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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Im Vorbeigehen wollen wir hier eines Gebrauches Erwäh¬
nung thun, dessen Anwendung die böhmischen Bauern die Feinheit
der Füße ihrer Pferde zuschreiben. Im Augenblick nämlich, da das
Füllen aus dem Leib der Stute kommt, sind seine Veine weich und
haben nicht mehr Widerstandsfähigkeit, als ein Stück Wachs. Nach
einigen Stunden aber, innerhalb deren sie dem Einfluß der atmos¬
phärischen Luft ausgesetzt bleiben, erlangen die Füße Festigkeit genug,
um die Last des Körpers zu tragen, ohne daß ihre Formen an
Zartheit verlieren. Die böhmischen Bauern aber, um jedem Zufall
zuvorzukommen, binden dem Füllen unmittelbar, nachdem es gewor¬
fen worden, die Beine zusammen und zwingen eS, achtzehn bis zwanzig
Stunden in liegendem Zustande zu bleiben, bis seine Nerven die
gehörige Stärke gewonnen haben. Wir wollen die Verantwort¬
lichkeit dieses Verfahrens nicht über uns nehmen; aber das ist that¬
sächlich erwiesen, daß die böhmische Pferderaee sich in Bezug auf
Güte und Feinheit der Füße ganz besonders auszeichnet.

Von der oben erwähnten Regel, sich durch Remontepferde, die
im Lande selbst erzeugt werden, zu recrutiren, machen drei Regimenter
schwerer Cavalerie eine Ausnahme.

Der commandirende Oberst oder Eigenthümer des siebenten Cm-
rassier-Regiments ist nämlich der General Inspector und Director der
Cavalerie-Remonten. In Folge dieses Umstandes nun genießt dieses
Regiment die ganz besondere Gunst, daß eS seine Pferde aus den
kaiserlichen Stutereien von Mezohegyes, Babolna, Lippik u. f. w.
bezieht. Das Regiment ist eins der prächtigsten und hat vielleicht
in allen Europäischen Armeen wenige seines Gleichen, wie dieses
selbst von englischen Cavalerie-Offizieren anerkannt worden ist, die
sonst über fremde Reiterei gewöhnlich sehr geringschätzig urtheilen
und, wie Verfasser dieser Zeilen es z. B. in Kalisch und Heilbronn
bei den großen ManomvreS häufig von anwesenden englischen
Militairs zu hören Gelegenheit hatte, stets folgende Phrase im Munde
führen: "Glauben Sie, daß diese armen Teufel mich nur einen
Angriff unsrer Garde-Cavalerie aushalte" würden?"

Das fünfte Dragoner-Regiment macht sich seit einigen Jahren
in Siebenbürgen beritten- es liegt dieß an zufälligen Ursachen, deren
Besprechung uns hier zu weit seitab führen würde. Ueber die


Im Vorbeigehen wollen wir hier eines Gebrauches Erwäh¬
nung thun, dessen Anwendung die böhmischen Bauern die Feinheit
der Füße ihrer Pferde zuschreiben. Im Augenblick nämlich, da das
Füllen aus dem Leib der Stute kommt, sind seine Veine weich und
haben nicht mehr Widerstandsfähigkeit, als ein Stück Wachs. Nach
einigen Stunden aber, innerhalb deren sie dem Einfluß der atmos¬
phärischen Luft ausgesetzt bleiben, erlangen die Füße Festigkeit genug,
um die Last des Körpers zu tragen, ohne daß ihre Formen an
Zartheit verlieren. Die böhmischen Bauern aber, um jedem Zufall
zuvorzukommen, binden dem Füllen unmittelbar, nachdem es gewor¬
fen worden, die Beine zusammen und zwingen eS, achtzehn bis zwanzig
Stunden in liegendem Zustande zu bleiben, bis seine Nerven die
gehörige Stärke gewonnen haben. Wir wollen die Verantwort¬
lichkeit dieses Verfahrens nicht über uns nehmen; aber das ist that¬
sächlich erwiesen, daß die böhmische Pferderaee sich in Bezug auf
Güte und Feinheit der Füße ganz besonders auszeichnet.

