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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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adelt seinen Naturalismus und gibt ihm diesen Schwung, diesen in
seiner Art heiligen, reinen Feuereifer für das unmittelbare Körper-
und Geistesleben. Ein energischer Trieb des Erkennens, eine scharfe
Anschauungs- und Auffassungsgabe, unterstützt durch ausgebreitete
philosophische und insbesondere naturwissenschaftliche Kenntnisse, be¬
fähigen ihn, in seiner Art den Geist in der Natur und die Natur
im Geiste zu erkennen und erkennen zu lassen.

Aber diese seine Art, den reinen Gedanken und die positive
empirische Anschauung zu vermitteln, ist eine für klare wissenschaft¬
liche Entwicklungen und Resultate unzulängliche. Janusartig immer
gegen zwei Feinde sich kehrend, gegen das nur spekulative und ge¬
gen das nur Empirische kann er keinen Augenblick in ruhiger Be¬
trachtung und Entfaltung verweilen: eine Seite, ein Begriff, eine
Anspielung, ein Wort kommt zum Vorschein, das zu speculativ oder
zu empirisch lauten könnte, gleich muß die andere Seite hervorge¬
kehrt werden. Daher ein ewiges Abspringen und Abbrechen von
Einem auf das Andere, von dem Gedanken zum Bild, von dem
Begriff zur Sache, vom Satz zum Gegensatz. Dieß nimmt die
Ruhe und Stetigkeit zwingender Entwicklung. Der Leser findet so
wenig als der Verfasser einen Ruhepunkt, es ist ein stetiges Gäh-
ren und Sprudeln, und wenn wir dem auf die entgegenstehende Seite
hineinbrausenden Glutbach der Gedanken und Witze folgen, saust
und zischt es uns in den Ohren nicht anders, als "wie wenn Feuer
und Wasser sich mischte."

Diese Art zu denken und zu produciren ist bei Feuerbach weder
eine künstlich-forcirte Genialitätssucht, wie etwa Br. Bauer sie an¬
strebt, noch ein bewußtloses, blindes Sichgehenlassen, wie es sonst
erscheinen könnte. Er thut das mit klarsten Bewußtsein, so daß er
diese Art, den Stoff zu behandeln, sich selber zur Ausgabe und zum
schriftstellerischen Berufe macht. Er will damit auch einleuchtender,
in die Augen springender, rascher und leichter auf den Leser wirken.
Er nennt es seine Methode, das Hohe stets mit dem scheinbar
Gemeinen, das Fernste mit dem Nächsten, das Abstrakte mit dem
Concreten, das speculative mit dem Empirischen, diePhi-
losophie mit dem Leben zu verbinden; sie soll das Allgemeine im
Besondern darstellen, versenkt in das Element der Sinnlichkeit,
aber so, daß der Gedanke auch mitten im Freudentaumel der Far"


adelt seinen Naturalismus und gibt ihm diesen Schwung, diesen in
seiner Art heiligen, reinen Feuereifer für das unmittelbare Körper-
und Geistesleben. Ein energischer Trieb des Erkennens, eine scharfe
Anschauungs- und Auffassungsgabe, unterstützt durch ausgebreitete
philosophische und insbesondere naturwissenschaftliche Kenntnisse, be¬
fähigen ihn, in seiner Art den Geist in der Natur und die Natur
im Geiste zu erkennen und erkennen zu lassen.

Aber diese seine Art, den reinen Gedanken und die positive
empirische Anschauung zu vermitteln, ist eine für klare wissenschaft¬
liche Entwicklungen und Resultate unzulängliche. Janusartig immer
gegen zwei Feinde sich kehrend, gegen das nur spekulative und ge¬
gen das nur Empirische kann er keinen Augenblick in ruhiger Be¬
trachtung und Entfaltung verweilen: eine Seite, ein Begriff, eine
Anspielung, ein Wort kommt zum Vorschein, das zu speculativ oder
zu empirisch lauten könnte, gleich muß die andere Seite hervorge¬
kehrt werden. Daher ein ewiges Abspringen und Abbrechen von
Einem auf das Andere, von dem Gedanken zum Bild, von dem
Begriff zur Sache, vom Satz zum Gegensatz. Dieß nimmt die
Ruhe und Stetigkeit zwingender Entwicklung. Der Leser findet so
wenig als der Verfasser einen Ruhepunkt, es ist ein stetiges Gäh-
ren und Sprudeln, und wenn wir dem auf die entgegenstehende Seite
hineinbrausenden Glutbach der Gedanken und Witze folgen, saust
und zischt es uns in den Ohren nicht anders, als „wie wenn Feuer
und Wasser sich mischte."

