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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Augen lieben mehr die Blumen und Pflanzen mit ganzen, als
mit zerschlitzten und zerrissenen Blättern; ihre Lieblingsblumen
gehören sogar nicht zu den Di- sondern zu den Monocotyle-
donen. Meine Hände klatschen diesem Urtheil meiner Augen Bei¬
fall zu: lieber umfassen sie den geraden, einfachen Stamm einer
orientalischen Palme, als den buckligen, getheilten, brüchigen Stamm
eines zwielappigen, es r i se l i es - germanischen Gewächses.
Selbst mein ZV(>i vus "Iluctol-ins ist Monotheist: er huldigt zwar
auf dem Gebiete der fortschreitenden Cultur dem Pariser ("eitle,!?.
Schnupftabak) aber auf dem Gebiete der Natur geht ihm nichts
über den lieblichen Geruch der Maiblume, die zu den Monocoty-
ledonen gerechnet wird. Mein Geschmack ist zwar pikant, Freund
des Sauren, Bittern, salzigen, aber eben deßwegen ein entschiedener
Antipode aller widernatürlichen Composition: er verwirft sogar all¬
gemeine beliebte Vermischungen, wie die des Kaffees mit Zucker uno
Kuhmilch, nur um den Kaffee in seiner vollen Originalität
und Integrität zu lassen, den Tert der Natur nicht durch fremd'
artige Ingredienzien zu interpoliren. Meine Ohren endlich beleidig)
weit weniger ein Esel, der spricht wie ein Mensch, als ein Mensch
Ver denkt wie ein Esel, um den Widerspruch des supranaturalisti¬
schen Esels Bileam'S durch unvernünftige Gründe mit der Ver¬
nunft in Harmonie zu setzen. Nun mache man die Rechnung, nur
nicht ohne den Wirth. Zwei Zeugen gelten vor Gericht, und den
alten indischen Weisen galt selbst ein einziger Sinn, der Geschmack
deS Menschen, für ein hinreichendes lest'muiuium moniu,. Ich habe
nicht weniger als 5,, sage fünf Zeugen für mich, nicht weniger als
5,, sage fünf Sinne auf meiner Seile. Was kann man mehr ver-
langen?"

Ja, was kann man mehr verlangen zu Einem ganzen, völligen
Menschen, der gesund durch und durch, frisch und kräftig, nicht wie
gewisse Leute in Frack und Cravatte von Naturwüchsigkeit sprechen,
um damit der unter der feinen Wäsche nistenden Lüderlichkeit einen
leidlichen Namen zu geben, sondern in seiner puren blanken Mensch¬
heit ein wahrhaft sittliches Pathos, eine ernste ethische Grund¬
stimmung und Bestrebung hat? Faßt man so seine Ungeberdigkeitcn
gegen Religion und Christenthum, so werden sie in der Erklärung
eine gewisse Entschuldigung finden. In dieser frischen Natürlichkeit


Augen lieben mehr die Blumen und Pflanzen mit ganzen, als
mit zerschlitzten und zerrissenen Blättern; ihre Lieblingsblumen
gehören sogar nicht zu den Di- sondern zu den Monocotyle-
donen. Meine Hände klatschen diesem Urtheil meiner Augen Bei¬
fall zu: lieber umfassen sie den geraden, einfachen Stamm einer
orientalischen Palme, als den buckligen, getheilten, brüchigen Stamm
eines zwielappigen, es r i se l i es - germanischen Gewächses.
Selbst mein ZV(>i vus »Iluctol-ins ist Monotheist: er huldigt zwar
auf dem Gebiete der fortschreitenden Cultur dem Pariser («eitle,!?.
Schnupftabak) aber auf dem Gebiete der Natur geht ihm nichts
über den lieblichen Geruch der Maiblume, die zu den Monocoty-
ledonen gerechnet wird. Mein Geschmack ist zwar pikant, Freund
des Sauren, Bittern, salzigen, aber eben deßwegen ein entschiedener
Antipode aller widernatürlichen Composition: er verwirft sogar all¬
gemeine beliebte Vermischungen, wie die des Kaffees mit Zucker uno
Kuhmilch, nur um den Kaffee in seiner vollen Originalität
und Integrität zu lassen, den Tert der Natur nicht durch fremd'
artige Ingredienzien zu interpoliren. Meine Ohren endlich beleidig)
weit weniger ein Esel, der spricht wie ein Mensch, als ein Mensch
Ver denkt wie ein Esel, um den Widerspruch des supranaturalisti¬
schen Esels Bileam'S durch unvernünftige Gründe mit der Ver¬
nunft in Harmonie zu setzen. Nun mache man die Rechnung, nur
nicht ohne den Wirth. Zwei Zeugen gelten vor Gericht, und den
alten indischen Weisen galt selbst ein einziger Sinn, der Geschmack
deS Menschen, für ein hinreichendes lest'muiuium moniu,. Ich habe
nicht weniger als 5,, sage fünf Zeugen für mich, nicht weniger als
5,, sage fünf Sinne auf meiner Seile. Was kann man mehr ver-
langen?"

