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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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undeutlich ausspricht, eine lange, asiatischen Ursprung verrathende
Nase; der furchtbare, sorgfältig mit schwarzgefärbtem Fett gepflegte
Schnurrbart verbirgt fast die dicken Lippen. Dieses sind die Haupt¬
züge seines Gesichtes, die stark und charakteristisch hervortreten, so
daß es dem Ganzen nicht an einer gewissen Schönheit fehlt, beson"
dero, da der rauhe und wilde Ausdruck dieses Gesichtes häusig durch
etwas Romantisches, Melancholisches im Blicke gemildert wird. Ein
niedriger, breiträndrigcr Filzhut dient zur Kopfbedeckung. Zur Ver--
vollständigung dieses Portraits dürfen wir auch die Pfeife nicht ver¬
gessen, den unzertrennlichen Begleiter der Hirten, die in den seltenen
Augenblicken, da sie nicht im Munde hängt, aus dem Hemdkrage"
herausguckt, so wie die Tabaköblase, Koßtcck, die am Gürtel be¬
festigt ist.

Wenn man nun dieses Individuum so aufrecht in unbeweglicher
Stellung erblickt, so glaubt man Anfangs, er sei völlig unbeschäftigt.
Bei einiger aufmerkfameren Beobachtung jedoch sieht man, wie seine
Augen sich in unaufhörlicher Bewegung befinden und wie fein ruhi¬
ger, aber wachsamer Blick unablässig auf allen Theilen der Wiese,
wo seine Pferde weiden, sich ergeht. Plötzlich faltet sich seine Stirn,
ziehen sich seine Gesichtsmuskeln heftig zusammen. Seine Heerde ist
unverimtthet in Unordnung gerathen, die Pferde rennen fliehend durch
die Ebene und lassen jenes dumpfe Schnauben hören, das bei ihnen
ein Zeichen der Unruhe ist; zu gleicher Zeit stößt eins von ihnen
einen Todesschrei aus. Der Coll<"S springt auf das erste beste
Pferd, das er in der Nähe erwischt und ohne Sattel, ohne Zaum.
-- das ist für ihn alles unnütz, -- sprengt er in vollem Galopp
davon. Während dieses wüthenden Rittes fliegt sein Mantel, vom
Winde aufgebauscht, flattern seine langen Haare wild um die Schul¬
tern. Vermittelst seines Csakany stachelt er sein Pferd und treibt
es, trotz seines instinctgemäßen Widerstandes, nach der Gegend hin,
wo sein geübtes Auge einen Wolf erkannt hat: zwei oder drei
weißhaarige Hunde, die vedettenartig auf verschiedenen Punkten des
Weideplatzes ausgestellt waren, eilen ihm nach. Der Wolf sucht zu
entwischen; aber die Hunde bedrängen ihn von der einen Seite,
während ihn der Chili's von der andern Seite angreift. Das
Pferd, durch die Nähe und den Geruch des ihm verhaßten Wolfes
erschreckt, will nicht vorwärts, bäumt sich zurück, aber ein Schlag


undeutlich ausspricht, eine lange, asiatischen Ursprung verrathende
Nase; der furchtbare, sorgfältig mit schwarzgefärbtem Fett gepflegte
Schnurrbart verbirgt fast die dicken Lippen. Dieses sind die Haupt¬
züge seines Gesichtes, die stark und charakteristisch hervortreten, so
daß es dem Ganzen nicht an einer gewissen Schönheit fehlt, beson«
dero, da der rauhe und wilde Ausdruck dieses Gesichtes häusig durch
etwas Romantisches, Melancholisches im Blicke gemildert wird. Ein
niedriger, breiträndrigcr Filzhut dient zur Kopfbedeckung. Zur Ver--
vollständigung dieses Portraits dürfen wir auch die Pfeife nicht ver¬
gessen, den unzertrennlichen Begleiter der Hirten, die in den seltenen
Augenblicken, da sie nicht im Munde hängt, aus dem Hemdkrage»
herausguckt, so wie die Tabaköblase, Koßtcck, die am Gürtel be¬
festigt ist.

