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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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schen Rheines und des deutschen Geistes sich ergießen können, un¬
begrenzt, unbeengt, die Welt in freier Bewegung umfassend. Soll
das Fest dieser Tage nicht ein falsches, lügenhaftes, undeutscheö sein,
so müssen die Wünsche der Nation in Erfüllung gebracht werden
und ganz Deutschland muß die Worte des königlichen Redners im
Echo wiederholen können: "Meine Herren von Cöln! Es hat sich
Großes unter Ihnen begeben!"

Ich traf auf dem Redactionsbureau der Rheinischen keinen der
Redacteure zu Hause: die liberalen Herren waren an diesem Tage
wahrscheinlich liberal gegen sich selbst und durchstreiften die Straßen
und raubten den Fremden das Bischen Platz, das zwischen den engen
Häusern noch zum Gehen übrig blieb. Erst später stellte man mir
im Gedränge einen der Redacteure vor, eine lange, hagere Gestalt,
mit blassem Gesichte und schlotternder, unentschiedener Haltung, die
eher einem Universitätsfuchs ähnlich sieht. Insoweit erschien er mir
als vollständiger Gegensatz des Redacteurs und Besitzers der Eölni-
schen Zeitung, H.Dumont-Schaumberg, eines großen, kräftigen Mannes,
mit offenen, gutmüthigen Zügen, bestimmt in seinen Worten und
Bewegungen, wie Jemand, der seiner Sache gewiß ist. In der
That, die Cölnische Zeitung, mit ihren achttausend Abomienren, in
ihrer wohlgenährten Behaglichkeit, mit dem ächt rheinländischen
Principe "Leben und leben lassen," wie sollte sie nicht röthere Wan¬
gen haben, als ihre jüngere, zukunftschwangere, philosophirende, stets
aufgeregte Schwester. Die Politik der Kölnischen Zeitung ist (von
praktischem Gesichtspunkte aus betrachtet,) eine sehr kluge; indem
sie in den preußischen Fragen meist das Interesse der Regierung
vertritt, sucht sie den Vorwurf deS JlliberalismuS dadurch von sich
abzuwenden, daß sie in nicht-preußischen Angelegenheiten sich gerne
zum Organe der Opposition macht; so z. B. nimmt sie über die
badischen Kammerverhandlungen viele Artikel aus der liberalen
Mannheimer Abendzeitung; die nicht unbedeutenden Berichte aus
Würtemberg sind gleichfalls in diesem Sinne geschrieben u. s. w.
'

Sind die Straßen Cölns eng, so waren die Gasthöfe dies
Mal noch enger. Ich mußte mit einem glücklicher Weise mageren
Engländer und einem jungen jüdischen Arzte ein und dasselbe
Zimmer theilen und wohl dem, der noch so glücklich weg kam, als
ich. Viele Personen schliefen auf den Schiffen und in den Reise-


schen Rheines und des deutschen Geistes sich ergießen können, un¬
begrenzt, unbeengt, die Welt in freier Bewegung umfassend. Soll
das Fest dieser Tage nicht ein falsches, lügenhaftes, undeutscheö sein,
so müssen die Wünsche der Nation in Erfüllung gebracht werden
und ganz Deutschland muß die Worte des königlichen Redners im
Echo wiederholen können: „Meine Herren von Cöln! Es hat sich
Großes unter Ihnen begeben!"

