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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Geschrei, alle Klagen, die man gegen die Anwendung neuer Maschv
nen erhebt, haben also keinen Gehalt und können zu Nichts führen.
Denn der Gang der Industrie ist heutiger Zeit eine Nothwendigkeit
geworden, die höher steht, als die Macht irgend einer Negierung."

"Ein zweiter, beträchtlicher Vortheil der Maschinen ist, daß sie
den Menschen einer Menge der schwersten und geistig abstumpfcndsten
Arbeiten entheben. Sie thun Alles, wozu es keiner Beimischung
von Intelligenz bedarf, Alles, was durch ein einförmiges, sich stets
gleich bleibendes Verfahren geschieht. Das ist ein Fortschritt, der
wohl in Anschlag gebracht zu werden verdient. Der Mensch erhebt
sich und steigt um eine Stufe höher zu seiner Bestimmung und das
jedes Mal, so oft er rein mechanischer Verrichtungen entbunden
wird. In den ältesten Zeiten spannte man Sclaven an die Müh¬
len, um das Korn zu zermalmen: nachher kam man darauf, die
Mühlgänge von Pferden oder Ochsen treiben zu lassen; jetzt endlich
hat man auch die Thiere durch die lebendige und doch todte Kraft
der Maschine ersetzt. Dabei können nun die Civilisation und die
menschliche Würde nur gewinnen."

"So weit die guten Seiten der Einführung der Maschinen z da¬
neben aber steht eine andere, noch bedeutender Verbesserungen fähige
und bedürftige, und das ist die moralische Seite. Wir wollen auch
diese kurz berühren."

"Ein industrielles Etablissement kann jetzt nur mit Hülfe be¬
deutender Geldmittel errichtet werden. Dies hat aber eine dreifache
nachtheilige Folge. Zunächst nämlich wird der Uebergang vom Ge¬
hülfen, Gesellen, Arbeiter zum Stande eines freien Meisters von
Tage zu Tage seltner. Sodann sind durch den Einfluß des Gelves
die Häupter der Industrie vornehme Herren geworden, oft genug
schon von Geburt aus gewesen: dadurch haben denn jene wohlwol¬
lenden, fast familienartigen Beziehungen zwischen Meister und Ge¬
sellen aufgehört, wie sie zu großem Nutzen der Moralität der arbei¬
tenden Klassen früher bestanden, da noch der Meister an einem
Tische mit seinem sämmtlichen Arbeitspersonale speiste und unter
einem Dache, wo möglich, mit ihnen schlief. Endlich wird hier-


Ersindung des Wcrkstuhls nur etwa 2VVV Personen beschäftigte während sie
,
A. d. Aerf. jetzt 20VVV0 Arbeitern Brod giebt.
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Geschrei, alle Klagen, die man gegen die Anwendung neuer Maschv
nen erhebt, haben also keinen Gehalt und können zu Nichts führen.
Denn der Gang der Industrie ist heutiger Zeit eine Nothwendigkeit
geworden, die höher steht, als die Macht irgend einer Negierung."

„Ein zweiter, beträchtlicher Vortheil der Maschinen ist, daß sie
den Menschen einer Menge der schwersten und geistig abstumpfcndsten
Arbeiten entheben. Sie thun Alles, wozu es keiner Beimischung
von Intelligenz bedarf, Alles, was durch ein einförmiges, sich stets
gleich bleibendes Verfahren geschieht. Das ist ein Fortschritt, der
wohl in Anschlag gebracht zu werden verdient. Der Mensch erhebt
sich und steigt um eine Stufe höher zu seiner Bestimmung und das
jedes Mal, so oft er rein mechanischer Verrichtungen entbunden
wird. In den ältesten Zeiten spannte man Sclaven an die Müh¬
len, um das Korn zu zermalmen: nachher kam man darauf, die
Mühlgänge von Pferden oder Ochsen treiben zu lassen; jetzt endlich
hat man auch die Thiere durch die lebendige und doch todte Kraft
der Maschine ersetzt. Dabei können nun die Civilisation und die
menschliche Würde nur gewinnen."