Wenn man nun dieses Individuum so aufrecht in unbeweglicher
Stellung erblickt, so glaubt man Anfangs, er sei völlig unbeschäftigt.
Bei einiger aufmerkfameren Beobachtung jedoch sieht man, wie seine
Augen sich in unaufhörlicher Bewegung befinden und wie fein ruhi¬
ger, aber wachsamer Blick unablässig auf allen Theilen der Wiese,
wo seine Pferde weiden, sich ergeht. Plötzlich faltet sich seine Stirn,
ziehen sich seine Gesichtsmuskeln heftig zusammen. Seine Heerde ist
unverimtthet in Unordnung gerathen, die Pferde rennen fliehend durch
die Ebene und lassen jenes dumpfe Schnauben hören, das bei ihnen
ein Zeichen der Unruhe ist; zu gleicher Zeit stößt eins von ihnen
einen Todesschrei aus. Der Coll<»S springt auf das erste beste
Pferd, das er in der Nähe erwischt und ohne Sattel, ohne Zaum.
— das ist für ihn alles unnütz, — sprengt er in vollem Galopp
davon. Während dieses wüthenden Rittes fliegt sein Mantel, vom
Winde aufgebauscht, flattern seine langen Haare wild um die Schul¬
tern. Vermittelst seines Csakany stachelt er sein Pferd und treibt
es, trotz seines instinctgemäßen Widerstandes, nach der Gegend hin,
wo sein geübtes Auge einen Wolf erkannt hat: zwei oder drei
weißhaarige Hunde, die vedettenartig auf verschiedenen Punkten des
Weideplatzes ausgestellt waren, eilen ihm nach. Der Wolf sucht zu
entwischen; aber die Hunde bedrängen ihn von der einen Seite,
während ihn der Chili's von der andern Seite angreift. Das
Pferd, durch die Nähe und den Geruch des ihm verhaßten Wolfes
erschreckt, will nicht vorwärts, bäumt sich zurück, aber ein Schlag


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[0279] undeutlich ausspricht, eine lange, asiatischen Ursprung verrathende Nase; der furchtbare, sorgfältig mit schwarzgefärbtem Fett gepflegte Schnurrbart verbirgt fast die dicken Lippen. Dieses sind die Haupt¬ züge seines Gesichtes, die stark und charakteristisch hervortreten, so daß es dem Ganzen nicht an einer gewissen Schönheit fehlt, beson« dero, da der rauhe und wilde Ausdruck dieses Gesichtes häusig durch etwas Romantisches, Melancholisches im Blicke gemildert wird. Ein niedriger, breiträndrigcr Filzhut dient zur Kopfbedeckung. Zur Ver-- vollständigung dieses Portraits dürfen wir auch die Pfeife nicht ver¬ gessen, den unzertrennlichen Begleiter der Hirten, die in den seltenen Augenblicken, da sie nicht im Munde hängt, aus dem Hemdkrage» herausguckt, so wie die Tabaköblase, Koßtcck, die am Gürtel be¬ festigt ist. Wenn man nun dieses Individuum so aufrecht in unbeweglicher Stellung erblickt, so glaubt man Anfangs, er sei völlig unbeschäftigt. Bei einiger aufmerkfameren Beobachtung jedoch sieht man, wie seine Augen sich in unaufhörlicher Bewegung befinden und wie fein ruhi¬ ger, aber wachsamer Blick unablässig auf allen Theilen der Wiese, wo seine Pferde weiden, sich ergeht. Plötzlich faltet sich seine Stirn, ziehen sich seine Gesichtsmuskeln heftig zusammen. Seine Heerde ist unverimtthet in Unordnung gerathen, die Pferde rennen fliehend durch die Ebene und lassen jenes dumpfe Schnauben hören, das bei ihnen ein Zeichen der Unruhe ist; zu gleicher Zeit stößt eins von ihnen einen Todesschrei aus. Der Coll<»S springt auf das erste beste Pferd, das er in der Nähe erwischt und ohne Sattel, ohne Zaum. — das ist für ihn alles unnütz, — sprengt er in vollem Galopp davon. Während dieses wüthenden Rittes fliegt sein Mantel, vom Winde aufgebauscht, flattern seine langen Haare wild um die Schul¬ tern. Vermittelst seines Csakany stachelt er sein Pferd und treibt es, trotz seines instinctgemäßen Widerstandes, nach der Gegend hin, wo sein geübtes Auge einen Wolf erkannt hat: zwei oder drei weißhaarige Hunde, die vedettenartig auf verschiedenen Punkten des Weideplatzes ausgestellt waren, eilen ihm nach. Der Wolf sucht zu entwischen; aber die Hunde bedrängen ihn von der einen Seite, während ihn der Chili's von der andern Seite angreift. Das Pferd, durch die Nähe und den Geruch des ihm verhaßten Wolfes erschreckt, will nicht vorwärts, bäumt sich zurück, aber ein Schlag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/279>, abgerufen am 26.08.2024.