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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sie Ihnen: sie ist gesund für die Verdauung: der ernsteste Misanthrop
muß darüber lachen.

Zwei kleine Engelsköpfchen tauchten gleichfalls aus dem Ge¬
dränge auf, um Alles in Bewunderung zu versetzen, die Schwestern
Milonollo, zwei Violinspielerinnen, die eine von neun, die andre
von zwölf Jahren. Es giebt keine Kinder mehr; die Meisterschaft,
mit welcher das ältere dieser beiden Mädchen den Bogen führt, ist
ganz von dem Gepräge eines Rhode, eines Spohr, eines Mayseder:
Deutschland kann neue Kränze winden: diese beiden kleinen Italie¬
nerinnen kommen, um sie in Empfang zu nehmen. Diese Zeilen
sind die ersten Boten des bald ausbrechenden allgemeinen deutschen
Enthusiasmus.

Der glänzendste Punkt der ganzen Festlichkeit war aber ohn¬
streitig die Illumination. Städte, die an Flüssen liegen, haben
einen großen Vortheil voraus: es ist nicht wahr, daß das Wasser
ein Feind des Feuers ist; im Gegentheil: eS vervielfacht es durch
seine Spiegelungen in'ö Unzählbare. Der Anblick vom Meine aus
war unvergleichlich; ich glaube, der starrköpfigste Republikaner hätte
in diesem Augenblick royalistische Gesinnungen bekommen: die Auf¬
regung war allgemein und der Jubel wahrhaft vom Herzen kommend.
Als ich des andern Morgens nochmals an dem Rheinufer auf- und
abging, um die Stellen der nächtlichen Fröhlichkeit bei Tageslichte
zu betrachten, da waren die Lämpchen ausgebrannt, die Dochte
schwarz , die Schiffer schläfrig, und die Stadt lag im Morgennebel
nüchtern und werktäglich da.

Ist dieses ein Symbol? Wird das Cölner Fest nichts als
eine vorübergehende Illumination, eine augenblickliche Aufregung,
ein Schauspiel für einige Stunden gewesen sein?


R. G.


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sie Ihnen: sie ist gesund für die Verdauung: der ernsteste Misanthrop
muß darüber lachen.

Zwei kleine Engelsköpfchen tauchten gleichfalls aus dem Ge¬
dränge auf, um Alles in Bewunderung zu versetzen, die Schwestern
Milonollo, zwei Violinspielerinnen, die eine von neun, die andre
von zwölf Jahren. Es giebt keine Kinder mehr; die Meisterschaft,
mit welcher das ältere dieser beiden Mädchen den Bogen führt, ist
ganz von dem Gepräge eines Rhode, eines Spohr, eines Mayseder:
Deutschland kann neue Kränze winden: diese beiden kleinen Italie¬
nerinnen kommen, um sie in Empfang zu nehmen. Diese Zeilen
sind die ersten Boten des bald ausbrechenden allgemeinen deutschen
Enthusiasmus.

Der glänzendste Punkt der ganzen Festlichkeit war aber ohn¬
streitig die Illumination. Städte, die an Flüssen liegen, haben
einen großen Vortheil voraus: es ist nicht wahr, daß das Wasser
ein Feind des Feuers ist; im Gegentheil: eS vervielfacht es durch
seine Spiegelungen in'ö Unzählbare. Der Anblick vom Meine aus
war unvergleichlich; ich glaube, der starrköpfigste Republikaner hätte
in diesem Augenblick royalistische Gesinnungen bekommen: die Auf¬
regung war allgemein und der Jubel wahrhaft vom Herzen kommend.
Als ich des andern Morgens nochmals an dem Rheinufer auf- und
abging, um die Stellen der nächtlichen Fröhlichkeit bei Tageslichte
zu betrachten, da waren die Lämpchen ausgebrannt, die Dochte
schwarz , die Schiffer schläfrig, und die Stadt lag im Morgennebel
nüchtern und werktäglich da.

Ist dieses ein Symbol? Wird das Cölner Fest nichts als
eine vorübergehende Illumination, eine augenblickliche Aufregung,
ein Schauspiel für einige Stunden gewesen sein?


R. G.


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[0337] sie Ihnen: sie ist gesund für die Verdauung: der ernsteste Misanthrop muß darüber lachen. Zwei kleine Engelsköpfchen tauchten gleichfalls aus dem Ge¬ dränge auf, um Alles in Bewunderung zu versetzen, die Schwestern Milonollo, zwei Violinspielerinnen, die eine von neun, die andre von zwölf Jahren. Es giebt keine Kinder mehr; die Meisterschaft, mit welcher das ältere dieser beiden Mädchen den Bogen führt, ist ganz von dem Gepräge eines Rhode, eines Spohr, eines Mayseder: Deutschland kann neue Kränze winden: diese beiden kleinen Italie¬ nerinnen kommen, um sie in Empfang zu nehmen. Diese Zeilen sind die ersten Boten des bald ausbrechenden allgemeinen deutschen Enthusiasmus. Der glänzendste Punkt der ganzen Festlichkeit war aber ohn¬ streitig die Illumination. Städte, die an Flüssen liegen, haben einen großen Vortheil voraus: es ist nicht wahr, daß das Wasser ein Feind des Feuers ist; im Gegentheil: eS vervielfacht es durch seine Spiegelungen in'ö Unzählbare. Der Anblick vom Meine aus war unvergleichlich; ich glaube, der starrköpfigste Republikaner hätte in diesem Augenblick royalistische Gesinnungen bekommen: die Auf¬ regung war allgemein und der Jubel wahrhaft vom Herzen kommend. Als ich des andern Morgens nochmals an dem Rheinufer auf- und abging, um die Stellen der nächtlichen Fröhlichkeit bei Tageslichte zu betrachten, da waren die Lämpchen ausgebrannt, die Dochte schwarz , die Schiffer schläfrig, und die Stadt lag im Morgennebel nüchtern und werktäglich da. Ist dieses ein Symbol? Wird das Cölner Fest nichts als eine vorübergehende Illumination, eine augenblickliche Aufregung, ein Schauspiel für einige Stunden gewesen sein? R. G. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/337>, abgerufen am 29.06.2024.