Ich traf auf dem Redactionsbureau der Rheinischen keinen der
Redacteure zu Hause: die liberalen Herren waren an diesem Tage
wahrscheinlich liberal gegen sich selbst und durchstreiften die Straßen
und raubten den Fremden das Bischen Platz, das zwischen den engen
Häusern noch zum Gehen übrig blieb. Erst später stellte man mir
im Gedränge einen der Redacteure vor, eine lange, hagere Gestalt,
mit blassem Gesichte und schlotternder, unentschiedener Haltung, die
eher einem Universitätsfuchs ähnlich sieht. Insoweit erschien er mir
als vollständiger Gegensatz des Redacteurs und Besitzers der Eölni-
schen Zeitung, H.Dumont-Schaumberg, eines großen, kräftigen Mannes,
mit offenen, gutmüthigen Zügen, bestimmt in seinen Worten und
Bewegungen, wie Jemand, der seiner Sache gewiß ist. In der
That, die Cölnische Zeitung, mit ihren achttausend Abomienren, in
ihrer wohlgenährten Behaglichkeit, mit dem ächt rheinländischen
Principe „Leben und leben lassen," wie sollte sie nicht röthere Wan¬
gen haben, als ihre jüngere, zukunftschwangere, philosophirende, stets
aufgeregte Schwester. Die Politik der Kölnischen Zeitung ist (von
praktischem Gesichtspunkte aus betrachtet,) eine sehr kluge; indem
sie in den preußischen Fragen meist das Interesse der Regierung
vertritt, sucht sie den Vorwurf deS JlliberalismuS dadurch von sich
abzuwenden, daß sie in nicht-preußischen Angelegenheiten sich gerne
zum Organe der Opposition macht; so z. B. nimmt sie über die
badischen Kammerverhandlungen viele Artikel aus der liberalen
Mannheimer Abendzeitung; die nicht unbedeutenden Berichte aus
Würtemberg sind gleichfalls in diesem Sinne geschrieben u. s. w.
'

Sind die Straßen Cölns eng, so waren die Gasthöfe dies
Mal noch enger. Ich mußte mit einem glücklicher Weise mageren
Engländer und einem jungen jüdischen Arzte ein und dasselbe
Zimmer theilen und wohl dem, der noch so glücklich weg kam, als
ich. Viele Personen schliefen auf den Schiffen und in den Reise-


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[0333] schen Rheines und des deutschen Geistes sich ergießen können, un¬ begrenzt, unbeengt, die Welt in freier Bewegung umfassend. Soll das Fest dieser Tage nicht ein falsches, lügenhaftes, undeutscheö sein, so müssen die Wünsche der Nation in Erfüllung gebracht werden und ganz Deutschland muß die Worte des königlichen Redners im Echo wiederholen können: „Meine Herren von Cöln! Es hat sich Großes unter Ihnen begeben!" Ich traf auf dem Redactionsbureau der Rheinischen keinen der Redacteure zu Hause: die liberalen Herren waren an diesem Tage wahrscheinlich liberal gegen sich selbst und durchstreiften die Straßen und raubten den Fremden das Bischen Platz, das zwischen den engen Häusern noch zum Gehen übrig blieb. Erst später stellte man mir im Gedränge einen der Redacteure vor, eine lange, hagere Gestalt, mit blassem Gesichte und schlotternder, unentschiedener Haltung, die eher einem Universitätsfuchs ähnlich sieht. Insoweit erschien er mir als vollständiger Gegensatz des Redacteurs und Besitzers der Eölni- schen Zeitung, H.Dumont-Schaumberg, eines großen, kräftigen Mannes, mit offenen, gutmüthigen Zügen, bestimmt in seinen Worten und Bewegungen, wie Jemand, der seiner Sache gewiß ist. In der That, die Cölnische Zeitung, mit ihren achttausend Abomienren, in ihrer wohlgenährten Behaglichkeit, mit dem ächt rheinländischen Principe „Leben und leben lassen," wie sollte sie nicht röthere Wan¬ gen haben, als ihre jüngere, zukunftschwangere, philosophirende, stets aufgeregte Schwester. Die Politik der Kölnischen Zeitung ist (von praktischem Gesichtspunkte aus betrachtet,) eine sehr kluge; indem sie in den preußischen Fragen meist das Interesse der Regierung vertritt, sucht sie den Vorwurf deS JlliberalismuS dadurch von sich abzuwenden, daß sie in nicht-preußischen Angelegenheiten sich gerne zum Organe der Opposition macht; so z. B. nimmt sie über die badischen Kammerverhandlungen viele Artikel aus der liberalen Mannheimer Abendzeitung; die nicht unbedeutenden Berichte aus Würtemberg sind gleichfalls in diesem Sinne geschrieben u. s. w. ' Sind die Straßen Cölns eng, so waren die Gasthöfe dies Mal noch enger. Ich mußte mit einem glücklicher Weise mageren Engländer und einem jungen jüdischen Arzte ein und dasselbe Zimmer theilen und wohl dem, der noch so glücklich weg kam, als ich. Viele Personen schliefen auf den Schiffen und in den Reise-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/333>, abgerufen am 23.07.2024.