Ja, was kann man mehr verlangen zu Einem ganzen, völligen
Menschen, der gesund durch und durch, frisch und kräftig, nicht wie
gewisse Leute in Frack und Cravatte von Naturwüchsigkeit sprechen,
um damit der unter der feinen Wäsche nistenden Lüderlichkeit einen
leidlichen Namen zu geben, sondern in seiner puren blanken Mensch¬
heit ein wahrhaft sittliches Pathos, eine ernste ethische Grund¬
stimmung und Bestrebung hat? Faßt man so seine Ungeberdigkeitcn
gegen Religion und Christenthum, so werden sie in der Erklärung
eine gewisse Entschuldigung finden. In dieser frischen Natürlichkeit


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[0021] Augen lieben mehr die Blumen und Pflanzen mit ganzen, als mit zerschlitzten und zerrissenen Blättern; ihre Lieblingsblumen gehören sogar nicht zu den Di- sondern zu den Monocotyle- donen. Meine Hände klatschen diesem Urtheil meiner Augen Bei¬ fall zu: lieber umfassen sie den geraden, einfachen Stamm einer orientalischen Palme, als den buckligen, getheilten, brüchigen Stamm eines zwielappigen, es r i se l i es - germanischen Gewächses. Selbst mein ZV(>i vus »Iluctol-ins ist Monotheist: er huldigt zwar auf dem Gebiete der fortschreitenden Cultur dem Pariser («eitle,!?. Schnupftabak) aber auf dem Gebiete der Natur geht ihm nichts über den lieblichen Geruch der Maiblume, die zu den Monocoty- ledonen gerechnet wird. Mein Geschmack ist zwar pikant, Freund des Sauren, Bittern, salzigen, aber eben deßwegen ein entschiedener Antipode aller widernatürlichen Composition: er verwirft sogar all¬ gemeine beliebte Vermischungen, wie die des Kaffees mit Zucker uno Kuhmilch, nur um den Kaffee in seiner vollen Originalität und Integrität zu lassen, den Tert der Natur nicht durch fremd' artige Ingredienzien zu interpoliren. Meine Ohren endlich beleidig) weit weniger ein Esel, der spricht wie ein Mensch, als ein Mensch Ver denkt wie ein Esel, um den Widerspruch des supranaturalisti¬ schen Esels Bileam'S durch unvernünftige Gründe mit der Ver¬ nunft in Harmonie zu setzen. Nun mache man die Rechnung, nur nicht ohne den Wirth. Zwei Zeugen gelten vor Gericht, und den alten indischen Weisen galt selbst ein einziger Sinn, der Geschmack deS Menschen, für ein hinreichendes lest'muiuium moniu,. Ich habe nicht weniger als 5,, sage fünf Zeugen für mich, nicht weniger als 5,, sage fünf Sinne auf meiner Seile. Was kann man mehr ver- langen?" Ja, was kann man mehr verlangen zu Einem ganzen, völligen Menschen, der gesund durch und durch, frisch und kräftig, nicht wie gewisse Leute in Frack und Cravatte von Naturwüchsigkeit sprechen, um damit der unter der feinen Wäsche nistenden Lüderlichkeit einen leidlichen Namen zu geben, sondern in seiner puren blanken Mensch¬ heit ein wahrhaft sittliches Pathos, eine ernste ethische Grund¬ stimmung und Bestrebung hat? Faßt man so seine Ungeberdigkeitcn gegen Religion und Christenthum, so werden sie in der Erklärung eine gewisse Entschuldigung finden. In dieser frischen Natürlichkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/21>, abgerufen am 23.07.2024.