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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Geschichte gab. Markgräfliches Jagdschloß -- was knüpft sich
an solchen Namen nicht alte Romantik von Jägerlust aus Hirsch
und Eber, und auf manches edlere Wild, das sich in süßem Garne
fangen läßt, von Falken-, Beth- und Mtnnedienst. Aber gut, daß
wir, ich meine wir, die wir Unterthanen der Markgrafen von Ans-
bach waren oder von solchen geboren sind, nichts von Ansbach-Bat-
reuthischer Romantik wissen, es sei denn von den Sauhetzen, von dem
Pferde-zu-todt-Reiten, von den Gestüten, von der Hundezucht, und
ganz absonders von dem Galgen, an dem der letzte kleine Tyrann
den unbedeutendsten Dieb neben dem Vatermörder baumeln ließ,
um seines Namensvetters, Aleranders des Großen würdig zu wer¬
den. Nach dessen Tode erbte bekanntlich Preußen, in dem damals
noch der Korporalstock, der Zopf und die Kamasche im schönsten
Flore standen, daS Ansbach "Bairenthische Fürstenthum, und für eS
war die Erbschaft weder zu romantisch noch zu poetisch. Also gut,
sagte ich, daß wir nicht mehr nach dem Hallo der Jäger und dem
Echo der Hörner lauschen, so treten wir ungeirrt und ohne Leid
näher und sehen das im ganz einfachen Stile gebaute drctflügelige
Schloß sammt den Nebengebäuden, das in eine Porcellanfabrik um,
gewandelt ist, welche ein tu Literatur und Philosophie gut bewar>
derter, lebenskräftiger und völliger Mann, der Schwager Feuerbach's,
besitzt und leitet.

Köstliche Ironie, daß Feuerbach den Oertern entflieht, wo den
Göttern der verblaßten Welt geopfert wird, um dahin zu ziehen,
wo man die Opferschalen dazu fabrizirt, vor allem buntgeschmückk-
Kaffeeschalen. Doch ein Trost ist nahe. Konnte der Mensch nie,
mais seinem Geschick und seinem Gott entfliehen, verfolgt nun vol,
tends heute der Gott der Zeit auf den Flügeln deS Dampfes den
armen Flüchtling über Meer und Land bis in die geheimsten Schluch¬
ten und Klüfte, daß von ihm wenigstens die geschäftigen Menschen
das Wort empfinden: "nahmest Du die Schwingen der Morgen¬
röthe und flögest an die Grenzen der Erde, siehe, ich bin Dir nahe;''
-- kann also dagegen selbst sür den feurigsten Geist keine Rettung
sein, seitdem die Erfindung des Satans daS Feuer mit dem Wasser
zusammenschweißt, um die beiden herrlichen Elemente als fahle, todte
Schwaden, gespenstig-blasse Nebel und Dünste dem leeren, nimmer¬
satten, ewig nach Wirklichkeit und Leben gähnenden Gott der un"


Geschichte gab. Markgräfliches Jagdschloß — was knüpft sich
an solchen Namen nicht alte Romantik von Jägerlust aus Hirsch
und Eber, und auf manches edlere Wild, das sich in süßem Garne
fangen läßt, von Falken-, Beth- und Mtnnedienst. Aber gut, daß
wir, ich meine wir, die wir Unterthanen der Markgrafen von Ans-
bach waren oder von solchen geboren sind, nichts von Ansbach-Bat-
reuthischer Romantik wissen, es sei denn von den Sauhetzen, von dem
Pferde-zu-todt-Reiten, von den Gestüten, von der Hundezucht, und
ganz absonders von dem Galgen, an dem der letzte kleine Tyrann
den unbedeutendsten Dieb neben dem Vatermörder baumeln ließ,
um seines Namensvetters, Aleranders des Großen würdig zu wer¬
den. Nach dessen Tode erbte bekanntlich Preußen, in dem damals
noch der Korporalstock, der Zopf und die Kamasche im schönsten
Flore standen, daS Ansbach »Bairenthische Fürstenthum, und für eS
war die Erbschaft weder zu romantisch noch zu poetisch. Also gut,
sagte ich, daß wir nicht mehr nach dem Hallo der Jäger und dem
Echo der Hörner lauschen, so treten wir ungeirrt und ohne Leid
näher und sehen das im ganz einfachen Stile gebaute drctflügelige
Schloß sammt den Nebengebäuden, das in eine Porcellanfabrik um,
gewandelt ist, welche ein tu Literatur und Philosophie gut bewar>
derter, lebenskräftiger und völliger Mann, der Schwager Feuerbach's,
besitzt und leitet.

