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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Mit seinem Galaktometer "der Milchmesser kann jeder gebildete
Leser, dem der Gebrauch dieses Instruments sicherlich geläufig ist,
seiner Milchfrau den ärgsten Schabernack spiele", indem er untrüg¬
lich erkennt, wie viel Wasser- und wie viel Rahmtheile seine Milch
enthält. -- Die Milchfrau wird freilich darum nicht weniger Was¬
ser hineinschütten und der Leser nicht weniger fortfahren, diese Milch
zu trinken ; denn woher will er sich in einer großen Stadt andere
oder bessere verschaffen?

Einer oder der andere meiner bejahrteren Leser hat vielleicht
das Unglück, von seinen Reisen oder Feldzügen her gleich mir an
rheumatischen und gichtischen Anfällen zu leiden, und kauft daher
Flanell ein, um durch ein gleichmäßig warmes Camisol sich vor Er¬
kältungen zu hüten. Nun ist aber die Kette des Flanells, den man
meisthin bei den Kaufleuten antrifft, von Baumwolle und diese
taugt gerade zu Rheumatismen nichts, weil sie eine zu starke Er¬
hitzung hervorruft. Will man sich nun überzeugen, ob der Flanell rein
wollen ist, so braucht man ihn nur in einer Potaschauflösung von
12 Graden zu kochen: die Wolle wird sich dann auflösen, um Seife
zu bilden, während die Baumwolle kaum angegriffen sein wird, --
Den größten Vortheil von diesem Verfahren hat freilich der Kauf¬
mann, denn unser erstes Stück Flanell ist im Kessel geblieben und
kann höchstens als Seife zum Rasiren benutzt werden, so daß wir
nothwendig ein zweites Stück Flanell kaufen müssen.

Es würde doch wirklich ein unerhörter Zufall sein und ist da¬
her kaum anzunehmen, daß Sie, meine werthen Leser, von all
den Säuren und Apparaten, die ich Ihnen hier aufgezählt habe,
wozu Sie noch genaue Wagen und Apolhekergewichte hinzufügen
mögen, gar nichts vorräthig haben sollten. Denn ich habe wirklich
nur die allereinfachsten Mittel angegeben, kein complicirtereS, wie
z. B. die Erkennung der verschiedenen Oele durch die verschiedenen
Grade, in welchen sie Electricitätsleiter sind, zu welchem Behufe man
nothwendigerweise sein Oel erst zu einem Professor der Physik Schil-
ler müßte, ehe man einen Salat bereiten kann. Sollten Sie also,
trotz ihrer Einfachheit, von den angegebenen Mitteln der Wissenschaft
keinen Gebrauch machen können oder wollen, so bleibt Ihnen nur
noch die Zuflucht zum Gesetz übrig. Sie können sich, liebe Leser,
an den Polizeicommissair wenden, wenn Sie in Berlin wohnen oder


Mit seinem Galaktometer »der Milchmesser kann jeder gebildete
Leser, dem der Gebrauch dieses Instruments sicherlich geläufig ist,
seiner Milchfrau den ärgsten Schabernack spiele», indem er untrüg¬
lich erkennt, wie viel Wasser- und wie viel Rahmtheile seine Milch
enthält. — Die Milchfrau wird freilich darum nicht weniger Was¬
ser hineinschütten und der Leser nicht weniger fortfahren, diese Milch
zu trinken ; denn woher will er sich in einer großen Stadt andere
oder bessere verschaffen?

Einer oder der andere meiner bejahrteren Leser hat vielleicht
das Unglück, von seinen Reisen oder Feldzügen her gleich mir an
rheumatischen und gichtischen Anfällen zu leiden, und kauft daher
Flanell ein, um durch ein gleichmäßig warmes Camisol sich vor Er¬
kältungen zu hüten. Nun ist aber die Kette des Flanells, den man
meisthin bei den Kaufleuten antrifft, von Baumwolle und diese
taugt gerade zu Rheumatismen nichts, weil sie eine zu starke Er¬
hitzung hervorruft. Will man sich nun überzeugen, ob der Flanell rein
wollen ist, so braucht man ihn nur in einer Potaschauflösung von
12 Graden zu kochen: die Wolle wird sich dann auflösen, um Seife
zu bilden, während die Baumwolle kaum angegriffen sein wird, —
Den größten Vortheil von diesem Verfahren hat freilich der Kauf¬
mann, denn unser erstes Stück Flanell ist im Kessel geblieben und
kann höchstens als Seife zum Rasiren benutzt werden, so daß wir
nothwendig ein zweites Stück Flanell kaufen müssen.

