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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sie sich gewöhnlich Hafer zu essen, man giebt alsdann einem jeden
anderthalb Rationen Heu.

Sehr ernsthafte Schwierigkeiten bereitet der Uebergang über
Ströme. In jenen fernen Gegenden, wo die Civilisation noch in
den Kinderjahren ist, findet man nur sehr wenig Brücken. Wo man
Fähren besitzt, würden diese freilich ein sehr gutes Mittel abgeben,
über das Wasser zu setzen. Die Thiere sind aber zu wild, um sich
einschiffen zu lassen. Sie müssen also schwimmend hinüberkommen
und zu diesem Zwecke verfährt man folgendermaßen. Ein Soldat
macht den Anfang damit, daß er vermittelst einer Fähre eins von
den Thieren, welches die Glocke trägt, auf das andere Ufer übersetzt.
Man zwingt sodann die übrigen Pferde, in'S Wasser hineinzugehen
und wenn sie erst einmal darin sind, so folgen sie dem Lcitroß schwim¬
mend, indem ihr Instinkt sie treibt, eine Art ungleichseitigen Dreiecks
zu bilden, dessen spitzester Winkel gegen den Strom gerichtet ist.
Bekanntlich setzen die Pferde im Zustande völliger Wildheit stets
schwimmend über Ströme, wie dies ja eins der malerischsten Schau¬
spiele ist, das jene wüsteiiartigen Prairien und Savannen Nordame¬
rikas darbieten.

Außer diesen unvermeidlichen Hindernissen giebt es noch eine
Menge von Zufällen, auf die man gefaßt sein muß. Unter diesen ist
der häufig eintretende Fall eines Sturmwetters in Begleitung von
Donner und Blitz der vor allen am meisten zu fürchtende. Denn
selbst wenn die Pferde im vollkommnen Naturzustände leben, so wie
umgekehrt auch, wenn sie Hausthiere geworden sind, verursacht ihnen
das Geräusch des Donners einen außerordentlichen Schrecken, da bei
diesen Thieren der Sinn des Gehörs überaus empfindlich ist

Man stelle sich den Convoi vor, wie er am Ende eines Tages
voll Strapatzen Halt macht und sich anschickt, die Nacht mitten in
irgend einer unbewohnten Ebene zuzubringen; man hat die gehöri¬
gen Anstalten getroffen, daß die Pferde nicht entfliehen können; der
Offizier und seine Leute beschäftigen sich rund um das Bivouac her¬
um mit Reinigung ihrer Kleider, Zubereitung des Nachtmahls u.s.w.
Plötzlich breiten sich große Wolken wie ein dichter Trauerschleier
über die Himmelsdecke hin. Das Tageslicht erblaßt, die atmosphä¬
rische Luft wird drückender und schwerer, und die ganze Natur scheint
wie unter der Last eines feierlichen Erwartens darmederzuliegm. Bald


sie sich gewöhnlich Hafer zu essen, man giebt alsdann einem jeden
anderthalb Rationen Heu.

Sehr ernsthafte Schwierigkeiten bereitet der Uebergang über
Ströme. In jenen fernen Gegenden, wo die Civilisation noch in
den Kinderjahren ist, findet man nur sehr wenig Brücken. Wo man
Fähren besitzt, würden diese freilich ein sehr gutes Mittel abgeben,
über das Wasser zu setzen. Die Thiere sind aber zu wild, um sich
einschiffen zu lassen. Sie müssen also schwimmend hinüberkommen
und zu diesem Zwecke verfährt man folgendermaßen. Ein Soldat
macht den Anfang damit, daß er vermittelst einer Fähre eins von
den Thieren, welches die Glocke trägt, auf das andere Ufer übersetzt.
Man zwingt sodann die übrigen Pferde, in'S Wasser hineinzugehen
und wenn sie erst einmal darin sind, so folgen sie dem Lcitroß schwim¬
mend, indem ihr Instinkt sie treibt, eine Art ungleichseitigen Dreiecks
zu bilden, dessen spitzester Winkel gegen den Strom gerichtet ist.
Bekanntlich setzen die Pferde im Zustande völliger Wildheit stets
schwimmend über Ströme, wie dies ja eins der malerischsten Schau¬
spiele ist, das jene wüsteiiartigen Prairien und Savannen Nordame¬
rikas darbieten.

