Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.verkommenen, verkümmerten Dasein, wie es trotz allem Selbstbetrug Feuerbach wird allein bleiben, sein Wort wird wie die Stimme Ja, der allgemeine Schmerz der einer bessern Zukunft sich be¬ Wenn Dir im Rücken dieser Zeit Auflauerte Unsterblichkeit, So wärst du schon als Kind ein Greis, Dein Herz schlich hin in mattem Gleis. Du wärest hier schon farbenbleich, Dein Herz ein abgeschmackter Teig; Der Ewigkeiten Ueberfluß verkommenen, verkümmerten Dasein, wie es trotz allem Selbstbetrug Feuerbach wird allein bleiben, sein Wort wird wie die Stimme Ja, der allgemeine Schmerz der einer bessern Zukunft sich be¬ Wenn Dir im Rücken dieser Zeit Auflauerte Unsterblichkeit, So wärst du schon als Kind ein Greis, Dein Herz schlich hin in mattem Gleis. Du wärest hier schon farbenbleich, Dein Herz ein abgeschmackter Teig; Der Ewigkeiten Ueberfluß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266634"/> <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> verkommenen, verkümmerten Dasein, wie es trotz allem Selbstbetrug<lb/> heute uns umfängt, — was will da Gutes kommen, wenn es nicht<lb/> aus dem reinen Brunnen der ewig jungen Natur entgegenquillt,<lb/> wenn man nicht wieder in die eigne Tiefe steigen und einen neuen<lb/> Menschen anziehen will? Wollen! Können! Ach, vielleicht kann<lb/> die altgcwordene Menschheit nicht mehr jung werden wollen. Nicht<lb/> das Einfache, Ursprüngliche, Natürliche, nur daS Uebernatürliche,<lb/> Uebermenschliche, der Finger Gottes, der wieder einmal den Besen<lb/> am Firmament aufsteckt, womit er den Staub und Schmutz von<lb/> seiner armen Menschheit abkehre, — nur das kann aus dem Zuge<lb/> in die Unnatur, in die Entmenschlichung, in das Verderben retten.</p><lb/> <p xml:id="ID_25"> Feuerbach wird allein bleiben, sein Wort wird wie die Stimme<lb/> eines Predigers in der Wüste verhallen. Er freilich blickt mit sei¬<lb/> nem am Grün der Bäume erfrischtem, am kühlen Bergquell ge¬<lb/> stärkten und erhellten Auge leichter, freier, hoffnungsreicher in die<lb/> Zeit, als wir, denen Stadt- und Kathederlust frei aufzuathmen ver¬<lb/> wehrt. Könnte die Herbigkeit, der feurige Eifer, das rakctenmäßige<lb/> Ungestüm ihn „auf die schwarze Tafel der Unzufriedenen und Zer-<lb/> rißncn hinzeichnen," und in ihm eine geheime Lust am Schmerz,<lb/> einen Trieb zur Selbstzerstörung und Selbstverbrennung sehen lassen,<lb/> so müssen wir ihn wiederum nur selber hören.</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> Ja, der allgemeine Schmerz der einer bessern Zukunft sich be¬<lb/> wußten Gegenwart, oder der Schmerz der Unzufriedenheit mit sich<lb/> selbst, der alle strebenden Geister rastlos vorwärts treibt, oder der<lb/> Schmerz der Erfahrung, daß Verstand nur vor den Jahren kommt,<lb/> oder der ethische Schmerz des Bewußtseins, daß wir im Leben immer<lb/> hinter unsrer Erkenntniß zurückbleiben — diesen Schmerz hat und<lb/> fühlt auch er in seinem tiefsten Innern. Aber nicht auf Zerrissen¬<lb/> heit und Lust am Schmerz darf eS gedeutet werden, wenn wir in<lb/> seine Gedanken über Unsterblichkeit folgende Verse eingelegt finden:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem" next="#POEMID_2"> <l> Wenn Dir im Rücken dieser Zeit<lb/> Auflauerte Unsterblichkeit,<lb/> So wärst du schon als Kind ein Greis,<lb/> Dein Herz schlich hin in mattem Gleis.<lb/> Du wärest hier schon farbenbleich,<lb/> Dein Herz ein abgeschmackter Teig;<lb/> Der Ewigkeiten Ueberfluß</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
verkommenen, verkümmerten Dasein, wie es trotz allem Selbstbetrug
heute uns umfängt, — was will da Gutes kommen, wenn es nicht
aus dem reinen Brunnen der ewig jungen Natur entgegenquillt,
wenn man nicht wieder in die eigne Tiefe steigen und einen neuen
Menschen anziehen will? Wollen! Können! Ach, vielleicht kann
die altgcwordene Menschheit nicht mehr jung werden wollen. Nicht
das Einfache, Ursprüngliche, Natürliche, nur daS Uebernatürliche,
Uebermenschliche, der Finger Gottes, der wieder einmal den Besen
am Firmament aufsteckt, womit er den Staub und Schmutz von
seiner armen Menschheit abkehre, — nur das kann aus dem Zuge
in die Unnatur, in die Entmenschlichung, in das Verderben retten.
Feuerbach wird allein bleiben, sein Wort wird wie die Stimme
eines Predigers in der Wüste verhallen. Er freilich blickt mit sei¬
nem am Grün der Bäume erfrischtem, am kühlen Bergquell ge¬
stärkten und erhellten Auge leichter, freier, hoffnungsreicher in die
Zeit, als wir, denen Stadt- und Kathederlust frei aufzuathmen ver¬
wehrt. Könnte die Herbigkeit, der feurige Eifer, das rakctenmäßige
Ungestüm ihn „auf die schwarze Tafel der Unzufriedenen und Zer-
rißncn hinzeichnen," und in ihm eine geheime Lust am Schmerz,
einen Trieb zur Selbstzerstörung und Selbstverbrennung sehen lassen,
so müssen wir ihn wiederum nur selber hören.
Ja, der allgemeine Schmerz der einer bessern Zukunft sich be¬
wußten Gegenwart, oder der Schmerz der Unzufriedenheit mit sich
selbst, der alle strebenden Geister rastlos vorwärts treibt, oder der
Schmerz der Erfahrung, daß Verstand nur vor den Jahren kommt,
oder der ethische Schmerz des Bewußtseins, daß wir im Leben immer
hinter unsrer Erkenntniß zurückbleiben — diesen Schmerz hat und
fühlt auch er in seinem tiefsten Innern. Aber nicht auf Zerrissen¬
heit und Lust am Schmerz darf eS gedeutet werden, wenn wir in
seine Gedanken über Unsterblichkeit folgende Verse eingelegt finden:
Wenn Dir im Rücken dieser Zeit
Auflauerte Unsterblichkeit,
So wärst du schon als Kind ein Greis,
Dein Herz schlich hin in mattem Gleis.
Du wärest hier schon farbenbleich,
Dein Herz ein abgeschmackter Teig;
Der Ewigkeiten Ueberfluß
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