Diese Art zu denken und zu produciren ist bei Feuerbach weder
eine künstlich-forcirte Genialitätssucht, wie etwa Br. Bauer sie an¬
strebt, noch ein bewußtloses, blindes Sichgehenlassen, wie es sonst
erscheinen könnte. Er thut das mit klarsten Bewußtsein, so daß er
diese Art, den Stoff zu behandeln, sich selber zur Ausgabe und zum
schriftstellerischen Berufe macht. Er will damit auch einleuchtender,
in die Augen springender, rascher und leichter auf den Leser wirken.
Er nennt es seine Methode, das Hohe stets mit dem scheinbar
Gemeinen, das Fernste mit dem Nächsten, das Abstrakte mit dem
Concreten, das speculative mit dem Empirischen, diePhi-
losophie mit dem Leben zu verbinden; sie soll das Allgemeine im
Besondern darstellen, versenkt in das Element der Sinnlichkeit,
aber so, daß der Gedanke auch mitten im Freudentaumel der Far«


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[0024] adelt seinen Naturalismus und gibt ihm diesen Schwung, diesen in seiner Art heiligen, reinen Feuereifer für das unmittelbare Körper- und Geistesleben. Ein energischer Trieb des Erkennens, eine scharfe Anschauungs- und Auffassungsgabe, unterstützt durch ausgebreitete philosophische und insbesondere naturwissenschaftliche Kenntnisse, be¬ fähigen ihn, in seiner Art den Geist in der Natur und die Natur im Geiste zu erkennen und erkennen zu lassen. Aber diese seine Art, den reinen Gedanken und die positive empirische Anschauung zu vermitteln, ist eine für klare wissenschaft¬ liche Entwicklungen und Resultate unzulängliche. Janusartig immer gegen zwei Feinde sich kehrend, gegen das nur spekulative und ge¬ gen das nur Empirische kann er keinen Augenblick in ruhiger Be¬ trachtung und Entfaltung verweilen: eine Seite, ein Begriff, eine Anspielung, ein Wort kommt zum Vorschein, das zu speculativ oder zu empirisch lauten könnte, gleich muß die andere Seite hervorge¬ kehrt werden. Daher ein ewiges Abspringen und Abbrechen von Einem auf das Andere, von dem Gedanken zum Bild, von dem Begriff zur Sache, vom Satz zum Gegensatz. Dieß nimmt die Ruhe und Stetigkeit zwingender Entwicklung. Der Leser findet so wenig als der Verfasser einen Ruhepunkt, es ist ein stetiges Gäh- ren und Sprudeln, und wenn wir dem auf die entgegenstehende Seite hineinbrausenden Glutbach der Gedanken und Witze folgen, saust und zischt es uns in den Ohren nicht anders, als „wie wenn Feuer und Wasser sich mischte." Diese Art zu denken und zu produciren ist bei Feuerbach weder eine künstlich-forcirte Genialitätssucht, wie etwa Br. Bauer sie an¬ strebt, noch ein bewußtloses, blindes Sichgehenlassen, wie es sonst erscheinen könnte. Er thut das mit klarsten Bewußtsein, so daß er diese Art, den Stoff zu behandeln, sich selber zur Ausgabe und zum schriftstellerischen Berufe macht. Er will damit auch einleuchtender, in die Augen springender, rascher und leichter auf den Leser wirken. Er nennt es seine Methode, das Hohe stets mit dem scheinbar Gemeinen, das Fernste mit dem Nächsten, das Abstrakte mit dem Concreten, das speculative mit dem Empirischen, diePhi- losophie mit dem Leben zu verbinden; sie soll das Allgemeine im Besondern darstellen, versenkt in das Element der Sinnlichkeit, aber so, daß der Gedanke auch mitten im Freudentaumel der Far«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/24>, abgerufen am 23.07.2024.