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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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mit Nutzen im Elementarunterricht für Musik angewandt werden
kann, eigentlich ungelöst geblieben. Wir glauben aber, daß nach der
gründlichen Prüfung, die wir mit allen bekannten Systemen vorge¬
nommen, eS uns nicht allzuschwer fallen wird, eine Lösung zu finden.
Ein Resultat dieser Prüfung ist sür uns die von allen Meistern an¬
erkannte Nothwendigkeit, die Gegenstände des Unterrichts von einan¬
der zu trennen. Der Schullehrer wird also seine Zöglinge Alles
lehren, was das musikalische Zeitmaß betrifft, den Werth der Zei¬
chen, welche die Dauer anzeigen und die Combinationen der Rhyth¬
men. Einige hierauf Bezug habende Wandtafeln oder auch nur eine
einzige schwarze Wandtafel, mit Notenlinien, worauf der Lehrer seine
Lectionen schreibt, werden Schülern zu ihren Uebungen dienen. Wenn
sie nun hierüber vollkommen Belehrung erhalten haben, so wird man,
indem man dasselbe Verfahren befolgt, zur Intonation übergehen.
Sodann wird man die erworbenen Kenntnisse in einer gewissen An¬
zahl von Solfegg-Lectionen vereinigen. Die kleinen Kinder werden
keine andere Belehrung als den mündlichen Unterricht des Lehrers
haben: denjenigen, welche lesen können, wird man einen Katechis¬
mus der musikalischen Grundsätze in die Hände geben, der so einfach
und kurz als möglich sein muß. Am Vormittag eines jeden Tages
wird der Lehrer die Grundsätze und ihre Anwendung eine halbe
Stunde lang erklären. Am Nachmittag wird er eben so lange die¬
jenigen Schüler, welche den Katechismus haben, über das ausfragen,
was er sie am Vormittag gelehrt hat.

Die zweite Hälfte der vor- und nachmittägigen Lection wird
zum praktischen Gesang zu verwenden sein. In der ersten Zeit wird
der Lehrer eine ganz einfache Melodie auf die Tafel schreiben: er
selbst wird sie singen, indem er mit einem Stäbchen auf jedes Zei¬
chen in dem Augenblicke, da er es singt, auf die Tafel zeigt und
wird so Phrase nach Phrase dem Gedächtniß seiner Schüler ein¬
prägen, sodann wird er sie alle zusammen im Chor singen lassen.
Wenn sie weiter fortgeschritten sein werden, werden sie kleine zwei-
oder dreistimmige Stücke singen, wie man ihrer in Deutschland eine
Menge von Sammlungen in kleinem Format besitzt, deren einzelne
Blätter auf Pappendeckel oder Holz aufgeklebt werden können.

So muß die musikalische Erziehung des Volkes beschaffen sein.
Und man glaube ja nicht, daß es sich hier um eine neue Methode


mit Nutzen im Elementarunterricht für Musik angewandt werden
kann, eigentlich ungelöst geblieben. Wir glauben aber, daß nach der
gründlichen Prüfung, die wir mit allen bekannten Systemen vorge¬
nommen, eS uns nicht allzuschwer fallen wird, eine Lösung zu finden.
Ein Resultat dieser Prüfung ist sür uns die von allen Meistern an¬
erkannte Nothwendigkeit, die Gegenstände des Unterrichts von einan¬
der zu trennen. Der Schullehrer wird also seine Zöglinge Alles
lehren, was das musikalische Zeitmaß betrifft, den Werth der Zei¬
chen, welche die Dauer anzeigen und die Combinationen der Rhyth¬
men. Einige hierauf Bezug habende Wandtafeln oder auch nur eine
einzige schwarze Wandtafel, mit Notenlinien, worauf der Lehrer seine
Lectionen schreibt, werden Schülern zu ihren Uebungen dienen. Wenn
sie nun hierüber vollkommen Belehrung erhalten haben, so wird man,
indem man dasselbe Verfahren befolgt, zur Intonation übergehen.
Sodann wird man die erworbenen Kenntnisse in einer gewissen An¬
zahl von Solfegg-Lectionen vereinigen. Die kleinen Kinder werden
keine andere Belehrung als den mündlichen Unterricht des Lehrers
haben: denjenigen, welche lesen können, wird man einen Katechis¬
mus der musikalischen Grundsätze in die Hände geben, der so einfach
und kurz als möglich sein muß. Am Vormittag eines jeden Tages
wird der Lehrer die Grundsätze und ihre Anwendung eine halbe
Stunde lang erklären. Am Nachmittag wird er eben so lange die¬
jenigen Schüler, welche den Katechismus haben, über das ausfragen,
was er sie am Vormittag gelehrt hat.

