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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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durchdacht habe, besonders, was die Anordnung von Licht und
Schatten betrifft, fange ich an ihn in breiten Zügen auszumalen
und bemühe mich sofort, die Färbung, das Colorit hineinzubringen,
das ich in dem Gemälde, wenn es fertig sein wird, zu sehen wünsche.
Ich bestimme sofort die Wirkungen der Sonne, deS Lichts und des
Schattens u. f. w. ohne mich auch im Geringsten bei den Details
aufzuhalten. Auf diese Art finde ich in meiner Ebauche schon die
allgemeine Idee, die ich in mir trug, ehe ich mein Gemälde anfing:
ich bin im Stande, mir Rechenschaft zu geben von der Harmonie
der Gegenstände, die ich zusammengestellt und der Farben, die ich
ihnen verliehen, wobei ich zugleich noch den Vortheil habe, daß ich
vor Beendigung meiner Arbeit alle möglichen Arten von Verbesse¬
rungen darin anbringen kann.

Man kann freilich auf verschiedenen Wegen zu ein und dem¬
selben Ziele gelangen; aber warum soll man einen Umweg einschla¬
gen, wenn man geradeaus gehen kann?

ES giebt Maler, die ihre Idee erst aufs Papier hinwerfen
in einer rohen Skizze, nach der sie sodann eine ausführliche genaue
Zeichnung sich machen, welche sogar die Blumen und Gräser enthält,
die in ihrem zukünftigen Gemälde vorkommen sollen. Wenn
man diese Arbeit vollendet hat, so überträgt man sie in sklavischer
Nachahmung auf die Leinewand, indem man sie erst mit weißer
und schwarzer Kreide abzeichnet und sich dann, um die Umrisse de¬
finitiv zu bestimmen, einer Art Rohrfeder und einer braunen Tusche
bedient. Erst nach diesen langen Präliminarien greift man zur
Palette. Man fängt den Himmel an mit starker Farbengebung
und beendigt ihn mit einem Gusse, so daß alles Retouchiren un¬
möglich ist. Sodann geht man zur Fernsicht über, die man sorg¬
fältig beendigt, und so kommt ein Stück nach dem andern, bis der
Vordergrund und mit ihm das ganze Gemälde fertig ist.

Da es unmöglich ist, mit Wasser- oder Leim- oder Honig-
Farben ein so kräftiges und treues Colorit zu erhalten, als vermittelst
der Oelfarben, die sich zur Nachahmung der Natur am meisten eig¬
nen, so finde ich, daß man seinem Ziele sehr fern bleibt, wenn man
durch eine mit Hülfe der ersten Farbenarten gemachte Zeichnung
sich von der Wirkung/ die das Gemälde selbst hervorbringen wird,
einen Begriff machen will. Selbst angenommen, daß in der vor-


durchdacht habe, besonders, was die Anordnung von Licht und
Schatten betrifft, fange ich an ihn in breiten Zügen auszumalen
und bemühe mich sofort, die Färbung, das Colorit hineinzubringen,
das ich in dem Gemälde, wenn es fertig sein wird, zu sehen wünsche.
Ich bestimme sofort die Wirkungen der Sonne, deS Lichts und des
Schattens u. f. w. ohne mich auch im Geringsten bei den Details
aufzuhalten. Auf diese Art finde ich in meiner Ebauche schon die
allgemeine Idee, die ich in mir trug, ehe ich mein Gemälde anfing:
ich bin im Stande, mir Rechenschaft zu geben von der Harmonie
der Gegenstände, die ich zusammengestellt und der Farben, die ich
ihnen verliehen, wobei ich zugleich noch den Vortheil habe, daß ich
vor Beendigung meiner Arbeit alle möglichen Arten von Verbesse¬
rungen darin anbringen kann.

Man kann freilich auf verschiedenen Wegen zu ein und dem¬
selben Ziele gelangen; aber warum soll man einen Umweg einschla¬
gen, wenn man geradeaus gehen kann?

