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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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endlich aber erhält es einen Schlag gerade auf den Kopf mit dem
Scheite Holz, so daß es wieder in den Keller zurückstürzt, wohin
dann Pierrot, um alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, in
aller Eile das ganze, von den Holzhauern schon zugesagte Holz ihm
nachwirft, worauf er dann zu seiner Sünde noch Frevel, zu seinem
Verbrechen noch Hohn und Spott fügt, indem er seinen Kopf an das
Kellerloch hält und den Ruf des Ermordeten: "Marrrchand d' Hahns"
nachäfft.

Ist das nicht ein bewunderungswürdiger Eingang, seltsam,
launenhaft, phantastisch, so daß Shakspeare selbst sich seiner nicht
schämen würde?

Nun wechselt der Schauplatz. Pierrot ist ii: seine Wohnung
eingetreten und zieht mit ehrfurchtsvoller Bewunderung das unge¬
heure Beinkleid la co"in>us und den wunderbaren, apfelgrünen
Frack an, er steckt Vatermörder an, klebt sich einen falschen,
schwarzen Schnurrbart auf und sucht die verbrecherische Bleiche seiner
Gesichtszüge dadurch zu verbergen, daß er auf das Mehl, womit
sie bedeckt sind, zwei kleine Streifen von rother Schminke legt, wo->
durch er das allercoquetteste und trtumphirendste Aussehn auf
Gottes Erdboden erhält.

Pierrot tritt nun in den Abendzirkel der Herzogin ein; er hat
sich schon ganz in den Geist seiner Atolle hineingefunden und sein Be¬
nehmen ist durchaus voll kaltblütiger Würde und angemessener Zier¬
lichkeit; er grüßt eben so fein, als wäre er ein Tanzmeister oder ein
abgerichteter Hund; er reicht den Damen artig die Hand und weiß
sein Augenglas so geschickt zwischen die obere Wölbung seiner Brauen
und dem untern Bogen seines Auges einzupressen, als wäre er
ein Stutzer, der sein Lebetag keine andere Beschäftigung gehabt
hat. Besonders aber muß man ihn in der Nähe der Herzogin
sehen. Wie anmuthig beugt er sich über die Lehne ihres Sessels,
wie süß flüstert er ihr tausend zarte Worte ins Ohr, mit welchen
Flammenzügen malt er ihr die Liebe, die für sie in seinem Herzen
brennt! Mitten in seinem schönsten Redeflüsse aber hält Pierrot
plötzlich inne, sein Schnurrbart, obgleich falsch, sträubt sich in die
Höhe, seine Schminke fällt ihm vom Gesicht, seine Zähne klappern
vor Entsetzen, die Aermel seines Fracks werden ihm plötzlich zu kurz ;
eine dumpfe, erstickte Stimme, ähnlich dem Röcheln eines Sterbenden,


endlich aber erhält es einen Schlag gerade auf den Kopf mit dem
Scheite Holz, so daß es wieder in den Keller zurückstürzt, wohin
dann Pierrot, um alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, in
aller Eile das ganze, von den Holzhauern schon zugesagte Holz ihm
nachwirft, worauf er dann zu seiner Sünde noch Frevel, zu seinem
Verbrechen noch Hohn und Spott fügt, indem er seinen Kopf an das
Kellerloch hält und den Ruf des Ermordeten: „Marrrchand d' Hahns"
nachäfft.

Ist das nicht ein bewunderungswürdiger Eingang, seltsam,
launenhaft, phantastisch, so daß Shakspeare selbst sich seiner nicht
schämen würde?

Nun wechselt der Schauplatz. Pierrot ist ii: seine Wohnung
eingetreten und zieht mit ehrfurchtsvoller Bewunderung das unge¬
heure Beinkleid la co«in>us und den wunderbaren, apfelgrünen
Frack an, er steckt Vatermörder an, klebt sich einen falschen,
schwarzen Schnurrbart auf und sucht die verbrecherische Bleiche seiner
Gesichtszüge dadurch zu verbergen, daß er auf das Mehl, womit
sie bedeckt sind, zwei kleine Streifen von rother Schminke legt, wo->
durch er das allercoquetteste und trtumphirendste Aussehn auf
Gottes Erdboden erhält.

