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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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voraus; die Regierung muß also dem Erfinder als Bürge dienen,
daß ihn: sein Kostenaufwand ersetzt werde.

Die Wahrheiten kommen nicht Plötzlich; sie springen nicht wie
Minervcn geharnischt und von Kopf bis auf den Fuß gewaffnet
aus Jupiter's Haupt.

Durch einen Mangel an Bürgschaft die freien Nachsuchungen
im Bereiche der Industrie hemmen, heißt der Denkfreiheit einen Zü¬
gel anlegen, und wo keine Denkfreiheit ist, giebt es nur Unwissen¬
heit und Knechtschaft.

Colbert, der berühmte Minister Ludwig's XIV., zog die Er¬
finder ins Land, richtete ihnen selbst Etablissements ein, lieferte
ihnen Geld, um sie zu führen, und bewilligte ihnen oft, selbst wenn
sie nur Nachahmer fremder Erfindungen waren, Privilegien von
fünfzehn bis zwanzig Jahren; so z.B. handelte er, um die Venetiani-
schen Spiegelgläser und das Sächsische Porzellan in Frankreich ein¬
heimisch zu machen. Der Erfolg hat seine Maßregeln gerechtfertigt.

Eine wichtige Bemerkung scheint uns die, daß diejenigen Län¬
der, wo Industrie und Civilisation am meisten Fortschritte gemacht
haben, zugleich auch diejenigen sind, in welchen frühzeitig das gesetz¬
liche Eigenthumsrecht des Gedankens anerkannt wurde. Ein Blick
auf die folgenden sprechenden Zahlen wird das beweisen. England
gab sein Gesetz über die Patente 1623; Frankreich und die Nordameri¬
kanischen Freistaaten 1790; Preußen und Nußland 1812; Baiern,
Würtemberg. die Niederlande 1817; Oesterreich und Italien 182V;
Spanien, Portugal und Neapel noch später.

In der Türkei, in Persien, in Indien, wo es keine derartigen
Gesetze giebt, giebt es auch keine Entdeckungen, ausgenommen etwa
ein Farben- oder Firniß-Geheimntß, oder ähnliche Sachen, die man
leicht geheim halten kann. In diesen Ländern stehen die Dinge
noch ganz auf demselben Fuße, auf dem sie in Europa im Mittel¬
alter standen, in jener Zeit der Alchymisten und Wahrsager und
Sterndeuter, der Zauberer und Zigeuner, welche die Länder durchzo¬
gen und ihre Arzneimittel, ihre Wundertränke, ihre Universalheil¬
mittel verkauften und alle Welt, vom Bauer bis zum Fürsten, be¬
trogen. Das war die gute Zeit für den Stein der Weisen, für die
Verwandlung der Metalle, für Amulete und dergleichen mehr.

So fern wir aber auch dieser Zelt stehen, so leicht ist es, uns


voraus; die Regierung muß also dem Erfinder als Bürge dienen,
daß ihn: sein Kostenaufwand ersetzt werde.

Die Wahrheiten kommen nicht Plötzlich; sie springen nicht wie
Minervcn geharnischt und von Kopf bis auf den Fuß gewaffnet
aus Jupiter's Haupt.

Durch einen Mangel an Bürgschaft die freien Nachsuchungen
im Bereiche der Industrie hemmen, heißt der Denkfreiheit einen Zü¬
gel anlegen, und wo keine Denkfreiheit ist, giebt es nur Unwissen¬
heit und Knechtschaft.

Colbert, der berühmte Minister Ludwig's XIV., zog die Er¬
finder ins Land, richtete ihnen selbst Etablissements ein, lieferte
ihnen Geld, um sie zu führen, und bewilligte ihnen oft, selbst wenn
sie nur Nachahmer fremder Erfindungen waren, Privilegien von
fünfzehn bis zwanzig Jahren; so z.B. handelte er, um die Venetiani-
schen Spiegelgläser und das Sächsische Porzellan in Frankreich ein¬
heimisch zu machen. Der Erfolg hat seine Maßregeln gerechtfertigt.