Es würde doch wirklich ein unerhörter Zufall sein und ist da¬
her kaum anzunehmen, daß Sie, meine werthen Leser, von all
den Säuren und Apparaten, die ich Ihnen hier aufgezählt habe,
wozu Sie noch genaue Wagen und Apolhekergewichte hinzufügen
mögen, gar nichts vorräthig haben sollten. Denn ich habe wirklich
nur die allereinfachsten Mittel angegeben, kein complicirtereS, wie
z. B. die Erkennung der verschiedenen Oele durch die verschiedenen
Grade, in welchen sie Electricitätsleiter sind, zu welchem Behufe man
nothwendigerweise sein Oel erst zu einem Professor der Physik Schil-
ler müßte, ehe man einen Salat bereiten kann. Sollten Sie also,
trotz ihrer Einfachheit, von den angegebenen Mitteln der Wissenschaft
keinen Gebrauch machen können oder wollen, so bleibt Ihnen nur
noch die Zuflucht zum Gesetz übrig. Sie können sich, liebe Leser,
an den Polizeicommissair wenden, wenn Sie in Berlin wohnen oder


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[0171] Mit seinem Galaktometer »der Milchmesser kann jeder gebildete Leser, dem der Gebrauch dieses Instruments sicherlich geläufig ist, seiner Milchfrau den ärgsten Schabernack spiele», indem er untrüg¬ lich erkennt, wie viel Wasser- und wie viel Rahmtheile seine Milch enthält. — Die Milchfrau wird freilich darum nicht weniger Was¬ ser hineinschütten und der Leser nicht weniger fortfahren, diese Milch zu trinken ; denn woher will er sich in einer großen Stadt andere oder bessere verschaffen? Einer oder der andere meiner bejahrteren Leser hat vielleicht das Unglück, von seinen Reisen oder Feldzügen her gleich mir an rheumatischen und gichtischen Anfällen zu leiden, und kauft daher Flanell ein, um durch ein gleichmäßig warmes Camisol sich vor Er¬ kältungen zu hüten. Nun ist aber die Kette des Flanells, den man meisthin bei den Kaufleuten antrifft, von Baumwolle und diese taugt gerade zu Rheumatismen nichts, weil sie eine zu starke Er¬ hitzung hervorruft. Will man sich nun überzeugen, ob der Flanell rein wollen ist, so braucht man ihn nur in einer Potaschauflösung von 12 Graden zu kochen: die Wolle wird sich dann auflösen, um Seife zu bilden, während die Baumwolle kaum angegriffen sein wird, — Den größten Vortheil von diesem Verfahren hat freilich der Kauf¬ mann, denn unser erstes Stück Flanell ist im Kessel geblieben und kann höchstens als Seife zum Rasiren benutzt werden, so daß wir nothwendig ein zweites Stück Flanell kaufen müssen. Es würde doch wirklich ein unerhörter Zufall sein und ist da¬ her kaum anzunehmen, daß Sie, meine werthen Leser, von all den Säuren und Apparaten, die ich Ihnen hier aufgezählt habe, wozu Sie noch genaue Wagen und Apolhekergewichte hinzufügen mögen, gar nichts vorräthig haben sollten. Denn ich habe wirklich nur die allereinfachsten Mittel angegeben, kein complicirtereS, wie z. B. die Erkennung der verschiedenen Oele durch die verschiedenen Grade, in welchen sie Electricitätsleiter sind, zu welchem Behufe man nothwendigerweise sein Oel erst zu einem Professor der Physik Schil- ler müßte, ehe man einen Salat bereiten kann. Sollten Sie also, trotz ihrer Einfachheit, von den angegebenen Mitteln der Wissenschaft keinen Gebrauch machen können oder wollen, so bleibt Ihnen nur noch die Zuflucht zum Gesetz übrig. Sie können sich, liebe Leser, an den Polizeicommissair wenden, wenn Sie in Berlin wohnen oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/171>, abgerufen am 23.07.2024.