Außer diesen unvermeidlichen Hindernissen giebt es noch eine
Menge von Zufällen, auf die man gefaßt sein muß. Unter diesen ist
der häufig eintretende Fall eines Sturmwetters in Begleitung von
Donner und Blitz der vor allen am meisten zu fürchtende. Denn
selbst wenn die Pferde im vollkommnen Naturzustände leben, so wie
umgekehrt auch, wenn sie Hausthiere geworden sind, verursacht ihnen
das Geräusch des Donners einen außerordentlichen Schrecken, da bei
diesen Thieren der Sinn des Gehörs überaus empfindlich ist

Man stelle sich den Convoi vor, wie er am Ende eines Tages
voll Strapatzen Halt macht und sich anschickt, die Nacht mitten in
irgend einer unbewohnten Ebene zuzubringen; man hat die gehöri¬
gen Anstalten getroffen, daß die Pferde nicht entfliehen können; der
Offizier und seine Leute beschäftigen sich rund um das Bivouac her¬
um mit Reinigung ihrer Kleider, Zubereitung des Nachtmahls u.s.w.
Plötzlich breiten sich große Wolken wie ein dichter Trauerschleier
über die Himmelsdecke hin. Das Tageslicht erblaßt, die atmosphä¬
rische Luft wird drückender und schwerer, und die ganze Natur scheint
wie unter der Last eines feierlichen Erwartens darmederzuliegm. Bald


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[0287] sie sich gewöhnlich Hafer zu essen, man giebt alsdann einem jeden anderthalb Rationen Heu. Sehr ernsthafte Schwierigkeiten bereitet der Uebergang über Ströme. In jenen fernen Gegenden, wo die Civilisation noch in den Kinderjahren ist, findet man nur sehr wenig Brücken. Wo man Fähren besitzt, würden diese freilich ein sehr gutes Mittel abgeben, über das Wasser zu setzen. Die Thiere sind aber zu wild, um sich einschiffen zu lassen. Sie müssen also schwimmend hinüberkommen und zu diesem Zwecke verfährt man folgendermaßen. Ein Soldat macht den Anfang damit, daß er vermittelst einer Fähre eins von den Thieren, welches die Glocke trägt, auf das andere Ufer übersetzt. Man zwingt sodann die übrigen Pferde, in'S Wasser hineinzugehen und wenn sie erst einmal darin sind, so folgen sie dem Lcitroß schwim¬ mend, indem ihr Instinkt sie treibt, eine Art ungleichseitigen Dreiecks zu bilden, dessen spitzester Winkel gegen den Strom gerichtet ist. Bekanntlich setzen die Pferde im Zustande völliger Wildheit stets schwimmend über Ströme, wie dies ja eins der malerischsten Schau¬ spiele ist, das jene wüsteiiartigen Prairien und Savannen Nordame¬ rikas darbieten. Außer diesen unvermeidlichen Hindernissen giebt es noch eine Menge von Zufällen, auf die man gefaßt sein muß. Unter diesen ist der häufig eintretende Fall eines Sturmwetters in Begleitung von Donner und Blitz der vor allen am meisten zu fürchtende. Denn selbst wenn die Pferde im vollkommnen Naturzustände leben, so wie umgekehrt auch, wenn sie Hausthiere geworden sind, verursacht ihnen das Geräusch des Donners einen außerordentlichen Schrecken, da bei diesen Thieren der Sinn des Gehörs überaus empfindlich ist Man stelle sich den Convoi vor, wie er am Ende eines Tages voll Strapatzen Halt macht und sich anschickt, die Nacht mitten in irgend einer unbewohnten Ebene zuzubringen; man hat die gehöri¬ gen Anstalten getroffen, daß die Pferde nicht entfliehen können; der Offizier und seine Leute beschäftigen sich rund um das Bivouac her¬ um mit Reinigung ihrer Kleider, Zubereitung des Nachtmahls u.s.w. Plötzlich breiten sich große Wolken wie ein dichter Trauerschleier über die Himmelsdecke hin. Das Tageslicht erblaßt, die atmosphä¬ rische Luft wird drückender und schwerer, und die ganze Natur scheint wie unter der Last eines feierlichen Erwartens darmederzuliegm. Bald

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/287>, abgerufen am 26.08.2024.