Eine wichtige Bemerkung scheint uns die, daß diejenigen Län¬
der, wo Industrie und Civilisation am meisten Fortschritte gemacht
haben, zugleich auch diejenigen sind, in welchen frühzeitig das gesetz¬
liche Eigenthumsrecht des Gedankens anerkannt wurde. Ein Blick
auf die folgenden sprechenden Zahlen wird das beweisen. England
gab sein Gesetz über die Patente 1623; Frankreich und die Nordameri¬
kanischen Freistaaten 1790; Preußen und Nußland 1812; Baiern,
Würtemberg. die Niederlande 1817; Oesterreich und Italien 182V;
Spanien, Portugal und Neapel noch später.

In der Türkei, in Persien, in Indien, wo es keine derartigen
Gesetze giebt, giebt es auch keine Entdeckungen, ausgenommen etwa
ein Farben- oder Firniß-Geheimntß, oder ähnliche Sachen, die man
leicht geheim halten kann. In diesen Ländern stehen die Dinge
noch ganz auf demselben Fuße, auf dem sie in Europa im Mittel¬
alter standen, in jener Zeit der Alchymisten und Wahrsager und
Sterndeuter, der Zauberer und Zigeuner, welche die Länder durchzo¬
gen und ihre Arzneimittel, ihre Wundertränke, ihre Universalheil¬
mittel verkauften und alle Welt, vom Bauer bis zum Fürsten, be¬
trogen. Das war die gute Zeit für den Stein der Weisen, für die
Verwandlung der Metalle, für Amulete und dergleichen mehr.

So fern wir aber auch dieser Zelt stehen, so leicht ist es, uns


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[0328] voraus; die Regierung muß also dem Erfinder als Bürge dienen, daß ihn: sein Kostenaufwand ersetzt werde. Die Wahrheiten kommen nicht Plötzlich; sie springen nicht wie Minervcn geharnischt und von Kopf bis auf den Fuß gewaffnet aus Jupiter's Haupt. Durch einen Mangel an Bürgschaft die freien Nachsuchungen im Bereiche der Industrie hemmen, heißt der Denkfreiheit einen Zü¬ gel anlegen, und wo keine Denkfreiheit ist, giebt es nur Unwissen¬ heit und Knechtschaft. Colbert, der berühmte Minister Ludwig's XIV., zog die Er¬ finder ins Land, richtete ihnen selbst Etablissements ein, lieferte ihnen Geld, um sie zu führen, und bewilligte ihnen oft, selbst wenn sie nur Nachahmer fremder Erfindungen waren, Privilegien von fünfzehn bis zwanzig Jahren; so z.B. handelte er, um die Venetiani- schen Spiegelgläser und das Sächsische Porzellan in Frankreich ein¬ heimisch zu machen. Der Erfolg hat seine Maßregeln gerechtfertigt. Eine wichtige Bemerkung scheint uns die, daß diejenigen Län¬ der, wo Industrie und Civilisation am meisten Fortschritte gemacht haben, zugleich auch diejenigen sind, in welchen frühzeitig das gesetz¬ liche Eigenthumsrecht des Gedankens anerkannt wurde. Ein Blick auf die folgenden sprechenden Zahlen wird das beweisen. England gab sein Gesetz über die Patente 1623; Frankreich und die Nordameri¬ kanischen Freistaaten 1790; Preußen und Nußland 1812; Baiern, Würtemberg. die Niederlande 1817; Oesterreich und Italien 182V; Spanien, Portugal und Neapel noch später. In der Türkei, in Persien, in Indien, wo es keine derartigen Gesetze giebt, giebt es auch keine Entdeckungen, ausgenommen etwa ein Farben- oder Firniß-Geheimntß, oder ähnliche Sachen, die man leicht geheim halten kann. In diesen Ländern stehen die Dinge noch ganz auf demselben Fuße, auf dem sie in Europa im Mittel¬ alter standen, in jener Zeit der Alchymisten und Wahrsager und Sterndeuter, der Zauberer und Zigeuner, welche die Länder durchzo¬ gen und ihre Arzneimittel, ihre Wundertränke, ihre Universalheil¬ mittel verkauften und alle Welt, vom Bauer bis zum Fürsten, be¬ trogen. Das war die gute Zeit für den Stein der Weisen, für die Verwandlung der Metalle, für Amulete und dergleichen mehr. So fern wir aber auch dieser Zelt stehen, so leicht ist es, uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/328>, abgerufen am 26.08.2024.