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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Siren. So sprach in der ersten allgemeinen Sitzung ein Arzt sehr geistreich
über Jnfusionsthierchen im Urin. Dem Reinen ist ja Alles rein. Ich
hatte dieser ersten allgemeinen Sitzung nicht beigewohnt und war daher sehr
neugierig auf die zweite geworden. In dem sehr geschmackvoll eingerichteten
Saale des neuen Schlosses hatten sich wohl 800 Forscher und Naturforscher
versammelt; der Anblick so mancher intelligenten, schönen Stirne erfreute die
Beobachter, und oben von der Galerie sahen eine Menge Naturforschcrinnen
und Natursteundinncn auf uns freundlich lächelnd herab. Sie schienen sich
herzlich zu freuen, als Herr Leukard aus Freiburg in einer übrigens wohlge-
schricbenen Rede ihnen sonnenklar bewies, daß wir von den Affen uns zu un¬
serem Vortheil unterscheiden. Die Krone des Tages gebührte aber einem
Franzosen und einem Oesterreicher. Mr. it<- (üinnnvnt, tonllittsnr >1es von-
xi-es 8l-.lo"t!/i^uL" "zu Kranes lud in einer herzlichen, freundlichen Rede, die
den lautesten Beifall verdiente und erhielt, uns Alle nach Straßburg ein; nur
Schade, am Ende versprach er unter den dortigen Festlichkeiten zu unsere"
Ehren uns r<zon<z it" ^aiclö iiationulö vt um Leu <1'a> tiiios, im<?s LsngaIk.
Hierauf schritt man zur Wahl eines Vcreinigungsortcs sür künftiges Jahr.
Man schwankte zwischen Grätz und Bremen. Da führte unter andern Grün¬
den ein österreichischer Gelehrter auch mit langsam-bedeutender Stimme an:
"Die Herren Naturforscher und Aerzte würden in Grätz auch hohe Personen
finden." Das französische bengalische Feuer und die österreichischen hohen
Personen, -- die Parallele war zu hübsch, als daß nicht mehrere Collegen sie
gemacht haben sollten. Wir sind gewiß, daß nicht die hohen Personen, son¬
dern das schöne, vor einigen Tagen am Rhein gesprochene Wort: "Kein Preu¬
ßen, kein Oesterreich, ein Deutschland," das der liebenswürdige und berühmte
Ettinghaus laut ausrief, und das ein lauter Beifall begleitete, für Grätz ent¬
schied. Vielleicht war dies das erste Mal, daß eine deutsche Naturforscherver-
sammlung einer großen politischen Idee so laut Beifall klatschte, etwas, wo¬
für man sie vielleicht vor zwanzig Jahren i" altri'vis der berühmten Central-
commission überantwortet hätte, um sich wegen ihrer revolutionairen Ideen zu
rechtfertigen. -- Mit diesem erhebenden Gedanken verließ ich den Saal, um
mich auf die Galerie zu begeben und etwas näher die Damen zu beobachte",
die sich so emsig für Naturwissenschaften interessirten; aber man verweigerte
unerbittlich meiner grauen Naturforscherkarte den Eintritt; ich sollte eine weiße
haben, Aelchen unschuldiger Absichten. So zog ich denn traurig ab mit meh¬
reren Collegen, die in gleich löblicher Absicht gekommen waren; und, wie alle
unzufriedenen Leute, stellten wir Betrachtungen an und frugen einander, ob es


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Siren. So sprach in der ersten allgemeinen Sitzung ein Arzt sehr geistreich
über Jnfusionsthierchen im Urin. Dem Reinen ist ja Alles rein. Ich
hatte dieser ersten allgemeinen Sitzung nicht beigewohnt und war daher sehr
neugierig auf die zweite geworden. In dem sehr geschmackvoll eingerichteten
Saale des neuen Schlosses hatten sich wohl 800 Forscher und Naturforscher
versammelt; der Anblick so mancher intelligenten, schönen Stirne erfreute die
Beobachter, und oben von der Galerie sahen eine Menge Naturforschcrinnen
und Natursteundinncn auf uns freundlich lächelnd herab. Sie schienen sich
herzlich zu freuen, als Herr Leukard aus Freiburg in einer übrigens wohlge-
schricbenen Rede ihnen sonnenklar bewies, daß wir von den Affen uns zu un¬
serem Vortheil unterscheiden. Die Krone des Tages gebührte aber einem
Franzosen und einem Oesterreicher. Mr. it<- (üinnnvnt, tonllittsnr >1es von-
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den lautesten Beifall verdiente und erhielt, uns Alle nach Straßburg ein; nur
Schade, am Ende versprach er unter den dortigen Festlichkeiten zu unsere»
Ehren uns r<zon<z it« ^aiclö iiationulö vt um Leu <1'a> tiiios, im<?s LsngaIk.
Hierauf schritt man zur Wahl eines Vcreinigungsortcs sür künftiges Jahr.
Man schwankte zwischen Grätz und Bremen. Da führte unter andern Grün¬
den ein österreichischer Gelehrter auch mit langsam-bedeutender Stimme an:
„Die Herren Naturforscher und Aerzte würden in Grätz auch hohe Personen
finden." Das französische bengalische Feuer und die österreichischen hohen
Personen, — die Parallele war zu hübsch, als daß nicht mehrere Collegen sie
gemacht haben sollten. Wir sind gewiß, daß nicht die hohen Personen, son¬
dern das schöne, vor einigen Tagen am Rhein gesprochene Wort: „Kein Preu¬
ßen, kein Oesterreich, ein Deutschland," das der liebenswürdige und berühmte
Ettinghaus laut ausrief, und das ein lauter Beifall begleitete, für Grätz ent¬
schied. Vielleicht war dies das erste Mal, daß eine deutsche Naturforscherver-
sammlung einer großen politischen Idee so laut Beifall klatschte, etwas, wo¬
für man sie vielleicht vor zwanzig Jahren i» altri'vis der berühmten Central-
commission überantwortet hätte, um sich wegen ihrer revolutionairen Ideen zu
rechtfertigen. — Mit diesem erhebenden Gedanken verließ ich den Saal, um
mich auf die Galerie zu begeben und etwas näher die Damen zu beobachte»,
die sich so emsig für Naturwissenschaften interessirten; aber man verweigerte
unerbittlich meiner grauen Naturforscherkarte den Eintritt; ich sollte eine weiße
haben, Aelchen unschuldiger Absichten. So zog ich denn traurig ab mit meh¬
reren Collegen, die in gleich löblicher Absicht gekommen waren; und, wie alle
unzufriedenen Leute, stellten wir Betrachtungen an und frugen einander, ob es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/395>, abgerufen am 29.06.2024.