„So weit die guten Seiten der Einführung der Maschinen z da¬
neben aber steht eine andere, noch bedeutender Verbesserungen fähige
und bedürftige, und das ist die moralische Seite. Wir wollen auch
diese kurz berühren."

„Ein industrielles Etablissement kann jetzt nur mit Hülfe be¬
deutender Geldmittel errichtet werden. Dies hat aber eine dreifache
nachtheilige Folge. Zunächst nämlich wird der Uebergang vom Ge¬
hülfen, Gesellen, Arbeiter zum Stande eines freien Meisters von
Tage zu Tage seltner. Sodann sind durch den Einfluß des Gelves
die Häupter der Industrie vornehme Herren geworden, oft genug
schon von Geburt aus gewesen: dadurch haben denn jene wohlwol¬
lenden, fast familienartigen Beziehungen zwischen Meister und Ge¬
sellen aufgehört, wie sie zu großem Nutzen der Moralität der arbei¬
tenden Klassen früher bestanden, da noch der Meister an einem
Tische mit seinem sämmtlichen Arbeitspersonale speiste und unter
einem Dache, wo möglich, mit ihnen schlief. Endlich wird hier-


Ersindung des Wcrkstuhls nur etwa 2VVV Personen beschäftigte während sie
,
A. d. Aerf. jetzt 20VVV0 Arbeitern Brod giebt.
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[0321] Geschrei, alle Klagen, die man gegen die Anwendung neuer Maschv nen erhebt, haben also keinen Gehalt und können zu Nichts führen. Denn der Gang der Industrie ist heutiger Zeit eine Nothwendigkeit geworden, die höher steht, als die Macht irgend einer Negierung." „Ein zweiter, beträchtlicher Vortheil der Maschinen ist, daß sie den Menschen einer Menge der schwersten und geistig abstumpfcndsten Arbeiten entheben. Sie thun Alles, wozu es keiner Beimischung von Intelligenz bedarf, Alles, was durch ein einförmiges, sich stets gleich bleibendes Verfahren geschieht. Das ist ein Fortschritt, der wohl in Anschlag gebracht zu werden verdient. Der Mensch erhebt sich und steigt um eine Stufe höher zu seiner Bestimmung und das jedes Mal, so oft er rein mechanischer Verrichtungen entbunden wird. In den ältesten Zeiten spannte man Sclaven an die Müh¬ len, um das Korn zu zermalmen: nachher kam man darauf, die Mühlgänge von Pferden oder Ochsen treiben zu lassen; jetzt endlich hat man auch die Thiere durch die lebendige und doch todte Kraft der Maschine ersetzt. Dabei können nun die Civilisation und die menschliche Würde nur gewinnen." „So weit die guten Seiten der Einführung der Maschinen z da¬ neben aber steht eine andere, noch bedeutender Verbesserungen fähige und bedürftige, und das ist die moralische Seite. Wir wollen auch diese kurz berühren." „Ein industrielles Etablissement kann jetzt nur mit Hülfe be¬ deutender Geldmittel errichtet werden. Dies hat aber eine dreifache nachtheilige Folge. Zunächst nämlich wird der Uebergang vom Ge¬ hülfen, Gesellen, Arbeiter zum Stande eines freien Meisters von Tage zu Tage seltner. Sodann sind durch den Einfluß des Gelves die Häupter der Industrie vornehme Herren geworden, oft genug schon von Geburt aus gewesen: dadurch haben denn jene wohlwol¬ lenden, fast familienartigen Beziehungen zwischen Meister und Ge¬ sellen aufgehört, wie sie zu großem Nutzen der Moralität der arbei¬ tenden Klassen früher bestanden, da noch der Meister an einem Tische mit seinem sämmtlichen Arbeitspersonale speiste und unter einem Dache, wo möglich, mit ihnen schlief. Endlich wird hier- Ersindung des Wcrkstuhls nur etwa 2VVV Personen beschäftigte während sie , A. d. Aerf. jetzt 20VVV0 Arbeitern Brod giebt. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/321>, abgerufen am 26.08.2024.