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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Stellung einer historischen Oper beiwohnte, in welcher die Recitative,
Arien und Chöre eben so regelmäßig sich einfanden, wie in einer
italienischen Oper. Er fügt hinzu, daß es unter den Darstellerin¬
nen einige recht erträgliche Sängerinnen gab. Ueberhaupt fällt
dieser Reisende ein sehr günstiges Urtheil über die chinesische Musik.
Wenn man ihm vollkommen Glauben beimessen darf, so besitzt dieses
Boll eine große Anzahl verschiedener Instrumente, die nach denselben
Principien gebaut und dieselben Wirkungen hervorzubringen bestimmt
und im Stande sind, wie unsere europäischen. "Zu Zhe-Hol,"
sagte er, "habe ich Sänger gehört, die ihre Stimmen so zu beherr¬
schen verstanden, daß sie von fern Harmonikatönen glichen und daß
mehrere unter den Gentlemen der Gesandtschaft, welche im Punkte
der Musik competente Richter abgeben konnten, von ihrem Gesang
ganz entzückt waren." Man darf, ohne der Wahrheit zu nahe zu
treten, annehmen, daß diese Meinung etwas zu nachsichtig und guil-
feig ist, aber man ist zugleich berechtigt, zwischen diesem vortheilhaf-
ten Urtheil, das offenbar übertrieben ist, und dem andrerseits allzu¬
verächtlichen Ausspruch von gar zu gestrengen Richtern über die chine¬
sische Musik, einen mittlern Standpunkt anzunehmen.

Bei allen ihren Festen verwenden die Chinesen Musiker, sie
haben herumziehende Musikanten, ziemlich nach Art der alten
Troubadours, welche, von Provinz zu Provinz ziehen, überall an¬
gehalten und überall spielend. Ebenso hat die Musik an allen öf¬
fentlichen Ceremonien ihren Antheil und es würde in den Augen
der Chinesen kein Fest vollständig sein, an dem nicht Musiker sich
auf Chen" und King vernehmen ließen.

Eine kurze Zeit lang waren die Chinesen nahe daran, ihrer
Nativnalmusik zu entsagen, um sich die europäische anzueignen.
Zur Zeit nämlich, als Lord Macartney als Abgeordneter des Kö¬
nigs von England seine große Reise durch China und die Tartarei
machte, wurden die einheimischen Musiker von der Wirkung der
Stücke ergriffen, welche die im Gefolge der Gesandtschaft befindliche
Musiktruppe spielte. Der Musikdirektor der kaiserlichen Kapelle kam
zu Sr. Excellenz, dem Gesandten, und bezeugte ihm von Seiten Sr.
Maj. den Wunsch, Zeichnungen der Instrumente von englischer Fa¬
brik zu erhalten.. Nachdem ihm die Erlaubniß hierzu ohne Mühe
geworden, schickte er Maler zum Gesandten, welche große Blätter


Stellung einer historischen Oper beiwohnte, in welcher die Recitative,
Arien und Chöre eben so regelmäßig sich einfanden, wie in einer
italienischen Oper. Er fügt hinzu, daß es unter den Darstellerin¬
nen einige recht erträgliche Sängerinnen gab. Ueberhaupt fällt
dieser Reisende ein sehr günstiges Urtheil über die chinesische Musik.
Wenn man ihm vollkommen Glauben beimessen darf, so besitzt dieses
Boll eine große Anzahl verschiedener Instrumente, die nach denselben
Principien gebaut und dieselben Wirkungen hervorzubringen bestimmt
und im Stande sind, wie unsere europäischen. „Zu Zhe-Hol,"
sagte er, „habe ich Sänger gehört, die ihre Stimmen so zu beherr¬
schen verstanden, daß sie von fern Harmonikatönen glichen und daß
mehrere unter den Gentlemen der Gesandtschaft, welche im Punkte
der Musik competente Richter abgeben konnten, von ihrem Gesang
ganz entzückt waren." Man darf, ohne der Wahrheit zu nahe zu
treten, annehmen, daß diese Meinung etwas zu nachsichtig und guil-
feig ist, aber man ist zugleich berechtigt, zwischen diesem vortheilhaf-
ten Urtheil, das offenbar übertrieben ist, und dem andrerseits allzu¬
verächtlichen Ausspruch von gar zu gestrengen Richtern über die chine¬
sische Musik, einen mittlern Standpunkt anzunehmen.

