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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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mir dem Schaft des Csakcmy treibt es vorwärts. Einen Augenblick
daraus fliegt die mit sicherer Hand geschleuderte Waffe todbringend
auf das Haupt des Wolfes. Der Csik6s, den der Ungestüm seines
Pferdes fortreißt, hält sich an der Mähne fest mit der einen Hand,
während er sich mit der andern zur Erde beugt, um seinen Csakany
aufzuraffen, worauf er dann seinen Ritt fortsetzt. Denn der schwerste
Theil seiner Arbeit steht ihm noch bevor, nämlich die Wiedervereini¬
gung seiner Pferde, die sich erschreckt nach allen Richtungen hin zerstreut
haben. Doch er kömmt bald damit zu Stande und in kurzer Zeit
ist die Ordnung wieder hergestellt: nur trägt eines der Pferde von
den Klauen und den Zähnen des Wolfes tiefe Wundmale.

Aus diesen ungarischen Bauern nun werden die meisten Husaren-
Regimenter recrutirt. Abgehärtet gegen Strapazen, gegen Hunger,
gegen Nachtwachen, von Jugend auf der Elemente rauhem Wechsel
ausgesetzt, geben sie natürlich ganz treffliche Soldaten ab; jedoch
sind sie aus eben so leicht begreiflichen Gründen etwas schwer an
Subordination und Disciplin zu gewöhnen und im Anfange ihrer
Dienstzeit verursachen sie häusig unangenehme Vorfälle und lassen
sich leicht grobe Vergehen zu Schulden kommen. Zugleich aber wird
man nun einsehen, wie andere Nationen, bei denen die vorbereiten¬
den Zustände fehlen, wodurch der Ungar zum Husaren herangebildet
ist, noch ehe er unter die Uniform kömmt, unmöglich eine mit
dieser wetteifernde, leichte Cavalerie haben können.

Eine andre falsche Ansicht von der ungarischen Reiterei, die
man im Auslande sehr häufig und weitverbreitet findet, ist die, daß
sie nur mit ungarischen Pferden beritten sei. Dem war wohl früher
so; für den Husaren unserer Tage aber ist das heutige ungarische
Pferd zu klein. Ueberdem haben die Stutereibcsitzer, welche früher
die Lieferung für die Regimenter hatten, sich jetzt in Wien einen
vortheilhafteren Markt für ihre Erzeugnisse eröffnet. Durch diesen
Umstand, so wie durch die Einführung der englischen Pferderace ist
die Waare dermaßen im Preise gestiegen, daß die Regierung sich
genöthigt fand, sich anderswoher zu versehen. Es giebt jedoch ein
Regiment, das gänzlich mit ungarischen Pferden beritten gemacht ist;
es ist dieß das dritte Husaren-Regiment, das in Pesth und der
Umgegend sein Standlager hat. Das zweite Husaren- und das
vierte leichte Dragoner-Regiment machen sich aus Siebenbürgen


mir dem Schaft des Csakcmy treibt es vorwärts. Einen Augenblick
daraus fliegt die mit sicherer Hand geschleuderte Waffe todbringend
auf das Haupt des Wolfes. Der Csik6s, den der Ungestüm seines
Pferdes fortreißt, hält sich an der Mähne fest mit der einen Hand,
während er sich mit der andern zur Erde beugt, um seinen Csakany
aufzuraffen, worauf er dann seinen Ritt fortsetzt. Denn der schwerste
Theil seiner Arbeit steht ihm noch bevor, nämlich die Wiedervereini¬
gung seiner Pferde, die sich erschreckt nach allen Richtungen hin zerstreut
haben. Doch er kömmt bald damit zu Stande und in kurzer Zeit
ist die Ordnung wieder hergestellt: nur trägt eines der Pferde von
den Klauen und den Zähnen des Wolfes tiefe Wundmale.

Aus diesen ungarischen Bauern nun werden die meisten Husaren-
Regimenter recrutirt. Abgehärtet gegen Strapazen, gegen Hunger,
gegen Nachtwachen, von Jugend auf der Elemente rauhem Wechsel
ausgesetzt, geben sie natürlich ganz treffliche Soldaten ab; jedoch
sind sie aus eben so leicht begreiflichen Gründen etwas schwer an
Subordination und Disciplin zu gewöhnen und im Anfange ihrer
Dienstzeit verursachen sie häusig unangenehme Vorfälle und lassen
sich leicht grobe Vergehen zu Schulden kommen. Zugleich aber wird
man nun einsehen, wie andere Nationen, bei denen die vorbereiten¬
den Zustände fehlen, wodurch der Ungar zum Husaren herangebildet
ist, noch ehe er unter die Uniform kömmt, unmöglich eine mit
dieser wetteifernde, leichte Cavalerie haben können.

Eine andre falsche Ansicht von der ungarischen Reiterei, die
man im Auslande sehr häufig und weitverbreitet findet, ist die, daß
sie nur mit ungarischen Pferden beritten sei. Dem war wohl früher
so; für den Husaren unserer Tage aber ist das heutige ungarische
Pferd zu klein. Ueberdem haben die Stutereibcsitzer, welche früher
die Lieferung für die Regimenter hatten, sich jetzt in Wien einen
vortheilhafteren Markt für ihre Erzeugnisse eröffnet. Durch diesen
Umstand, so wie durch die Einführung der englischen Pferderace ist
die Waare dermaßen im Preise gestiegen, daß die Regierung sich
genöthigt fand, sich anderswoher zu versehen. Es giebt jedoch ein
Regiment, das gänzlich mit ungarischen Pferden beritten gemacht ist;
es ist dieß das dritte Husaren-Regiment, das in Pesth und der
Umgegend sein Standlager hat. Das zweite Husaren- und das
vierte leichte Dragoner-Regiment machen sich aus Siebenbürgen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/280>, abgerufen am 26.08.2024.