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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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zu machen: den größten Triumph hat diese wohl dadurch gefeiert, daß unsere
alte Pasta in Berlin noch so viel Aussehen machen konnte. Es hat dieses dem
deutschen Geschmacke hier keinen großen Credit erworben; ein hiesiges Journal
meinte spöttisch: eine dürre italienische Feige sei für deutsche Zungen noch
eine Delikatesse. Rossini kommt häusig Hieher. Er beharrt über seinem Ent¬
schlüsse, auf seinen Lorbeeren auszuruhen und nichts mehr zu componiren und
lacht über seine Verleger, wenn sie in großsprecherischer Ankündigungen das
Swbat seinem Wilhelm Teil an die Seite stellen. Er benutzt jedoch sein otium
cum clignititts und auf eine sür sein Vaterland und die Musik gleich nützliche
Weise, indem er sich die Aufgabe gestellt hat, die italienischen Conservatorien
umzugestalten. Er hat zunächst die Leitung des musikalischen Lyceums in
Bologna übernommen, und man ist zu der Hoffnung berechtigt, daß dieses
Institut unter einem solchen Director seine alte Berühmtheit bald wieder er¬
langen wird- Er hat den alten Gebrauch der Prüfungsconcerte und der jähr¬
lichen Ermuntcrnngspreise daselbst wieder eingeführt. Im letztverflossenen Juni
hat Cardinal Oppizom, Erzbischof von Bologna, eigenhändig die Preise ver¬
theilt; Rossini war bei der Feierlichkeit zugegen und die einstimmigen Beifalls-
bezeugungen sämmtlicher Zuschauer waren ein Beweis der allgemein dankbaren
Gesinnung, ti^ Rossini als den einzigen und schönsten Lohn seiner Bemühun¬
gen zur Förderung des Lyceums annimmt. Im Concerte, das man bei dieser
Gelegenheit unter Leitung und Anordnung des Meisters gab, wurde unter an¬
deren Stücken auch Beethoven's Ouvertüre zu Egmont ausgeführt. Diese
Huldigung, die Rossini dem deutschen Musikgenius darbrachte, ist um so er¬
freulicher und von Seiten Rossini's um so verdienstlicher, als seine Leistungen
keinesweges von Beethoven mit derselben Unparteilichkeit beurtheilt wurden,
dieser ihn vielmehr einen Spitzbuben nannte. Ich erinnere mich in dieser Be¬
ziehung einer pikanten Anekdote. Man spielte in Wien den Barbier von Se-
villa und Beethoven, welcher der Vorstellung beiwohnte, gab den ganzen Abend
hindurch deutliche Zeichen von dem Vergnügen, das er empfand. Besonders
schien ihn die Scene des Gesanguntcrrichts, wo die Musik auf eine so geist¬
reiche Weise das stumme Spiel Figaro's und Bartolo'ö ausdrückt, während das
Liebespaar seine gegenseitigen Geständnisse austauscht, sehr zu interessiren. Nach
der Vorstellung machte ihm der alte Kanne, der bekannte Wiener Kritiker,
der in seiner Nähe gesessen hatte, ein Compliment darüber, daß er nun
endlich von seinem ungerechten Borurthcil gegen die italienische Musik zurück¬
komme und besonders, daß er den glänzenden Geist, der sich in der Partitur
des Barbiers ausspricht, Gerechtigkeit widerfahren lasse. Beethoven aber


zu machen: den größten Triumph hat diese wohl dadurch gefeiert, daß unsere
alte Pasta in Berlin noch so viel Aussehen machen konnte. Es hat dieses dem
deutschen Geschmacke hier keinen großen Credit erworben; ein hiesiges Journal
meinte spöttisch: eine dürre italienische Feige sei für deutsche Zungen noch
eine Delikatesse. Rossini kommt häusig Hieher. Er beharrt über seinem Ent¬
schlüsse, auf seinen Lorbeeren auszuruhen und nichts mehr zu componiren und
lacht über seine Verleger, wenn sie in großsprecherischer Ankündigungen das
Swbat seinem Wilhelm Teil an die Seite stellen. Er benutzt jedoch sein otium
cum clignititts und auf eine sür sein Vaterland und die Musik gleich nützliche
Weise, indem er sich die Aufgabe gestellt hat, die italienischen Conservatorien
umzugestalten. Er hat zunächst die Leitung des musikalischen Lyceums in
Bologna übernommen, und man ist zu der Hoffnung berechtigt, daß dieses
Institut unter einem solchen Director seine alte Berühmtheit bald wieder er¬
langen wird- Er hat den alten Gebrauch der Prüfungsconcerte und der jähr¬
lichen Ermuntcrnngspreise daselbst wieder eingeführt. Im letztverflossenen Juni
hat Cardinal Oppizom, Erzbischof von Bologna, eigenhändig die Preise ver¬
theilt; Rossini war bei der Feierlichkeit zugegen und die einstimmigen Beifalls-
bezeugungen sämmtlicher Zuschauer waren ein Beweis der allgemein dankbaren
Gesinnung, ti^ Rossini als den einzigen und schönsten Lohn seiner Bemühun¬
gen zur Förderung des Lyceums annimmt. Im Concerte, das man bei dieser
Gelegenheit unter Leitung und Anordnung des Meisters gab, wurde unter an¬
deren Stücken auch Beethoven's Ouvertüre zu Egmont ausgeführt. Diese
Huldigung, die Rossini dem deutschen Musikgenius darbrachte, ist um so er¬
freulicher und von Seiten Rossini's um so verdienstlicher, als seine Leistungen
keinesweges von Beethoven mit derselben Unparteilichkeit beurtheilt wurden,
dieser ihn vielmehr einen Spitzbuben nannte. Ich erinnere mich in dieser Be¬
ziehung einer pikanten Anekdote. Man spielte in Wien den Barbier von Se-
villa und Beethoven, welcher der Vorstellung beiwohnte, gab den ganzen Abend
hindurch deutliche Zeichen von dem Vergnügen, das er empfand. Besonders
schien ihn die Scene des Gesanguntcrrichts, wo die Musik auf eine so geist¬
reiche Weise das stumme Spiel Figaro's und Bartolo'ö ausdrückt, während das
Liebespaar seine gegenseitigen Geständnisse austauscht, sehr zu interessiren. Nach
der Vorstellung machte ihm der alte Kanne, der bekannte Wiener Kritiker,
der in seiner Nähe gesessen hatte, ein Compliment darüber, daß er nun
endlich von seinem ungerechten Borurthcil gegen die italienische Musik zurück¬
komme und besonders, daß er den glänzenden Geist, der sich in der Partitur
des Barbiers ausspricht, Gerechtigkeit widerfahren lasse. Beethoven aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/297>, abgerufen am 03.07.2024.