ES giebt Maler, die ihre Idee erst aufs Papier hinwerfen
in einer rohen Skizze, nach der sie sodann eine ausführliche genaue
Zeichnung sich machen, welche sogar die Blumen und Gräser enthält,
die in ihrem zukünftigen Gemälde vorkommen sollen. Wenn
man diese Arbeit vollendet hat, so überträgt man sie in sklavischer
Nachahmung auf die Leinewand, indem man sie erst mit weißer
und schwarzer Kreide abzeichnet und sich dann, um die Umrisse de¬
finitiv zu bestimmen, einer Art Rohrfeder und einer braunen Tusche
bedient. Erst nach diesen langen Präliminarien greift man zur
Palette. Man fängt den Himmel an mit starker Farbengebung
und beendigt ihn mit einem Gusse, so daß alles Retouchiren un¬
möglich ist. Sodann geht man zur Fernsicht über, die man sorg¬
fältig beendigt, und so kommt ein Stück nach dem andern, bis der
Vordergrund und mit ihm das ganze Gemälde fertig ist.

Da es unmöglich ist, mit Wasser- oder Leim- oder Honig-
Farben ein so kräftiges und treues Colorit zu erhalten, als vermittelst
der Oelfarben, die sich zur Nachahmung der Natur am meisten eig¬
nen, so finde ich, daß man seinem Ziele sehr fern bleibt, wenn man
durch eine mit Hülfe der ersten Farbenarten gemachte Zeichnung
sich von der Wirkung/ die das Gemälde selbst hervorbringen wird,
einen Begriff machen will. Selbst angenommen, daß in der vor-


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[0370] durchdacht habe, besonders, was die Anordnung von Licht und Schatten betrifft, fange ich an ihn in breiten Zügen auszumalen und bemühe mich sofort, die Färbung, das Colorit hineinzubringen, das ich in dem Gemälde, wenn es fertig sein wird, zu sehen wünsche. Ich bestimme sofort die Wirkungen der Sonne, deS Lichts und des Schattens u. f. w. ohne mich auch im Geringsten bei den Details aufzuhalten. Auf diese Art finde ich in meiner Ebauche schon die allgemeine Idee, die ich in mir trug, ehe ich mein Gemälde anfing: ich bin im Stande, mir Rechenschaft zu geben von der Harmonie der Gegenstände, die ich zusammengestellt und der Farben, die ich ihnen verliehen, wobei ich zugleich noch den Vortheil habe, daß ich vor Beendigung meiner Arbeit alle möglichen Arten von Verbesse¬ rungen darin anbringen kann. Man kann freilich auf verschiedenen Wegen zu ein und dem¬ selben Ziele gelangen; aber warum soll man einen Umweg einschla¬ gen, wenn man geradeaus gehen kann? ES giebt Maler, die ihre Idee erst aufs Papier hinwerfen in einer rohen Skizze, nach der sie sodann eine ausführliche genaue Zeichnung sich machen, welche sogar die Blumen und Gräser enthält, die in ihrem zukünftigen Gemälde vorkommen sollen. Wenn man diese Arbeit vollendet hat, so überträgt man sie in sklavischer Nachahmung auf die Leinewand, indem man sie erst mit weißer und schwarzer Kreide abzeichnet und sich dann, um die Umrisse de¬ finitiv zu bestimmen, einer Art Rohrfeder und einer braunen Tusche bedient. Erst nach diesen langen Präliminarien greift man zur Palette. Man fängt den Himmel an mit starker Farbengebung und beendigt ihn mit einem Gusse, so daß alles Retouchiren un¬ möglich ist. Sodann geht man zur Fernsicht über, die man sorg¬ fältig beendigt, und so kommt ein Stück nach dem andern, bis der Vordergrund und mit ihm das ganze Gemälde fertig ist. Da es unmöglich ist, mit Wasser- oder Leim- oder Honig- Farben ein so kräftiges und treues Colorit zu erhalten, als vermittelst der Oelfarben, die sich zur Nachahmung der Natur am meisten eig¬ nen, so finde ich, daß man seinem Ziele sehr fern bleibt, wenn man durch eine mit Hülfe der ersten Farbenarten gemachte Zeichnung sich von der Wirkung/ die das Gemälde selbst hervorbringen wird, einen Begriff machen will. Selbst angenommen, daß in der vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/370>, abgerufen am 29.09.2024.