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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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des ChoralgesangS der reformirten Kirche, ein erster Theil einer
"Einleitung zum Gesangs-Unterricht, zum Gebrauch der Volksschule
lehrer." Dieses Werk ist in seiner Darstellungsmethode einfacher,
als alle früheren. Das System, das Natvrp darin annimmt, ist
zwar dasselbe, das Pfeiffer im Pestalozzischen Institut eingeführt;
aber eS ist bedeutend verbessert und vereinfacht. Er theilt zwar auch
mit Pfeiffer und Nnegeli den Unterricht in drei Hauptabtheilungen,
denen er ebenfalls den Namen der rhythmischen, melodischen
und dynamischen giebt; aber er hält diesen Abtheilungen alle
Einzelnheiten einer zu weit entwickelten Theorie fern und läßt dem
Unterricht nur die einfachsten und zur Erlernung des Gesanges in
den Elementarschulen unentbehrlichsten Grundbestandtheile. In Be¬
treff der Notenschrift, die von einigen neuerem als eine Hauptquelle
der Schwierigkeiten in der Musik betrachtet wird, will Natorp zur
Bezeichnung der Stufen der Tonleiter Ziffern angewandt wissen, die
ober- oder unterhalb einer einzigen Linie stehen und die nach Ver¬
hältniß ihrer Größe eine bestimmte, genau geschiedene Bedeutung an¬
nehmen. Die Dauer der Töne soll durch Zeichen dargestellt werden,
welche man dem gewöhnlichen Notensystem entlehnt und mit den
Ziffern combinirt.

Dieses System, die Intonationen der Musik durch Ziffern dar¬
zustellen, war nichts Neues; denn man findet Beispiele davon in
allen Tabulaturen für gewisse Arten von Saiteninstrumenten.

Im Jahre 1677 hatte Pater Souhaitly diese Idee für ein
Notensystem des Kirchengesangs von Neuem angewandt, und sie
dann auf die Musik ausgedehnt; und lange Zeit hernach hatte I.
I. Rousseau ebenfalls vermittelst der Zahlzeichen ein anderes System
combinirt. DasNatorp'sche aber, zumTheil derZeller'schen Methode ent¬
lehnt, aber in die Augen springender, besser combinirt und vollstän¬
diger, als das von Souhaitty, und bequemer für den Gebrauch als
das Rousseau's, fand von vorn herein mehr Beifall, als diese bei¬
den. Denn das oben erwähnte Werk, das für den ersten Elemen-
tarcursus bestimmt ist, erlebte innerhalb zwölf Jahre fünf Auflagen,
so wie noch ein zweiter, höherer Cursus, der zum ersten Male im
Jahre 4820 erschien, mehrere Male aufgelegt wurde. Natorp be¬
schränkte sich übrigens nicht darauf, den Lehrern Leitfaden in die
Hände zu geben, sondern, um auch der Intelligenz der Schüler zu


des ChoralgesangS der reformirten Kirche, ein erster Theil einer
„Einleitung zum Gesangs-Unterricht, zum Gebrauch der Volksschule
lehrer." Dieses Werk ist in seiner Darstellungsmethode einfacher,
als alle früheren. Das System, das Natvrp darin annimmt, ist
zwar dasselbe, das Pfeiffer im Pestalozzischen Institut eingeführt;
aber eS ist bedeutend verbessert und vereinfacht. Er theilt zwar auch
mit Pfeiffer und Nnegeli den Unterricht in drei Hauptabtheilungen,
denen er ebenfalls den Namen der rhythmischen, melodischen
und dynamischen giebt; aber er hält diesen Abtheilungen alle
Einzelnheiten einer zu weit entwickelten Theorie fern und läßt dem
Unterricht nur die einfachsten und zur Erlernung des Gesanges in
den Elementarschulen unentbehrlichsten Grundbestandtheile. In Be¬
treff der Notenschrift, die von einigen neuerem als eine Hauptquelle
der Schwierigkeiten in der Musik betrachtet wird, will Natorp zur
Bezeichnung der Stufen der Tonleiter Ziffern angewandt wissen, die
ober- oder unterhalb einer einzigen Linie stehen und die nach Ver¬
hältniß ihrer Größe eine bestimmte, genau geschiedene Bedeutung an¬
nehmen. Die Dauer der Töne soll durch Zeichen dargestellt werden,
welche man dem gewöhnlichen Notensystem entlehnt und mit den
Ziffern combinirt.