Bei allen ihren Festen verwenden die Chinesen Musiker, sie
haben herumziehende Musikanten, ziemlich nach Art der alten
Troubadours, welche, von Provinz zu Provinz ziehen, überall an¬
gehalten und überall spielend. Ebenso hat die Musik an allen öf¬
fentlichen Ceremonien ihren Antheil und es würde in den Augen
der Chinesen kein Fest vollständig sein, an dem nicht Musiker sich
auf Chen» und King vernehmen ließen.

Eine kurze Zeit lang waren die Chinesen nahe daran, ihrer
Nativnalmusik zu entsagen, um sich die europäische anzueignen.
Zur Zeit nämlich, als Lord Macartney als Abgeordneter des Kö¬
nigs von England seine große Reise durch China und die Tartarei
machte, wurden die einheimischen Musiker von der Wirkung der
Stücke ergriffen, welche die im Gefolge der Gesandtschaft befindliche
Musiktruppe spielte. Der Musikdirektor der kaiserlichen Kapelle kam
zu Sr. Excellenz, dem Gesandten, und bezeugte ihm von Seiten Sr.
Maj. den Wunsch, Zeichnungen der Instrumente von englischer Fa¬
brik zu erhalten.. Nachdem ihm die Erlaubniß hierzu ohne Mühe
geworden, schickte er Maler zum Gesandten, welche große Blätter


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[0198] Stellung einer historischen Oper beiwohnte, in welcher die Recitative, Arien und Chöre eben so regelmäßig sich einfanden, wie in einer italienischen Oper. Er fügt hinzu, daß es unter den Darstellerin¬ nen einige recht erträgliche Sängerinnen gab. Ueberhaupt fällt dieser Reisende ein sehr günstiges Urtheil über die chinesische Musik. Wenn man ihm vollkommen Glauben beimessen darf, so besitzt dieses Boll eine große Anzahl verschiedener Instrumente, die nach denselben Principien gebaut und dieselben Wirkungen hervorzubringen bestimmt und im Stande sind, wie unsere europäischen. „Zu Zhe-Hol," sagte er, „habe ich Sänger gehört, die ihre Stimmen so zu beherr¬ schen verstanden, daß sie von fern Harmonikatönen glichen und daß mehrere unter den Gentlemen der Gesandtschaft, welche im Punkte der Musik competente Richter abgeben konnten, von ihrem Gesang ganz entzückt waren." Man darf, ohne der Wahrheit zu nahe zu treten, annehmen, daß diese Meinung etwas zu nachsichtig und guil- feig ist, aber man ist zugleich berechtigt, zwischen diesem vortheilhaf- ten Urtheil, das offenbar übertrieben ist, und dem andrerseits allzu¬ verächtlichen Ausspruch von gar zu gestrengen Richtern über die chine¬ sische Musik, einen mittlern Standpunkt anzunehmen. Bei allen ihren Festen verwenden die Chinesen Musiker, sie haben herumziehende Musikanten, ziemlich nach Art der alten Troubadours, welche, von Provinz zu Provinz ziehen, überall an¬ gehalten und überall spielend. Ebenso hat die Musik an allen öf¬ fentlichen Ceremonien ihren Antheil und es würde in den Augen der Chinesen kein Fest vollständig sein, an dem nicht Musiker sich auf Chen» und King vernehmen ließen. Eine kurze Zeit lang waren die Chinesen nahe daran, ihrer Nativnalmusik zu entsagen, um sich die europäische anzueignen. Zur Zeit nämlich, als Lord Macartney als Abgeordneter des Kö¬ nigs von England seine große Reise durch China und die Tartarei machte, wurden die einheimischen Musiker von der Wirkung der Stücke ergriffen, welche die im Gefolge der Gesandtschaft befindliche Musiktruppe spielte. Der Musikdirektor der kaiserlichen Kapelle kam zu Sr. Excellenz, dem Gesandten, und bezeugte ihm von Seiten Sr. Maj. den Wunsch, Zeichnungen der Instrumente von englischer Fa¬ brik zu erhalten.. Nachdem ihm die Erlaubniß hierzu ohne Mühe geworden, schickte er Maler zum Gesandten, welche große Blätter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/198>, abgerufen am 23.07.2024.