Pierrot tritt nun in den Abendzirkel der Herzogin ein; er hat
sich schon ganz in den Geist seiner Atolle hineingefunden und sein Be¬
nehmen ist durchaus voll kaltblütiger Würde und angemessener Zier¬
lichkeit; er grüßt eben so fein, als wäre er ein Tanzmeister oder ein
abgerichteter Hund; er reicht den Damen artig die Hand und weiß
sein Augenglas so geschickt zwischen die obere Wölbung seiner Brauen
und dem untern Bogen seines Auges einzupressen, als wäre er
ein Stutzer, der sein Lebetag keine andere Beschäftigung gehabt
hat. Besonders aber muß man ihn in der Nähe der Herzogin
sehen. Wie anmuthig beugt er sich über die Lehne ihres Sessels,
wie süß flüstert er ihr tausend zarte Worte ins Ohr, mit welchen
Flammenzügen malt er ihr die Liebe, die für sie in seinem Herzen
brennt! Mitten in seinem schönsten Redeflüsse aber hält Pierrot
plötzlich inne, sein Schnurrbart, obgleich falsch, sträubt sich in die
Höhe, seine Schminke fällt ihm vom Gesicht, seine Zähne klappern
vor Entsetzen, die Aermel seines Fracks werden ihm plötzlich zu kurz ;
eine dumpfe, erstickte Stimme, ähnlich dem Röcheln eines Sterbenden,


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[0386] endlich aber erhält es einen Schlag gerade auf den Kopf mit dem Scheite Holz, so daß es wieder in den Keller zurückstürzt, wohin dann Pierrot, um alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, in aller Eile das ganze, von den Holzhauern schon zugesagte Holz ihm nachwirft, worauf er dann zu seiner Sünde noch Frevel, zu seinem Verbrechen noch Hohn und Spott fügt, indem er seinen Kopf an das Kellerloch hält und den Ruf des Ermordeten: „Marrrchand d' Hahns" nachäfft. Ist das nicht ein bewunderungswürdiger Eingang, seltsam, launenhaft, phantastisch, so daß Shakspeare selbst sich seiner nicht schämen würde? Nun wechselt der Schauplatz. Pierrot ist ii: seine Wohnung eingetreten und zieht mit ehrfurchtsvoller Bewunderung das unge¬ heure Beinkleid la co«in>us und den wunderbaren, apfelgrünen Frack an, er steckt Vatermörder an, klebt sich einen falschen, schwarzen Schnurrbart auf und sucht die verbrecherische Bleiche seiner Gesichtszüge dadurch zu verbergen, daß er auf das Mehl, womit sie bedeckt sind, zwei kleine Streifen von rother Schminke legt, wo-> durch er das allercoquetteste und trtumphirendste Aussehn auf Gottes Erdboden erhält. Pierrot tritt nun in den Abendzirkel der Herzogin ein; er hat sich schon ganz in den Geist seiner Atolle hineingefunden und sein Be¬ nehmen ist durchaus voll kaltblütiger Würde und angemessener Zier¬ lichkeit; er grüßt eben so fein, als wäre er ein Tanzmeister oder ein abgerichteter Hund; er reicht den Damen artig die Hand und weiß sein Augenglas so geschickt zwischen die obere Wölbung seiner Brauen und dem untern Bogen seines Auges einzupressen, als wäre er ein Stutzer, der sein Lebetag keine andere Beschäftigung gehabt hat. Besonders aber muß man ihn in der Nähe der Herzogin sehen. Wie anmuthig beugt er sich über die Lehne ihres Sessels, wie süß flüstert er ihr tausend zarte Worte ins Ohr, mit welchen Flammenzügen malt er ihr die Liebe, die für sie in seinem Herzen brennt! Mitten in seinem schönsten Redeflüsse aber hält Pierrot plötzlich inne, sein Schnurrbart, obgleich falsch, sträubt sich in die Höhe, seine Schminke fällt ihm vom Gesicht, seine Zähne klappern vor Entsetzen, die Aermel seines Fracks werden ihm plötzlich zu kurz ; eine dumpfe, erstickte Stimme, ähnlich dem Röcheln eines Sterbenden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/386>, abgerufen am 26.08.2024.