Dieses System, die Intonationen der Musik durch Ziffern dar¬
zustellen, war nichts Neues; denn man findet Beispiele davon in
allen Tabulaturen für gewisse Arten von Saiteninstrumenten.

Im Jahre 1677 hatte Pater Souhaitly diese Idee für ein
Notensystem des Kirchengesangs von Neuem angewandt, und sie
dann auf die Musik ausgedehnt; und lange Zeit hernach hatte I.
I. Rousseau ebenfalls vermittelst der Zahlzeichen ein anderes System
combinirt. DasNatorp'sche aber, zumTheil derZeller'schen Methode ent¬
lehnt, aber in die Augen springender, besser combinirt und vollstän¬
diger, als das von Souhaitty, und bequemer für den Gebrauch als
das Rousseau's, fand von vorn herein mehr Beifall, als diese bei¬
den. Denn das oben erwähnte Werk, das für den ersten Elemen-
tarcursus bestimmt ist, erlebte innerhalb zwölf Jahre fünf Auflagen,
so wie noch ein zweiter, höherer Cursus, der zum ersten Male im
Jahre 4820 erschien, mehrere Male aufgelegt wurde. Natorp be¬
schränkte sich übrigens nicht darauf, den Lehrern Leitfaden in die
Hände zu geben, sondern, um auch der Intelligenz der Schüler zu


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[0226] des ChoralgesangS der reformirten Kirche, ein erster Theil einer „Einleitung zum Gesangs-Unterricht, zum Gebrauch der Volksschule lehrer." Dieses Werk ist in seiner Darstellungsmethode einfacher, als alle früheren. Das System, das Natvrp darin annimmt, ist zwar dasselbe, das Pfeiffer im Pestalozzischen Institut eingeführt; aber eS ist bedeutend verbessert und vereinfacht. Er theilt zwar auch mit Pfeiffer und Nnegeli den Unterricht in drei Hauptabtheilungen, denen er ebenfalls den Namen der rhythmischen, melodischen und dynamischen giebt; aber er hält diesen Abtheilungen alle Einzelnheiten einer zu weit entwickelten Theorie fern und läßt dem Unterricht nur die einfachsten und zur Erlernung des Gesanges in den Elementarschulen unentbehrlichsten Grundbestandtheile. In Be¬ treff der Notenschrift, die von einigen neuerem als eine Hauptquelle der Schwierigkeiten in der Musik betrachtet wird, will Natorp zur Bezeichnung der Stufen der Tonleiter Ziffern angewandt wissen, die ober- oder unterhalb einer einzigen Linie stehen und die nach Ver¬ hältniß ihrer Größe eine bestimmte, genau geschiedene Bedeutung an¬ nehmen. Die Dauer der Töne soll durch Zeichen dargestellt werden, welche man dem gewöhnlichen Notensystem entlehnt und mit den Ziffern combinirt. Dieses System, die Intonationen der Musik durch Ziffern dar¬ zustellen, war nichts Neues; denn man findet Beispiele davon in allen Tabulaturen für gewisse Arten von Saiteninstrumenten. Im Jahre 1677 hatte Pater Souhaitly diese Idee für ein Notensystem des Kirchengesangs von Neuem angewandt, und sie dann auf die Musik ausgedehnt; und lange Zeit hernach hatte I. I. Rousseau ebenfalls vermittelst der Zahlzeichen ein anderes System combinirt. DasNatorp'sche aber, zumTheil derZeller'schen Methode ent¬ lehnt, aber in die Augen springender, besser combinirt und vollstän¬ diger, als das von Souhaitty, und bequemer für den Gebrauch als das Rousseau's, fand von vorn herein mehr Beifall, als diese bei¬ den. Denn das oben erwähnte Werk, das für den ersten Elemen- tarcursus bestimmt ist, erlebte innerhalb zwölf Jahre fünf Auflagen, so wie noch ein zweiter, höherer Cursus, der zum ersten Male im Jahre 4820 erschien, mehrere Male aufgelegt wurde. Natorp be¬ schränkte sich übrigens nicht darauf, den Lehrern Leitfaden in die Hände zu geben, sondern, um auch der Intelligenz der Schüler zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/226>, abgerufen am 23.07.2024.