Von der oben erwähnten Regel, sich durch Remontepferde, die
im Lande selbst erzeugt werden, zu recrutiren, machen drei Regimenter
schwerer Cavalerie eine Ausnahme.

Der commandirende Oberst oder Eigenthümer des siebenten Cm-
rassier-Regiments ist nämlich der General Inspector und Director der
Cavalerie-Remonten. In Folge dieses Umstandes nun genießt dieses
Regiment die ganz besondere Gunst, daß eS seine Pferde aus den
kaiserlichen Stutereien von Mezohegyes, Babolna, Lippik u. f. w.
bezieht. Das Regiment ist eins der prächtigsten und hat vielleicht
in allen Europäischen Armeen wenige seines Gleichen, wie dieses
selbst von englischen Cavalerie-Offizieren anerkannt worden ist, die
sonst über fremde Reiterei gewöhnlich sehr geringschätzig urtheilen
und, wie Verfasser dieser Zeilen es z. B. in Kalisch und Heilbronn
bei den großen ManomvreS häufig von anwesenden englischen
Militairs zu hören Gelegenheit hatte, stets folgende Phrase im Munde
führen: „Glauben Sie, daß diese armen Teufel mich nur einen
Angriff unsrer Garde-Cavalerie aushalte» würden?"

Das fünfte Dragoner-Regiment macht sich seit einigen Jahren
in Siebenbürgen beritten- es liegt dieß an zufälligen Ursachen, deren
Besprechung uns hier zu weit seitab führen würde. Ueber die


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[0274] Im Vorbeigehen wollen wir hier eines Gebrauches Erwäh¬ nung thun, dessen Anwendung die böhmischen Bauern die Feinheit der Füße ihrer Pferde zuschreiben. Im Augenblick nämlich, da das Füllen aus dem Leib der Stute kommt, sind seine Veine weich und haben nicht mehr Widerstandsfähigkeit, als ein Stück Wachs. Nach einigen Stunden aber, innerhalb deren sie dem Einfluß der atmos¬ phärischen Luft ausgesetzt bleiben, erlangen die Füße Festigkeit genug, um die Last des Körpers zu tragen, ohne daß ihre Formen an Zartheit verlieren. Die böhmischen Bauern aber, um jedem Zufall zuvorzukommen, binden dem Füllen unmittelbar, nachdem es gewor¬ fen worden, die Beine zusammen und zwingen eS, achtzehn bis zwanzig Stunden in liegendem Zustande zu bleiben, bis seine Nerven die gehörige Stärke gewonnen haben. Wir wollen die Verantwort¬ lichkeit dieses Verfahrens nicht über uns nehmen; aber das ist that¬ sächlich erwiesen, daß die böhmische Pferderaee sich in Bezug auf Güte und Feinheit der Füße ganz besonders auszeichnet. Von der oben erwähnten Regel, sich durch Remontepferde, die im Lande selbst erzeugt werden, zu recrutiren, machen drei Regimenter schwerer Cavalerie eine Ausnahme. Der commandirende Oberst oder Eigenthümer des siebenten Cm- rassier-Regiments ist nämlich der General Inspector und Director der Cavalerie-Remonten. In Folge dieses Umstandes nun genießt dieses Regiment die ganz besondere Gunst, daß eS seine Pferde aus den kaiserlichen Stutereien von Mezohegyes, Babolna, Lippik u. f. w. bezieht. Das Regiment ist eins der prächtigsten und hat vielleicht in allen Europäischen Armeen wenige seines Gleichen, wie dieses selbst von englischen Cavalerie-Offizieren anerkannt worden ist, die sonst über fremde Reiterei gewöhnlich sehr geringschätzig urtheilen und, wie Verfasser dieser Zeilen es z. B. in Kalisch und Heilbronn bei den großen ManomvreS häufig von anwesenden englischen Militairs zu hören Gelegenheit hatte, stets folgende Phrase im Munde führen: „Glauben Sie, daß diese armen Teufel mich nur einen Angriff unsrer Garde-Cavalerie aushalte» würden?" Das fünfte Dragoner-Regiment macht sich seit einigen Jahren in Siebenbürgen beritten- es liegt dieß an zufälligen Ursachen, deren Besprechung uns hier zu weit seitab führen würde. Ueber die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/274>, abgerufen am 29.06.2024.