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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sein Auge glüht vor Begier, und in den Fingern zuckt ihm eine
unwiderstehliche Lust, und während er jene Worte spricht, streckt er
seine Hand mehrere Male hin, zieht sie aber wieder zurück. Der
Kleiderhändler hat so eben einen abgelegten Anzug eines dienstun¬
fähig gewordenen Nationalgardisten gekauft und trägt den dazu ge¬
hörigen Säbel, wie einen Regenschirm, unter dem Arm, so daß der
Handgriff der unschuldigen Waffe, die wahrscheinlich noch jungfräu¬
lich rein von Blut ist, ganz wie von selbst in Pierrot's Hand geräth,
der ihn denn auch erfaßt. Der Kleiderhändler, ohne dies im Ent¬
ferntesten zu bemerken, geht seinen Weg weiter, während Pierrot
mit dem Säbelgriff in der Hand unbeweglich stehen bleibt, so daß
die Klinge bald aus der Scheide gezogen ist, während der Kleider-
Händler letztere noch unter seinem Arme hält. Im Augenblicke, da
Pierrot den funkelnden Stahl erblickt, entflammt ein teuflischer Ge¬
danke sein Gehirn: er stößt die Klinge, nicht etwa in ihre Scheide
zurück, nein, in die Brust ihres unglückseligen Eigenthümers, so daß
sie ihn von hinten nach vorn durchbohrt und er starr und todt hin¬
sinkt. Pierrot verliert darüber durchaus seine Fassung nicht, sondern
sucht- sich aus dem Paauet des Verstorbenen die modischsten Klei¬
dungsstücke heraus, wofür er, um alle Spuren seines Verbrechens
hinwegzuräumen, den Leichnam in einen Keller hinabstürzt. Sicher,
daß man seine Missethat nicht entdecken werde, will er nun in seine
Wohnung hineingehen, um sich anzukleiden und eine Gesellschaft zu
besuchen, wo er sicher ist, seine angebetete Herzogin zu treffen: --
da plötzlich hebt sich die Fallthüre, die den Keller schließt, in die
Höhe und hervor steigt das Gespenst des Ermordeten, eine un-
heilvrohende Gestalt, eingehüllt in ein langes Leichentuch, die Brust
durchbohrt von dem Säbel, dessen Spitze noch hervorragt, und mit
grabesdumpfer, hohler Stimme ruft es aus: Marrrchand d'habits!
'

Das Entsetzen, den Schreck, der sich aufPierrots eingemehltem
Gesicht kund giebt, als er diese Stimme aus einer andern Welt ver¬
nimmt, -- das ist keine Feder zu beschreiben im Stande. Bald
aber ermannt er sich zu einem entsetzlichen Entschlüsse: er will dieser
Schreckenserscheinung ein für alle Mal ein Ende machen; er er¬
greift daher ein ungeheures Stück Holz aus einem in der Nähe
liegenden Haufen, und beginnt einen grausigen Kampf mit dem Ge-
spenste. Anfangs weicht dies seinen Hieben aus oder parirt sie,


sein Auge glüht vor Begier, und in den Fingern zuckt ihm eine
unwiderstehliche Lust, und während er jene Worte spricht, streckt er
seine Hand mehrere Male hin, zieht sie aber wieder zurück. Der
Kleiderhändler hat so eben einen abgelegten Anzug eines dienstun¬
fähig gewordenen Nationalgardisten gekauft und trägt den dazu ge¬
hörigen Säbel, wie einen Regenschirm, unter dem Arm, so daß der
Handgriff der unschuldigen Waffe, die wahrscheinlich noch jungfräu¬
lich rein von Blut ist, ganz wie von selbst in Pierrot's Hand geräth,
der ihn denn auch erfaßt. Der Kleiderhändler, ohne dies im Ent¬
ferntesten zu bemerken, geht seinen Weg weiter, während Pierrot
mit dem Säbelgriff in der Hand unbeweglich stehen bleibt, so daß
die Klinge bald aus der Scheide gezogen ist, während der Kleider-
Händler letztere noch unter seinem Arme hält. Im Augenblicke, da
Pierrot den funkelnden Stahl erblickt, entflammt ein teuflischer Ge¬
danke sein Gehirn: er stößt die Klinge, nicht etwa in ihre Scheide
zurück, nein, in die Brust ihres unglückseligen Eigenthümers, so daß
sie ihn von hinten nach vorn durchbohrt und er starr und todt hin¬
sinkt. Pierrot verliert darüber durchaus seine Fassung nicht, sondern
sucht- sich aus dem Paauet des Verstorbenen die modischsten Klei¬
dungsstücke heraus, wofür er, um alle Spuren seines Verbrechens
hinwegzuräumen, den Leichnam in einen Keller hinabstürzt. Sicher,
daß man seine Missethat nicht entdecken werde, will er nun in seine
Wohnung hineingehen, um sich anzukleiden und eine Gesellschaft zu
besuchen, wo er sicher ist, seine angebetete Herzogin zu treffen: —
da plötzlich hebt sich die Fallthüre, die den Keller schließt, in die
Höhe und hervor steigt das Gespenst des Ermordeten, eine un-
heilvrohende Gestalt, eingehüllt in ein langes Leichentuch, die Brust
durchbohrt von dem Säbel, dessen Spitze noch hervorragt, und mit
grabesdumpfer, hohler Stimme ruft es aus: Marrrchand d'habits!
'

Das Entsetzen, den Schreck, der sich aufPierrots eingemehltem
Gesicht kund giebt, als er diese Stimme aus einer andern Welt ver¬
nimmt, — das ist keine Feder zu beschreiben im Stande. Bald
aber ermannt er sich zu einem entsetzlichen Entschlüsse: er will dieser
Schreckenserscheinung ein für alle Mal ein Ende machen; er er¬
greift daher ein ungeheures Stück Holz aus einem in der Nähe
liegenden Haufen, und beginnt einen grausigen Kampf mit dem Ge-
spenste. Anfangs weicht dies seinen Hieben aus oder parirt sie,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/385>, abgerufen am 23.07.2024.