meist begannen die Bau¬<lb/> meister des Mittelalters ihre Leistungen mit diesem Theil der Kirchen,<lb/> wie es diejenigen Tempel beweisen, die unvollendet auf unser Jahrhun¬<lb/> dert gekommen sind. Später dann verbanden sie die Grundlage der<lb/> Thürme mit der Haube des Chores, indem sie das Schiff erbauten,<lb/> und überließen ihren Nachfolgern die Vollendung jener wunderherr¬<lb/> lichen Thurmspitzen, deren kühnes Aufsteigen noch heute ein tiefes,<lb/> bewunderndes Staunen erzwingt. Die katholischen Kirchenbauten<lb/> zerfallen fast immer in zwei verschiedene Theile, die selbst der That<lb/> nach meist zwei ganz getrennten Epochen angehören, in den wagerechten<lb/> Theil, d. b. Chor und Schiff, und den senkrechten, die Thürme und<lb/> Thurmspitzen. Die erstere Hälfte ist fast überall vollkommen aus¬<lb/> gebaut worden; die letztere dagegen ist meist unvollendet geblieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1137" next="#ID_1138"> Wenige der ursprünglichen Pläne sind getreulich befolgt wor-<lb/> den. Man begreift dies leicht, wenn man erwägt, daß in der lan¬<lb/> gen Aufeinanderfolge der Epochen die Architektur, welche in direktem<lb/> geistigen Zusammenhange mit dem gesellschaftlichen Leben steht, ohne<lb/> es selbst zu wissen, alle Umwandlungen dieses letzteren mit durch¬<lb/> machte. Wenn auch die Nachfolger des ersten Baumeisters nicht<lb/> wagten, die großen Linien, die er hingestellt hatte, zu zerstören,,so<lb/> entschädigten sie sich für diesen Zwang an den Details, in denen ein</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27 »</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
anfing, man in ihren Mauern zu bauen aufhörte. Nicht eben so
ist es in Antwerpen. Diesem Orte hat das sechzehnte Jahrhundert
einen neueren Charakter verliehen und erst das siebzehnte hat ay
seine monumentalen Zierden die letzte vollendende Hand gelegt.
Seine ganze frühere Geschichte liegt zwischen den Thürmen der Ka¬
thedrale, an denen man um das Jahr 1422 arbeitete und der
Jesuiterkirche. deren Bau 1621 beendet ward.
Im zwölften Jahrhundert stand auf dem Platze, wo sich heute
die herrliche, hoch und stolz in die Lüfte ragende Kirche Unserer Lie¬
ben Frauen zu Antwerpen erhebt, nur eine Kapelle- ES ist dies
fast aller großen christlichen Tempel Ursprung und Beginn gewesen;
ja manche Städte selbst verdanken solchen Kapellen ihr Entstehen.
Diese Kapelle, die im Jahre 1124 zum Rang einer Collegialkirche
erhoben ward, machte hundert achtundzwanzig Jahre spater einer an¬
dern Kirche Platz und an deren Stelle trat endlich diejenige, die
wir heute noch da sehen. Der Chor ward in der zweiten Hälfte
des vierzehnten Jahrhunderts vollendet. Meist begannen die Bau¬
meister des Mittelalters ihre Leistungen mit diesem Theil der Kirchen,
wie es diejenigen Tempel beweisen, die unvollendet auf unser Jahrhun¬
dert gekommen sind. Später dann verbanden sie die Grundlage der
Thürme mit der Haube des Chores, indem sie das Schiff erbauten,
und überließen ihren Nachfolgern die Vollendung jener wunderherr¬
lichen Thurmspitzen, deren kühnes Aufsteigen noch heute ein tiefes,
bewunderndes Staunen erzwingt. Die katholischen Kirchenbauten
zerfallen fast immer in zwei verschiedene Theile, die selbst der That
nach meist zwei ganz getrennten Epochen angehören, in den wagerechten
Theil, d. b. Chor und Schiff, und den senkrechten, die Thürme und
Thurmspitzen. Die erstere Hälfte ist fast überall vollkommen aus¬
gebaut worden; die letztere dagegen ist meist unvollendet geblieben.
Wenige der ursprünglichen Pläne sind getreulich befolgt wor-
den. Man begreift dies leicht, wenn man erwägt, daß in der lan¬
gen Aufeinanderfolge der Epochen die Architektur, welche in direktem
geistigen Zusammenhange mit dem gesellschaftlichen Leben steht, ohne
es selbst zu wissen, alle Umwandlungen dieses letzteren mit durch¬
machte. Wenn auch die Nachfolger des ersten Baumeisters nicht
wagten, die großen Linien, die er hingestellt hatte, zu zerstören,,so
entschädigten sie sich für diesen Zwang an den Details, in denen ein
27 »
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |