Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Norden Ungarns und namentlich an der polnischen Grenze ist die
Gegend außerordentlich gebirgig, da diese ganze Linie von den Kar¬
pathen begrenzt wird. Erst seit einigen Jahren hat man angefan¬
gen, einige ziemlich gute Straßen in diesem Landstriche anzulegen;
unglücklicherweise aber führen sie nicht weit. Im Allgemeinen ist
dasjenige, was man dort Landstraße nennt, nur eine Art Fußsteig,
der die Felder durchschneider und der durchaus von keiner Seite ir¬
gendwie durch Graben oder sonst wie immer, abgeschlossen ist. Um
nun auf diesem von allen Seiten offenen Wege Pferde zu lenken und
zusammenzuhalten, müssen die Führer derselben mit langen Peitschen
bewaffnet sein. Einer von ihnen stellt sich an die Spitze des Zuges,
andere sind auf den Seiten von Entfernung zu Entfernung postirt
und die übrigen marschiren hinterdrein, um die Nachzügler vorwärts
zutreiben.

Die Städte und Dörfer liegen in diesen Provinzen bedeutende
Strecken auseinander. ES ist daher äußerst selten, daß man jede
Nacht an den Haltpunkten ein Obdach für die Pferde findet. Man
schließt sie meist in den Hof irgend einer Herberge ein: ehe man
sie aber zum Eintritt in diesen Hof bewegt, sind, besonders wenn
die Herberge im Innern des Dorfes liegt, nicht unbedeutende Schwie¬
rigkeiten zu überwinden. Man kommt damit oft nicht zu Stande
und ist genöthigt, außerhalb des Dorfes irgend ein Gehege zu suchen
oder zu einem andern Hülfsmittel seine Zuflucht zu nehmen. Da
man fast überall eine große Anzahl Karren und vierrädrige Wagen
besitzt, so bildet man daraus ein Niereck, dessen eine Seite man offen
läßt, bis die Pferde hineingegangen sind, worauf man es dann von
außen abschließt. Innerhalb bilden dann andere Karren Abtheilun¬
gen, Trennungsmauern) man wirft ihnen darauf Stroh oder Heu
hinein und die Wagenleitern dienen ihnen anstatt der Raufen.
Kann man sich nicht Wagen genug verschaffen, so muß man Mauer¬
leitern und Stangen anwenden, um die Lücken in den von den Karren
gebildeten Linien auszufüllen. Zwei oder drei Soldaten, die nur
einen Marschtag voraus sind, haben das Amt, für diese Vorberei¬
tungen des jedesmaligen Nachtlagers zu sorgen, damit die Pferde
bei der Ankunft sofort ihren Stall oder deren Stellvertreter vorfinden.
In der ersten Zeit, so lange diese Thiere nicht gezähmt sind, weigern


Im Norden Ungarns und namentlich an der polnischen Grenze ist die
Gegend außerordentlich gebirgig, da diese ganze Linie von den Kar¬
pathen begrenzt wird. Erst seit einigen Jahren hat man angefan¬
gen, einige ziemlich gute Straßen in diesem Landstriche anzulegen;
unglücklicherweise aber führen sie nicht weit. Im Allgemeinen ist
dasjenige, was man dort Landstraße nennt, nur eine Art Fußsteig,
der die Felder durchschneider und der durchaus von keiner Seite ir¬
gendwie durch Graben oder sonst wie immer, abgeschlossen ist. Um
nun auf diesem von allen Seiten offenen Wege Pferde zu lenken und
zusammenzuhalten, müssen die Führer derselben mit langen Peitschen
bewaffnet sein. Einer von ihnen stellt sich an die Spitze des Zuges,
andere sind auf den Seiten von Entfernung zu Entfernung postirt
und die übrigen marschiren hinterdrein, um die Nachzügler vorwärts
zutreiben.

Die Städte und Dörfer liegen in diesen Provinzen bedeutende
Strecken auseinander. ES ist daher äußerst selten, daß man jede
Nacht an den Haltpunkten ein Obdach für die Pferde findet. Man
schließt sie meist in den Hof irgend einer Herberge ein: ehe man
sie aber zum Eintritt in diesen Hof bewegt, sind, besonders wenn
die Herberge im Innern des Dorfes liegt, nicht unbedeutende Schwie¬
rigkeiten zu überwinden. Man kommt damit oft nicht zu Stande
und ist genöthigt, außerhalb des Dorfes irgend ein Gehege zu suchen
oder zu einem andern Hülfsmittel seine Zuflucht zu nehmen. Da
man fast überall eine große Anzahl Karren und vierrädrige Wagen
besitzt, so bildet man daraus ein Niereck, dessen eine Seite man offen
läßt, bis die Pferde hineingegangen sind, worauf man es dann von
außen abschließt. Innerhalb bilden dann andere Karren Abtheilun¬
gen, Trennungsmauern) man wirft ihnen darauf Stroh oder Heu
hinein und die Wagenleitern dienen ihnen anstatt der Raufen.
Kann man sich nicht Wagen genug verschaffen, so muß man Mauer¬
leitern und Stangen anwenden, um die Lücken in den von den Karren
gebildeten Linien auszufüllen. Zwei oder drei Soldaten, die nur
einen Marschtag voraus sind, haben das Amt, für diese Vorberei¬
tungen des jedesmaligen Nachtlagers zu sorgen, damit die Pferde
bei der Ankunft sofort ihren Stall oder deren Stellvertreter vorfinden.
In der ersten Zeit, so lange diese Thiere nicht gezähmt sind, weigern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266903"/>
            <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> Im Norden Ungarns und namentlich an der polnischen Grenze ist die<lb/>
Gegend außerordentlich gebirgig, da diese ganze Linie von den Kar¬<lb/>
pathen begrenzt wird. Erst seit einigen Jahren hat man angefan¬<lb/>
gen, einige ziemlich gute Straßen in diesem Landstriche anzulegen;<lb/>
unglücklicherweise aber führen sie nicht weit. Im Allgemeinen ist<lb/>
dasjenige, was man dort Landstraße nennt, nur eine Art Fußsteig,<lb/>
der die Felder durchschneider und der durchaus von keiner Seite ir¬<lb/>
gendwie durch Graben oder sonst wie immer, abgeschlossen ist. Um<lb/>
nun auf diesem von allen Seiten offenen Wege Pferde zu lenken und<lb/>
zusammenzuhalten, müssen die Führer derselben mit langen Peitschen<lb/>
bewaffnet sein. Einer von ihnen stellt sich an die Spitze des Zuges,<lb/>
andere sind auf den Seiten von Entfernung zu Entfernung postirt<lb/>
und die übrigen marschiren hinterdrein, um die Nachzügler vorwärts<lb/>
zutreiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Die Städte und Dörfer liegen in diesen Provinzen bedeutende<lb/>
Strecken auseinander. ES ist daher äußerst selten, daß man jede<lb/>
Nacht an den Haltpunkten ein Obdach für die Pferde findet. Man<lb/>
schließt sie meist in den Hof irgend einer Herberge ein: ehe man<lb/>
sie aber zum Eintritt in diesen Hof bewegt, sind, besonders wenn<lb/>
die Herberge im Innern des Dorfes liegt, nicht unbedeutende Schwie¬<lb/>
rigkeiten zu überwinden. Man kommt damit oft nicht zu Stande<lb/>
und ist genöthigt, außerhalb des Dorfes irgend ein Gehege zu suchen<lb/>
oder zu einem andern Hülfsmittel seine Zuflucht zu nehmen. Da<lb/>
man fast überall eine große Anzahl Karren und vierrädrige Wagen<lb/>
besitzt, so bildet man daraus ein Niereck, dessen eine Seite man offen<lb/>
läßt, bis die Pferde hineingegangen sind, worauf man es dann von<lb/>
außen abschließt. Innerhalb bilden dann andere Karren Abtheilun¬<lb/>
gen, Trennungsmauern) man wirft ihnen darauf Stroh oder Heu<lb/>
hinein und die Wagenleitern dienen ihnen anstatt der Raufen.<lb/>
Kann man sich nicht Wagen genug verschaffen, so muß man Mauer¬<lb/>
leitern und Stangen anwenden, um die Lücken in den von den Karren<lb/>
gebildeten Linien auszufüllen. Zwei oder drei Soldaten, die nur<lb/>
einen Marschtag voraus sind, haben das Amt, für diese Vorberei¬<lb/>
tungen des jedesmaligen Nachtlagers zu sorgen, damit die Pferde<lb/>
bei der Ankunft sofort ihren Stall oder deren Stellvertreter vorfinden.<lb/>
In der ersten Zeit, so lange diese Thiere nicht gezähmt sind, weigern</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0286] Im Norden Ungarns und namentlich an der polnischen Grenze ist die Gegend außerordentlich gebirgig, da diese ganze Linie von den Kar¬ pathen begrenzt wird. Erst seit einigen Jahren hat man angefan¬ gen, einige ziemlich gute Straßen in diesem Landstriche anzulegen; unglücklicherweise aber führen sie nicht weit. Im Allgemeinen ist dasjenige, was man dort Landstraße nennt, nur eine Art Fußsteig, der die Felder durchschneider und der durchaus von keiner Seite ir¬ gendwie durch Graben oder sonst wie immer, abgeschlossen ist. Um nun auf diesem von allen Seiten offenen Wege Pferde zu lenken und zusammenzuhalten, müssen die Führer derselben mit langen Peitschen bewaffnet sein. Einer von ihnen stellt sich an die Spitze des Zuges, andere sind auf den Seiten von Entfernung zu Entfernung postirt und die übrigen marschiren hinterdrein, um die Nachzügler vorwärts zutreiben. Die Städte und Dörfer liegen in diesen Provinzen bedeutende Strecken auseinander. ES ist daher äußerst selten, daß man jede Nacht an den Haltpunkten ein Obdach für die Pferde findet. Man schließt sie meist in den Hof irgend einer Herberge ein: ehe man sie aber zum Eintritt in diesen Hof bewegt, sind, besonders wenn die Herberge im Innern des Dorfes liegt, nicht unbedeutende Schwie¬ rigkeiten zu überwinden. Man kommt damit oft nicht zu Stande und ist genöthigt, außerhalb des Dorfes irgend ein Gehege zu suchen oder zu einem andern Hülfsmittel seine Zuflucht zu nehmen. Da man fast überall eine große Anzahl Karren und vierrädrige Wagen besitzt, so bildet man daraus ein Niereck, dessen eine Seite man offen läßt, bis die Pferde hineingegangen sind, worauf man es dann von außen abschließt. Innerhalb bilden dann andere Karren Abtheilun¬ gen, Trennungsmauern) man wirft ihnen darauf Stroh oder Heu hinein und die Wagenleitern dienen ihnen anstatt der Raufen. Kann man sich nicht Wagen genug verschaffen, so muß man Mauer¬ leitern und Stangen anwenden, um die Lücken in den von den Karren gebildeten Linien auszufüllen. Zwei oder drei Soldaten, die nur einen Marschtag voraus sind, haben das Amt, für diese Vorberei¬ tungen des jedesmaligen Nachtlagers zu sorgen, damit die Pferde bei der Ankunft sofort ihren Stall oder deren Stellvertreter vorfinden. In der ersten Zeit, so lange diese Thiere nicht gezähmt sind, weigern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/286
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/286>, abgerufen am 26.08.2024.