Die zweite Hälfte der vor- und nachmittägigen Lection wird
zum praktischen Gesang zu verwenden sein. In der ersten Zeit wird
der Lehrer eine ganz einfache Melodie auf die Tafel schreiben: er
selbst wird sie singen, indem er mit einem Stäbchen auf jedes Zei¬
chen in dem Augenblicke, da er es singt, auf die Tafel zeigt und
wird so Phrase nach Phrase dem Gedächtniß seiner Schüler ein¬
prägen, sodann wird er sie alle zusammen im Chor singen lassen.
Wenn sie weiter fortgeschritten sein werden, werden sie kleine zwei-
oder dreistimmige Stücke singen, wie man ihrer in Deutschland eine
Menge von Sammlungen in kleinem Format besitzt, deren einzelne
Blätter auf Pappendeckel oder Holz aufgeklebt werden können.

So muß die musikalische Erziehung des Volkes beschaffen sein.
Und man glaube ja nicht, daß es sich hier um eine neue Methode


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[0239] mit Nutzen im Elementarunterricht für Musik angewandt werden kann, eigentlich ungelöst geblieben. Wir glauben aber, daß nach der gründlichen Prüfung, die wir mit allen bekannten Systemen vorge¬ nommen, eS uns nicht allzuschwer fallen wird, eine Lösung zu finden. Ein Resultat dieser Prüfung ist sür uns die von allen Meistern an¬ erkannte Nothwendigkeit, die Gegenstände des Unterrichts von einan¬ der zu trennen. Der Schullehrer wird also seine Zöglinge Alles lehren, was das musikalische Zeitmaß betrifft, den Werth der Zei¬ chen, welche die Dauer anzeigen und die Combinationen der Rhyth¬ men. Einige hierauf Bezug habende Wandtafeln oder auch nur eine einzige schwarze Wandtafel, mit Notenlinien, worauf der Lehrer seine Lectionen schreibt, werden Schülern zu ihren Uebungen dienen. Wenn sie nun hierüber vollkommen Belehrung erhalten haben, so wird man, indem man dasselbe Verfahren befolgt, zur Intonation übergehen. Sodann wird man die erworbenen Kenntnisse in einer gewissen An¬ zahl von Solfegg-Lectionen vereinigen. Die kleinen Kinder werden keine andere Belehrung als den mündlichen Unterricht des Lehrers haben: denjenigen, welche lesen können, wird man einen Katechis¬ mus der musikalischen Grundsätze in die Hände geben, der so einfach und kurz als möglich sein muß. Am Vormittag eines jeden Tages wird der Lehrer die Grundsätze und ihre Anwendung eine halbe Stunde lang erklären. Am Nachmittag wird er eben so lange die¬ jenigen Schüler, welche den Katechismus haben, über das ausfragen, was er sie am Vormittag gelehrt hat. Die zweite Hälfte der vor- und nachmittägigen Lection wird zum praktischen Gesang zu verwenden sein. In der ersten Zeit wird der Lehrer eine ganz einfache Melodie auf die Tafel schreiben: er selbst wird sie singen, indem er mit einem Stäbchen auf jedes Zei¬ chen in dem Augenblicke, da er es singt, auf die Tafel zeigt und wird so Phrase nach Phrase dem Gedächtniß seiner Schüler ein¬ prägen, sodann wird er sie alle zusammen im Chor singen lassen. Wenn sie weiter fortgeschritten sein werden, werden sie kleine zwei- oder dreistimmige Stücke singen, wie man ihrer in Deutschland eine Menge von Sammlungen in kleinem Format besitzt, deren einzelne Blätter auf Pappendeckel oder Holz aufgeklebt werden können. So muß die musikalische Erziehung des Volkes beschaffen sein. Und man glaube ja nicht, daß es sich hier um eine neue Methode

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/239>, abgerufen am 23.07.2024.