Köstliche Ironie, daß Feuerbach den Oertern entflieht, wo den
Göttern der verblaßten Welt geopfert wird, um dahin zu ziehen,
wo man die Opferschalen dazu fabrizirt, vor allem buntgeschmückk-
Kaffeeschalen. Doch ein Trost ist nahe. Konnte der Mensch nie,
mais seinem Geschick und seinem Gott entfliehen, verfolgt nun vol,
tends heute der Gott der Zeit auf den Flügeln deS Dampfes den
armen Flüchtling über Meer und Land bis in die geheimsten Schluch¬
ten und Klüfte, daß von ihm wenigstens die geschäftigen Menschen
das Wort empfinden: „nahmest Du die Schwingen der Morgen¬
röthe und flögest an die Grenzen der Erde, siehe, ich bin Dir nahe;''
— kann also dagegen selbst sür den feurigsten Geist keine Rettung
sein, seitdem die Erfindung des Satans daS Feuer mit dem Wasser
zusammenschweißt, um die beiden herrlichen Elemente als fahle, todte
Schwaden, gespenstig-blasse Nebel und Dünste dem leeren, nimmer¬
satten, ewig nach Wirklichkeit und Leben gähnenden Gott der un»


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[0031] Geschichte gab. Markgräfliches Jagdschloß — was knüpft sich an solchen Namen nicht alte Romantik von Jägerlust aus Hirsch und Eber, und auf manches edlere Wild, das sich in süßem Garne fangen läßt, von Falken-, Beth- und Mtnnedienst. Aber gut, daß wir, ich meine wir, die wir Unterthanen der Markgrafen von Ans- bach waren oder von solchen geboren sind, nichts von Ansbach-Bat- reuthischer Romantik wissen, es sei denn von den Sauhetzen, von dem Pferde-zu-todt-Reiten, von den Gestüten, von der Hundezucht, und ganz absonders von dem Galgen, an dem der letzte kleine Tyrann den unbedeutendsten Dieb neben dem Vatermörder baumeln ließ, um seines Namensvetters, Aleranders des Großen würdig zu wer¬ den. Nach dessen Tode erbte bekanntlich Preußen, in dem damals noch der Korporalstock, der Zopf und die Kamasche im schönsten Flore standen, daS Ansbach »Bairenthische Fürstenthum, und für eS war die Erbschaft weder zu romantisch noch zu poetisch. Also gut, sagte ich, daß wir nicht mehr nach dem Hallo der Jäger und dem Echo der Hörner lauschen, so treten wir ungeirrt und ohne Leid näher und sehen das im ganz einfachen Stile gebaute drctflügelige Schloß sammt den Nebengebäuden, das in eine Porcellanfabrik um, gewandelt ist, welche ein tu Literatur und Philosophie gut bewar> derter, lebenskräftiger und völliger Mann, der Schwager Feuerbach's, besitzt und leitet. Köstliche Ironie, daß Feuerbach den Oertern entflieht, wo den Göttern der verblaßten Welt geopfert wird, um dahin zu ziehen, wo man die Opferschalen dazu fabrizirt, vor allem buntgeschmückk- Kaffeeschalen. Doch ein Trost ist nahe. Konnte der Mensch nie, mais seinem Geschick und seinem Gott entfliehen, verfolgt nun vol, tends heute der Gott der Zeit auf den Flügeln deS Dampfes den armen Flüchtling über Meer und Land bis in die geheimsten Schluch¬ ten und Klüfte, daß von ihm wenigstens die geschäftigen Menschen das Wort empfinden: „nahmest Du die Schwingen der Morgen¬ röthe und flögest an die Grenzen der Erde, siehe, ich bin Dir nahe;'' — kann also dagegen selbst sür den feurigsten Geist keine Rettung sein, seitdem die Erfindung des Satans daS Feuer mit dem Wasser zusammenschweißt, um die beiden herrlichen Elemente als fahle, todte Schwaden, gespenstig-blasse Nebel und Dünste dem leeren, nimmer¬ satten, ewig nach Wirklichkeit und Leben gähnenden Gott der un»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/31>, abgerufen am 23.07.2024.